Zeitperiode II (1806 – 1831)

Großteils vergebliche Widerstände zunächst gegen die Einführung der hessischen Rechts- und Verwaltungsnormen bei wegbestimmender Ansiedlung einer funktionstüchtigen Saline sowie später wenig erfolgreichen Versuchen der Gewährung von mit der Exklavenlage begründeten rechtlichen Ausnahmeregelungen

 Ausführliche Zeittafel

1806 ff. Beginn von Unruhe, Widerständen, Petitionen, Prozessen in Sachen: Revenüenteilung, Stempelpapierordnung, Umfang der Holzbezehndung, Rekrutierungsrecht, Besoldungsbeiträge für hessische Beamte, Einführung der Hochwaldwirtschaft u. a. m.
1806 Gutachten der Baubehörde, die sehr reparaturbedürftige Stiftskirche außer dem Chor abzubrechen und westwärtig durch eine Giebelmauer zu verschließen, um die auf nicht weniger als 125.000 fl veranschlagte Reparatur zu sparen, wird vom Großherzog abgewiesen.
1807 Auf Befehl des Großherzogs ist jeglicher Abbruch an der Stiftskirche außer der Vorhalle und den Außenkapellen zu unterlassen und sind die Kustorei und andere überflüssig gewordene Stiftsgebäude zu verkaufen und mit dem Erlös teilweise die Reparaturen zu bestreiten.
1811 Eberhard Freiherr von Gemmingen kauft das als Wormser Erbleihgut 1802/03 an den hessischen Landesherrn gelangte (westlich des Zimmerhofs gelegene) Grafenwäldle und rodet es zu Ackerland (nunmehr „Zimmerhöfer Feld“ geheißen).
1812 Franz Ludwig Graf von Helmstatt-Hochhausen kauft das als Besitzung des Ritterstifts 1802/03 an den hessischen Landesherrn gekommenen (über Hochhausen gelegenen) Finkenhof, der (wie das Zimmerhöfer Feld) hessisches Exklavengebiet bleibt. Großherzogin Louise von Hessen besucht die Stadt, wird mit einer Ehrenpforte begrüßt und scheidet, „von den Segenswünschen Ihrer getreuen Wimpfener begleitet“, per Schiff. Ablösung von Justizamtmann Hofrat Gottfried Ferdinand Majer durch den hessischen Justizamtmann Georg Ludwig Preuschen
1815 Ende der napoleonischen Kriege und Gründung des Deutschen Bundes mit sich durch Zollgrenzen gegenseitig abschottenden Staaten
1816 ff. Allgemeine Nässe-, Misswuchs-, Teurungs-, Not- und Hungerjahre; Armensammlungen und -suppenküche
1817 Das ursprünglich von Bayern, Hessen, Württemberg, Baden und Wimpfen beanspruchte Heiliggeistspital gelangt endgültig an Bayern bzw. an den beschenkten Minister Montgelas, dann durch Verkauf an Mautinspektor Siebein aus Nürnberg und weiter an Hofrat Majer, den früheren Syndicus der Reichsstadt Wimpfen.
1818 Aufhebung des insbesondere auf Bitten der Stadt 1 ½ Jahrzehnte weiter bestehen gelassenen Dominikanerklosters; Klosterkirche wird Pfarrkirche der kleinen katholischen Gemeinde, das Priorat (ehemaliges „Kaiserhaus“) Pfarrhaus derselben. Antrag auf Befreiung vom Finanz(=Eingangs)zoll und von der Einführung des neuen hessischen Maßes und Gewichts
1819 1819 – 1823: Der Umbau des Priorats („Kaiserhauses“) zum Pfarrhaus beraubt dieses seines historischen Charakters. 1819 ff: Die Glasfenster der Stiftskirche der Frühgotik werden von Großherzog Ludwig I. nach Darmstadt in seine Sammlungen geholt, die des Dominikanerklosters gelangen insbesondere an den Grafen von Erbach zu Erbach zur Ausstattung dessen Rittersaales im neu gebauten Schloss.
