Nachträgliche Vorbemerkungen

vom 01. Oktober 2016 zur Entstehung dieser Arbeit:

Im Zuge meiner bereits in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst als sog. Schulhelfer, dann als junger Lehrer an der Volksschule aus der Sicht des damaligen Faches „Heimatkunde“ erfolgten Beschäftigung mit der Erforschung der Geschichte meiner Heimatstadt Bad Wimpfen fand neben der Thematik „Wimpfen als hessische Exklave (1802/03 – 1951/52)“ auch der Themenbereich „Heimatgemarkung – Landbau – Flurnamen“ mein ganz besonderes Interesse. Dieses wuchs noch, nachdem ich beim intensiven Studium des ab 1873 so gut wie vollständig im Wimpfener Verlag „Hermann Elser“ vorliegenden „Wimpfener Boten“, später „Wimpfener Zeitung“ bzw. „Wimpfener Heimat Bote“, unter dem 20. August 1931 auf einen umfangreichen Bericht gestoßen war, der von einem Vortrag in der Jahreshauptversammlung des Vereins Alt-Wimpfen über das Thema „Wimpfener Siedlungsgeschichte und Flurnamen“ eines Dr. Will, Bonn/Hohenstadt, berichtete. Aus einem Hinweis dieser Zeitung der ersten Aprilhälfte desselben Jahres ging hervor, dass es sich bei dem Vortragenden um einen Sohn namens Wilhelm Will des damals in Bad Wimpfen-Hohenstadt tätigen Lehrers Ludwig Will handelt, der am Saarländischen Sprachinstitut der Universität Bonn als Assistent tätig war und an der Universität Gießen „mit Auszeichnung“ die Würde eines Dr. phil. erworben hatte. Seine Prüfungsarbeiten, so hieß es weiter, hätten sich mit der Geschichte des Ritterstifts Sankt Peter Wimpfen im Tal und den Flurnamen von Wimpfen befasst.

Was ich aus diesem Zeitungsbericht über eine Fülle von mir beim Aufwachsen ab Herbst 1926 über die 1930er Jahre hinweg in der Schulstraße von Wimpfen am Berg unweit eine Reihe von bäuerlichen Kleinst- bis Großbetrieben (Würz, Schmidt, Straib, Didié, Schäferei Maisenhälder, Klenck, Erlewein) vertraut gewordenen Flurnamen insbesondere auf dem Hintergrund der Geschichte der Besiedelung und Erschließung der Gemarkungsteile Wimpfen am Berg und im Tal sowie Hohenstadt an Aufschlussreichem erfuhr, war kolossal und ließ mich nicht mehr los: So zunächst die Aussagen über den „Galgenberg“ und die „Alte Galgenhöhe“ sowie dann die aufgeführten zahlreichen Flurnamen jener drei Markungsteile, in denen „Roth“, „Rieth“, „Reut“, „Bruch“, „Loh“ u. a. m. enthalten ist, die alle auf den über viele Jahrhunderte gegangenen Prozess der Erschließung von Acker-, Weide- und Wiesen- sowie Weinberg- und Gartenland durch Rodung des Waldes, der Urform des Bewuchses, hindeuten. Dazu kamen die vielen Hinweise auf Flurnamen und -gebiete, welche die weite Verbreitung in allen drei Gemarkungsbereichen des zum Zeitpunkt des Vortrags nur noch in geringsten Resten vorhandenen Weinbaus ausweisen. Nicht minder informativ waren die sich in der Bezeichnung „Allmend“ und „Weide“ oder auch „Brühl“ abzeichnenden Aufschlüsse über die vor der Stallwirtschaft betriebene Viehweidewirtschaft sowie die aus der sog. Dreifelderwirtschaft notwendigerweise gewachsene Aufteilung des Besitzes in „Gemengelage“ über drei sog. Fluren sowie über den daraus hervorgegangenen sog. Flurzwang. Für mich am eindrücklichsten wurden schließlich die am Schluss des Vortrages gegebenen Hinweise auf zwei Einzel-Flurnamen, deren Urbedeutung nur durch die von Wilhelm Will betriebene ebenso weitgespannte wie tiefstens rückgreifende Urkundenforschung ermittelt werden konnte: „Eiergärten“ entpuppt sich überraschenderweise als (1575) „der Aigerin Gärten“ und „Allezberg“ (Ort vor allem des 1930 eröffnerten „Kurmittelhauses“) sinnigerweise als „Malletzberg“ oder „Malatzenberg“, lateinisch „Mons Leprosorum“, d. h. der Berg der Aussatzkranken. Schließlich erfolgt noch der auf die römische Vergangenheit Wimpfens hindeutende Hinweis archäologischen Inhalts auf den zwischen „Bonfelder Straße“ und „Rappenauer Straße“ über zunächst den „Neubruch“, dann die „Grötenweide“ und schließlich den „Galgenberg“ ziehenden Kieselsteinstreifen als Relikt der sich auch im Straßen- und Flurnamen „Steinweg“ widerspiegelnden einstigen Römerstraße. „Der Vortrag schloß“, so heißt es, „mit dem Hinweis auf die Bedeutung der Flurnamen auch für andere Zweige der Heimatgeschichte und mit dem Wunsch, daß die Beschäftigung mit den Flurnamen Anregung zu erneuter Beschäftigung mit der Wimpfener Geschichte werde.“