1819: Inbetriebnahme der nach dem hessischen Großherzog genannten „Saline Ludwigshall“ durch die gleichnamige Aktiengesellschaft.
1819: Die Einführung des Finanzzolls und des hessischen Maßes und Gewichts, was als „das Grab für das hiesige Gewerbe“ bezeichnet wird und zu einer Petition um Befreiung führt, wird wegen allgemeinen Widerständen auch im Land verschoben.
1820 Zuerkennung einer Landständischen Verfassung und Bildung des Wahlkreises Wimpfen-Hirschhorn-Neckarsteinach-Beerfelden (Wahlmänner-Wahlort im abgelegenen Waldmichelbach) mit Wahl eines Abgeordneten zur 2. Kammer
1821 Einführung einer Gemeindeordnung mit dem Recht der Wahl von Gemeinderat und Bürgermeister durch die Bürgerschaft. Ablösung von Justizamtmann Georg Ludwig Preuschen durch Landrat und Steuerrezeptor Heinrich Beecke sowie Landrichter Franz Joseph Anselm Weyland (Trennung von Exekutive und Judikative) im Zuge der Bildung des hessischen Bezirksamts Wimpfen-Kürnbach
1822 Reform und Prüfung des über 2 Jahrzehnte nachlässig-permissiv gehandhabten Gemeinderechnungswesens erbringt einen hohen Rezess der Steuererhebungen durch Stadtrentmeister Johann Friedrich Kegele und treibt diesen zur „Selbstentleibung“. Der hinhaltende Widerstand gegen die Zahlung von Beiträgen in die Provinzialkasse zeitigt zunächst Erfolge.
1823 Aufnahme der Schutzverwandten (außer den Juden) ins Bürgerrecht erhöht die Bürgerzahl von 475 auf ca. 600 und führt zur Beschränkung der Zahl der Losholzberechtigten auf 475 sowie der Verabreichung von nur 100 Büscheln Reisig für die „neuen“ gegenüber den „alten“ Bürgern; die vor dem Inkrafttreten der Gemeindeordnung ins Bürgerrecht aufgenommenen Bürger der „engeren Gemeinde“ erhalten weiter 200 Büschel Reisig gegenüber jenen der „weiteren Gemeinde“.
1825 Widerstand gegen eine Erhöhung des Finanzzolls und die endgültige Einführung der hessischen Maße und des Gewichts erfolglos
1826 ff. Später ins Bürgerrecht Eingerückte (insbesondere Helmhöfer, Salinearbeiter) führen, auf „Gleichberechtigung“ pochend, vergeblich Klage gegen die einschränkte Zahl der Losholzberechtigten auf 475.
Der Gemeinderat verhält sich gegenüber der Auf- und Annahme Auswärtiger sowie von Juden ins Bürgerrecht wachsend restriktiv mit dem Hinweis auf die „Übersetzung“ des Handwerks und Gewerbes sowie die fehlenden Arbeitsmöglichkeiten.
1827 Entfernung des durch die Justizhoheit Hessens überflüssig gewordenen „dreischläfrigen“ Galgens auf dem Galgenberg
1830 ff. Neue Missernten verursachen wieder große Not, Armut, erhöhte Armenlasten und die hessischen Behördenvertreter schätzen die „Moralität“ und Arbeitsamkeit der Einwohnerschaft, deren Bildungs- und oft von Krüppelhaftigkeit und Unterentwicklung (Inzucht!) geprägten Gesundheitszustand als tiefstehend, die Ordnung und Sauberkeit in den Straßen als schlecht sowie den Zustand der Jugend vor allem infolge mangelnder Erziehung als teilweise „verwahrlost“ ein.

Diese Zeitperiode beginnt mit einer gewissen „Unruhe“ in der Bevölkerung und vor allem mit Widerständen des Magistrats, die in eine Fülle von Gesuchen, Petitionen, ja Prozessen münden und zunächst kaum etwas mit der Problematik der Exklavenlage zu tun haben, sondern nichts anderes als Regelungen im Rahmen durch die hessische Landesherrschaft vorgenommenen Neuorganisation des Stadtwesens auf der Basis der geltenden Landesgesetze zum Gegenstand haben und somit nur wenig zu ändern vermögen. Diese betreffen vor allem:

  • eine Reihe von Einzelpunkten des Revenüen-Teilungsvertrags;
  • das vom Landesherrn beanspruchte Rekrutierungsrecht, das allerdings durch die Zahlung des Milizengeldes von Hessen noch nicht geltend gemacht wird;
  • die als besonders belastend empfundene Stempelpapierordnung;
  • den Umfang der Bezehndung, die z. B. auch auf das Bürgergab- und Besoldungsholz ausgedehnt ist;
  • die städtischen Beiträge zur Besoldung des Oberförsters und des Amtsphysikus sowie die Übernahme der Frucht- und Weinbesoldung der Geistlichen und Schuldiener (Lehrer), dazu die Vergütung der Unterbringung des Justizamts im ehemaligen Syndikatshaus;
  • die Weiterführung des 1760 vor dem Reichskammergericht angestrengten Prozesses gegen den Wormser Hof über die Bezehndung der Kleestücke sowie 1774 des vom Wormser Domkapitel gegen das Stadthospital eingeleiteten Prozesses über den Bezug des Zehnten in der Michelbach, in der Kinbach und im Hohen Ried, die beide jetzt vom Oberappellationsgericht Darmstadt zu Ende geführt werden;
  • die Einführung der hessischen Hochwaldwirtschaft mit 100 – 120-jährigem Hiebturnus u. a. m.

Einzelheiten der Streitpunkte lassen sich im o. a. Band 1 „Die Geschichte der hessischen Exklave Wimpfen“, Kapitel B.1 – 3, S. 144 – 148, nachlesen. Hiervon sei wegen seines besonderen Gewichts lediglich der letztgenannte Problempunkt angesprochen, nämlich die Einführung der hessischen Hochwaldwirtschaft. Diese macht lang andauernde Einsparungen des Holzeinschlags notwendig, was vor allem eigentlich über das ganze 19. Jahrhundert hinweg der Fall ist und immer wieder zu Engpässen bei der Darreichung des als eine von Alters her verbriefte Wimpfener Gerechtsame betrachteten und stets mit Leidenschaft (siehe vor allem die „Holzrevolution“ des Jahres 1783!) verteidigten Bürgergabe in Höhe von 1 Wimpfener Klafter Scheit- und 200 Büscheln Reisigholz führt und über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg immer wieder zu großer Unzufriedenheit und schweren Auseinandersetzungen um die vom neuen Magistrat und der Bürgerschaft als zu niedrig empfundene Höhe des von der hessischen Forstbehörde festgelegten Holzhiebquantums Anlass gibt. Dadurch mangelt es auch der Stadtkasse an Geld, zumal die Jahre des Rheinbundes und des nachfolgenden Vierten Koalitionskrieges sowie der von Napoleon gegen England verhängten Festlandssperre, schließlich die 1812 einsetzenden Befreiungskriege eine allgemeine wirtschaftliche Stagnation und „harte Zeiten“ vor allem auch durch die weitere Fortdauer der Belastungen durch die vielen Truppeneinquartierungen und -durchzüge sowie Requisitionen bringen. Dies alles hat z. B. zur Folge, dass 1807 die Stadt ihre Zahlungsunfähigkeit erklären muss und sich nicht in der Lage sieht, der Mehrzahl ihrer Bürger die von diesen geleisteten Aufwendungen für Einquartierungen, Fouragelieferungen und Ähnliches zu erstatten. Dies setzt sich im späteren Weitergang der Kriege fort, so dass viele Bürger vermehrt die Zahlung der Steuern schuldig bleiben und seitens des Stadtrentmeisters und Senators Johann Friedrich Kegele in Anbetracht der Schuldigkeiten der Stadt diesen gegenüber nur wenig unternommen wird, um diese einzutreiben.