Die Erfüllung dieses Wunsches hat der 1945 kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs in oder bei Schwebheim in Unterfranken nahe Schweinfurt als Angehöriger einer Flak-Einheit gefallene Dr. phil. Wilhelm Will leider nicht mehr erlebt. Seine erstrangig Wimpfen geltenden wissenschaftlichen Arbeiten, deren Titel nachfolgend unter „Anmerkungen zu I. GEMARKUNG WIMPFEN AM BERG a, b, c, d, e” aufgelistet sind, fanden zwar in der Nachkriegszeit Aufnahme in die Bestände des Archives der Stadt Bad Wimpfen, doch quellenmäßig erst Beachtung, als ich nach dem Erscheinen von „Die Geschichte der hessischen Exklave Wimpfen, Band 1 (1802 – 1836)” des Jahres 2004 im Folgejahr 2005 bei der Vorbereitung des 2008 erschienenen Bandes 2 (1936 – 1870) auf diese stieß und im Rahmen des Unter-Kapitels „B.7. Die Reform der Land- und Forstwirtschaft wird weiterhin gezielt gefördert” in Teilabschnitt „d. Neuvermessung der Parzellen in Verbindung mit der Schaffung eines Brouillon-Kartenwerks der Gemarkung sowie der Anlegung neuer Grundbücher“ auf Seite 196 die Feststellung traf, dass diese in einem als Anhang zu diesem Band 2 zu sehenden „gesonderten Druckwerk veröffentlicht werden“ würde. Inzwischen habe ich in mühevoller Kleinarbeit diesen sog. Anhang in der folgenden Art und Weise erstellt:

Unter
1. PLANDARSTELLUNGEN
werden die unter Zugrundelegung des Parzellenbrouillon-Kartenwerks der Jahre 1840 – 1843/44 von Wilhelm Will im Rahmen seiner Arbeiten gefertigten und auf die drei Gemarkungsbereiche bezogenen Darstellungen
– a. Übersicht der Fluren und deren Abteilungen von Wimpfen am Berg, Wimpfen im Tal und Hohenstadt
sowie die von diesem gefertigten und von mir ergänzten
– b. Gemarkungspläne von Wimpfen am Berg, Wimpfen im Tal und Hohenstadt vorgestellt.