Währenddessen werden die an den Großherzog Ludwig I. als Haus- und Familiengut aus dem stiftischen bzw. Wormser Besitz gefallenen beiden Landkomplexe, der Finkenhof und das Grafenwäldle, in Geld umgesetzt. Und zwar verkauft dieser zuerst den Finkenhof unter dem Vorbehalt der Fortdauer der dortigen hessischen Hoheitsrechte im Jahr 1811 für 38.000 fl an Franz Ludwig Graf von Helmstatt-Hochhausen, dann 1812 das Grafenwäldle an den Generalfeldzeugmeister Sigmund Freiherr von Gemmingen zu Treschklingen und Rappenau, der bereits den nördlich anstoßenden Kohlhof besitzt, das Grafenwäldle zum Feldgebiet roden lässt und es nunmehr das „Zimmerhöfer Feld“ nennt. Dem von der Stadt Wimpfen erhobenen Anspruch, der Finkenhof sei ihr nicht nur administrativ, sondern auch markungsrechtlich unterstellt und dementsprechend zur Besteuerung heranzuziehen, setzt der neue Besitzer erfolgreich Widerstand entgegen.

Hessen begegnet den Widerständen der Bürgerschaft und des Magistrats 1812 mit der Ablösung des ehemaligen reichsstädtischen und familiär durch Heirat am Ort mit dem Führungsklüngel versippten Syndikus Justizamtmann Gottfried Ferdinand Majer und der Einsetzung des aus Hessen kommenden Justizamtmannes Georg Ludwig Preuschen. Nachdem der Landesvater vor Jahren vorangegangen ist, sein nach dem Kondominatsort Kürnbach südlichstes Gebiet zu besuchen, tut ihm dies 1812 seine Gemahlin Großherzogin Louise nach, die man mit einer Ehrenpforte begrüßt und am selben Tag noch, „von den Segenswünschen Ihrer getreuen Wimpfener begleitet“, die Heimreise per Schiff Richtung Neckarelz antritt.

Da die Länder des nach der Beendigung der Befreiungskriege 1815 konstituierten Deutschen Bundes sich zunehmend durch Zollgrenzen voneinander abschotten, drücken die Zolllasten das in der „Dreiländerecke“ gelegene Wimpfen besonders schwer und befördern vor allem auch stärkstens den Schmuggel. Jetzt beginnt eine Kette von Auseinandersetzungen, bei denen erstlinig die Gewährung von gesetzlichen Ausnahmeregelungen verlangt und als Begründung die isolierte Lage Wimpfens in der Dreiländerecke ins Feld geführt wird. So regt sich vor allem entschiedener Widerstand, als in den Folgejahren im Zuge der erwähnten restriktiven Zollpolitik die hessischen Eingangszölle eingeführt und weiter erhöht werden sollen und überdies das in Hessen besonders buntscheckige Maß- und Gewichtssystem vereinheitlicht werden soll. Um Befreiung von beidem zu erlangen, sendet der Magistrat schließlich sogar eine Delegation nach Darmstadt, welche, auf Wimpfens Lage zwischen zwei anderen Staaten und den mit diesen unabdingbar notwendigen Warenaustausch hinweisend, die für den Handel, das Gewerbe und die Märkte „verderbliche“ Einführung des Eingangszolls sowie des neuen hessischen Maßes und Gewichts abwenden soll. Da überall im Lande sich ebenfalls Widerstand dagegen regt, wird deren Einführung jedoch vorläufig hinausgeschoben.