Diesem folgt
2. ALPHABETISCHE ÜBERSICHTEN:
Dort wird zunächst im Rahmen einer 5 Textspalten umfassenden Tabellarischen Darstellung
– a. In der Spalte 1 der gesamte Kanon des im von den Behörden des Großherzogtums Hessen geschaffenen dreiteiligen Parzellenbrouillon-Kartenwerkes der Jahre 1840 – 1843/44 von Wimpfen am Berg, Wimpfen im Tal und Hohenstadt zu findenden 120 + 58 + 82 = 260 Gewann- und Flurbezeichnungen (einschließlich einer Reihe sog. Volksmund-Namen) in alphabetischer Folge und dazuhin in Spalte 2 deren jeweilige Lage innerhalb der verschiedenen sog. Fluren und deren Abteilungen sowie in Spalte 3 deren jeweilige Kulturart(en) aufgeführt.
– b. In Spalte 4 werden unter Heranziehung zunächst der Wilhelm Will als Basis seiner späteren Dissertation dienenden sog. Hausarbeit von ca. 1930 die dort zu findenden jeweiligen historischen Flurnamenformen in chronologicher Reihenfolge, ergänzt durch die im Geschichtswerk von Ludwig Frohnhäuser des Jahres 1870 aufgelisteten Flurnamen-Formen des 15./16. Jahrhunderts sowie die von Dr. Rainer Ruschke, 2007, in den Ratsprotokollen des 17. Jahrhunderts aufgefundenen solchen, auswahlweise aufgelistet.
– c. In Spalte 5 hauptsächlich (ggfls. unter Weiterführung in anderen solchen) erfolgt abschließend jeweils die Deutung bzw. der Deutungsversuch des jeweiligen Gewann- und Flurnamens oder auch Objektnamens erstrangig unter Heranziehung der von Wilhelm Will gegebenen Auslegungen, unterstützt durch Hinzuziehung von Fachliteratur insbesondere der Flurnamen-, Sprach- und Volkskunde-Forschung, die sich jeweils am Textende unter „Anmerkungen zu Gemarkung Wimpfen am Berg … Wimpfen im Tal … Hohenstadt“ angegeben findet.
– d. Zur Veranschaulichung ist jeder Gewann- und Flurnamenbezeichnung mit Lage-, Struktur- und Sinnerklärung zumindest eine bzw. sind in der Regel mehrere dem Gemarkungskartenwerk von wenig vor 1807 oder/und dem Parzellenbrouillon-Kartenwerk von 1840/43 entnommene historische Flurplanausschnitte beigefügt, die wie auch die übrigen Bildmaterialien mit Zählnummern und -buchstaben sowie Titel und zum Zwecke der Stützung des Verständnisses mit Textzusätzen versehen sind. Außerdem sind zum Zwecke insbesondere der Herstellung des Bezugs zur Gegenwart mit den durch die Flurbereinigung der 1950/60er Jahre in Verbindung mit der fortschreitenden Technisierung der Landwirtschaft, der Ausdehnung der Industrialisierung sowie der Wohn- und Gewerbebebauung erfolgten einschneidenden Veränderungen aller drei Gemarkungsgebiete noch eine Menge in der Regel auf Google Earth (Stand 2000) basierenden und durch Beschriftung erläuterte Luftbild-Ausschnitte sowie da und dort auch insbesondere archäologische Sachverhalte vermittelnde Luftbild-Fotos von Luftbildfotograf Dr. Rainer Ruschke und Anderer, dazuhin Fotos von prägenden aus älteren Tagen überkommenen Objekten wie Brunnen, Hohlwegführungen, Erdfälle, Grenzsteine u. v. a. m. teilweise mit mir wert gewordenen Personen hinzugefügt, die mich bei meinen Erkundungsarbeiten beratend und unterstützend begleitet haben. Dieses vorangehend umschriebene Bildmaterial in seiner Gesamtheit findet sich in den Spalten 2 und 3, teilweise auch noch 4, unter Angabe der jeweiligen Zählnummer und -buchstaben sowie der Betitelung in Fettschrift aufgeführt.