In diese ersten Jahre des Bestehens des Deutschen Bundes sowie des nach 2 Jahrzehnten kriegerischer Ereignisse endlich eingetretenen Friedens fällt auch die Regelung des bislang ungeklärten Schicksals des Hospitals zum Heiligen Geist, nachdem dieses Zankapfel zwischen ursprünglich fünf Beanspruchenden gewesen ist. Dieses wird 1817 endgültig dem Königreich Bayern zugesprochen, so dass der vom bayrischen König damit beschenkte allgewaltige bayrische Minister Montgelas dieses an den Nürnberger Mautinspektor Siebein verkauft, der seinerseits dieses an den darin Wohnung beziehenden früheren letzten reichsstädtischen Syndikus Hofrat Mayer weiterveräußert. Im Folgejahr 1818 wird auch das vorläufig bestehen gelassene Dominikanerkloster aufgehoben, nachdem die Patres und Fratres bis auf den Prior und letzten Pfarrer der katholischen Gemeinde aus den Reihen der Dominikanermönche Fridericus Stadler sowie den Bruder Caspar Weigand, genannt Pater Gregorius, ausgestorben sind. Die Dominikanerkirche wird Pfarrkirche der nur 18 „Seelen“ (gemeint Familienvorstände) zählenden katholischen Gemeinde Wimpfen am Berg und Wimpfen im Tal und das altehrwürdige Priorat („Kaiserhaus“) wird katholisches Pfarrhaus. Dieses wird durch einen in den Jahren 1819 – 1823 erfolgten umfassenden Umbau seines historischen Charakters beraubt. Bald nach der Mediatisierung Wimpfens gelangt der Großteil der aus der Ursprungszeit des Klosters stammenden kunsthistorisch unendlich wertvollen ursprünglich 36 – 40 Scheiben umfassenden Glasmalereien der Chorfenster des Kirchenbaus zunächst nach Darmstadt, schließlich im Zeitraum von 1803 – 1819 in die Hand des Grafen und Kunstsammlers Erbach zu Erbach im Odenwald zur Ausgestaltung seines neugotischen Rittersaals, bis der Rest derselben in Gestalt von nur noch 18 Scheiben 1970 aus Lottogeldern für 1,1 Millionen glücklicherweise für das Landesmuseum im Alten Schloss in Stuttgart erworben werden kann.

Was das Schicksal des von Anfang an säkularisierten Ritterstifts anbelangt, so trifft dessen Kirche, kaum hat Hessen die Hand darauf gelegt, zunächst ein schonungsloses Schicksal: Die Bilder und Statuen der insgesamt vorhandenen 14 Altäre werden großteils als veraltetes Zeug herausgerissen und an den Meistbietenden als Brennholz verkauft. Nachdem 1802/1803 und 1806 Teile des Daches eingestürzt sind, reicht das hessische Bauamt ein Gutachten bei der Großherzoglichen Regierung ein und schlägt vor, um die veranschlagten 125.000 fl Reparaturkosten zu ersparen, die Kirche bis auf den Chor abzubrechen und diesen durch eine westliche Giebelwand zu abzuschließen. Diesem Ansinnen tritt jedoch der kunstsinnige Großherzog Ludwig 1807 entgegen und erlässt den Befehl, jeden Abbruch mit Ausnahme der Vorhalle und der Außenkapellen zu unterlassen, die Kustorei und andere überflüssig gewordene ehemalige Stiftsgebäude zu verkaufen und mit dem erzielten Geld teilweise die Reparaturen der Kirche zu bestreiten, was denn auch geschieht. Freilich wird nur das Allernotwendigste getan; so werden vor allem die Dächer repariert. In Kenntnis ihres großen kunsthistorischen Wertes lässt der Landes- und Kirchenherr schließlich 1819 die aus 79 Glasmedaillons gebildeten frühgotischen Chorfenster aus der Anfangszeit der Kirche bis auf wenige Reste in seine Darmstädter Kunstsammlung überführen; einige gelangen in den Wormser Dom bzw. in das Schloss des Grafen Erbach zu Erbach. Deren Qualität und Schönheit gibt das Beispiel der

  • Abbildung 9: Geburt Christi. Aus der Ritterstiftskirche zu Wimpfen im Tal (um 1270 – 1280), Hessisches Landesmuseum Darmstadt,

wieder.