Hinzugefügt ist schließlich noch
3. NACHBETRACHTUNG:
Dort ist zunächst unter
– a), b) und c) in Wort und Bild unter gegenüberstellender Zuhilfenahme von Zahlengut sowie am Beispiel des früheren Landwirtschaftsbetriebes von Rosenwirt Friedrich Ludwig Klenk (1813 – 1887) darzulegen versucht, wie einschneidend (und betriebsfördernd) unter dessen Nachfahren Peter Klenck I. (geb. 1922) und seinem gleichnamigen Sohn Peter Klenck II. (geb. 1962) im Gefolge der Flurbereinigung der 1950er Jahre die ursprüngliche Zerstreuung des Hofbesitzes in vielerlei weit auseinander gelegene Parzellen einer Verdichtung Platz gemacht und die sog. Aussiedelung der mitten in der Altstadt in der Hauptstraße und Langgasse befindlichen Hofanlage in die Gewannflur „Allmend” des Jahres 1960 auch diese, was vor allem die Bewirtschaftung anbelangt, zum Besseren verwandelt hat.- Bei
– d) ist durch das Vorzeigen des Lebenslaufes von Dr. phil. Wilhelm Will, außerdem einer der Gemarkung Hohenstadt geltenden Handskizze desselben sowie der dessen Dissertation von 1931 entnommenen achtseitigen Übersicht „Der Flurnamen-Bestand in zeitlicher Anordnung“ und schließlich noch durch die Wiedergabe je der ersten Seite seiner dreigliedrigen (auf Wimpfen am Berg, Wimpfen im Tal und Hohenstadt bezogenen) sog. Hausarbeit von ca. 1930 der Versuch gemacht, Wesenspunkte seiner Person und seiner in Kernpunkten Wimpfen gegoltenen Forschungsarbeit herauszustellen.- Schließlich wird unter
– e) versucht, eine Art Zukunftsschau durch die Vorstellung von aktuellen Zeitungsmeldungen der Jahre 2008 und 2009 sowie der Legende und einer Reihe kennzeichnender Ausschnitte des der Fortgestaltung der Gesamtgemarkung von Bad Wimpfen im Sinne weitmöglicher Naturerhaltung geltenden „Flächennutzungsplanes Bad Wimpfen 2020 – Entwurf“ zu geben. Diese mündet in die seit den beginnenden 1960er Jahren diskutierte, hart und kontrovers umkämpfte Frage des für dringendst befundenen Baus einer Ortsumfahrung, die jedoch über die Planung zunächst einer sog. Neckaruferstraße, dann einer sog. Talmittelstraße nicht hinausgekommen ist und nach einem halben Jahrhundert sich zwar in den vorgenannten Flächennutzungsplan jetzt als über das zentrale Gewann „Galgenberg“ hinwegzuführende Trasse zwar aufgenommen findet, aber immer noch der Genehmigung harrt und deren Realisierung in Anbetracht der 30.000 Fahrzeuge und mehr Tag für Tag über die Wallstraße und Schied unmittelbar an der Altstadt vorbeibrausenden Auto- und Schwerlastverkehrs mehr als überfällig erscheint.

Neuerdings stellt sich unversehens Hoffnung auf eine Beseitigung dieser einer Stadt des Kur- und Badewesens wie auch des Fremdenverkehrs ganz besonders zuwiderlaufenden Verkehrsmisere ein. Denn vor kurzem (im September 2016) hat LIDL, der größte Discounter in Europa, sich entschieden, den Standort seiner Zentrale Deutschland im nahen Neckarsulm aufzugeben und nach Bad Wimpfen zu verlegen, wo für die rund 1.000 Mitarbeiter umgehend im seit Längerem durch Gemeinderatsbeschluss für die Gewerbebebauung freigegebenen Gewann „Mäuerleinsäcker“ umfängliche modernste Neubauten und Parkierungsanlagen etc. errichtet werden sollen. Dadurch ist zwar einerseits zu erwarten, dass das Verkehrsübel noch zunehmen wird, andererseits dürfte aber auch der Zwang zu dessen Beseitigung wachsen und so ein weiteres Hinausschieben der Schaffung einer Ortsumfahrung kaum mehr Duldung finden. Der Blick auf dem Hintergrund des geschilderten Gegenwartsgeschehens in das dem Gewann- und Flurnamen der Gemarkung Bad Wimpfen am Berg „Mäuerleinssäcker“ geltende Textblatt mit den angeschlossenen Abbildungen 46 sowie 23e und 23g lässt erkennen, dass die vorliegende Abhandlung sich bereits jetzt schon auf dem Wege des Überholtseins durch den Eilschritt unserer Zeit befindet. Das zeigt sich unter manch Anderem auch z. B. bei der Betrachtung des Textes und Bildgutes der Gewannflur „Hoher Stein“; denn dort ist leider noch nichts von der seit 2011/12 dort bestehenden von rund einem halben Dutzend Landwirten aus Wimpfen und Umgebung beschickten Biogas-Anlage berichtet, an der diese insgesamt 49 Prozent halten und die SÜWAG ENERGIEVERSORGUNG als Betreiber 51 Prozent innehat. Doch dürfte das wohl dem eigentlichen Ziel der Vermittlung des den Flurnamen zugrunde liegenden Sinnes keinen Abbruch tun.