Das für die Weiterentwicklung Wimpfens wohl wichtigste richtungweisende Geschehen dieser Periode ist die Erbohrung des Salzlagers durch den Salinisten Carl Friedrich Christian Glenck am Ausgang des Morschbachtales mit dem anschließenden Bau der 1819 eröffneten und nach dem Landesherren benannten „Saline Ludwigshall“. Diese kauft die unrentable (zweite) städtische Mössing’sche Pachtsaline am Ausgang des Erbachtales auf und setzt damit den vom Misserfolg begleiteten und die Stadtfinanzen in den 1780er Jahren dem Ruin nahe gebrachten Versuchen der Salzgewinnung durch die Stadt Wimpfen selbst ein Ende. Allein dadurch, dass das Großherzogtum Hessen im Gegensatz zum benachbarten Württemberg und Baden nur das Monopol auf den Verkauf, aber nicht auf die Produktion des Salzes beansprucht, hat sich das zu einer Aktiengesellschaft formierte Konsortium der durchweg in umliegenden wie ferneren Städten des südwestdeutschen Raumes angesiedelten Geldgeber veranlasst gesehen, das hessische Wimpfen als ein Erfolg versprechendes Feld ihrer finanziellen Betätigung der Gewinnung von Salz im Bereich der großen Lagerstätte im Mittleren Muschelkalk des Heilbronner Beckens zu wählen. Dies findet denn auch die Genehmigung des Großherzogs mit der Gestattung von 4 Jahren der Freistellung von der Bezehndung und Besteuerung. Hierzu seien gezeigt:

  • Abbildung 10: Schlussteil der Urkunde der Genehmigung der Errichtung der Saline Wimpfen mit dem hessischen Löwen-Siegel und der Unterschrift des Großherzogs „Ludewig“ vom 17. 11. 1817

sowie die den äußeren größeren Teil der Saline mit den Siedehäusern A, B und C wiedergebende

  • Abbildung 11: „Ansicht der Saline bey Wimpfen am Neckar“ aus deren Anfangszeit.

Mit der Gründung des trotz der problematischen Zollverhältnisse sich erfolgreich entwickelnden Werkes, das von der Produktionsmenge her die Spitze unter den vier damals entstehenden modernen Neckarsalinen (Friedrichshall im württembergischen Jagstfeld, Ludwigshall im hessischen Wimpfen, Clemenshall im württembergischen Offenau, Ludwigssaline im badischen Rappenau) hält, ist jetzt der Boden für die spätere Entwicklung Wimpfens zur Badestadt gelegt.

Die beginnenden 1820er Jahre bringen für das Großherzogtum Hessen den Fortschritt der Zuerkennung einer Landständischen Verfassung durch Großherzog Ludwig I. mit dem allerdings über Wahlmänner und Vermögensabstufungen komplizierten und eingeschränkten Recht der Wahl („Zensuswahlrecht“, das zudem nur den Männern über 25 Jahren zusteht) eines den Bezirk Wimpfen-Hirschhorn-Neckarsteinach-Beerfelden vertretenden Abgeordneten in der Zweiten Kammer der Landstände Hessens. Auch diesbezüglich verursacht die Abseitslage Wimpfens allerhand Beschwernisse; denn von Wimpfen wird des Öfteren die weite Entfernung und schwierige Erreichbarkeit des odenwäldischen Wahlmänner-Ortes Waldmichelbach beklagt. Diese Situation illustriert die

  • Abbildung 12: Länder- und Verwaltungsgliederung im Raum Kraichgau – Unterer Neckar im Jahr 1835,

in der sich die o. g. im Wahlkreis mit Wimpfen verbundenen hessischen Neckar-Odenwald-Orte (neben den hessischen Exklavenbezirken Wimpfen am Berg, im Tal und Hohenstadt mit Forstbezirk sowie Zimmerhöfer Feld und Finkenhof, dazu der – seit 1810 durch Tausch statt hessisch-württembergische jetzt hessisch-badische – Kondominatsort Kürnbach, außerdem die nahe badische – im Württembergischen liegende – Exklave Schluchtern) herausgestellt finden. Kritik findet auch die Schwierigkeit, einen mit den besonderen Verhältnissen der Wimpfener Exklave vertrauten Volksvertreter in der Zweiten Kammer zu haben.

Im Zuge der Zuerkennung einer Landständischen Verfassung erfolgt 1820/21 eine Umorganisation der Verwaltungsstruktur und somit die Neueinteilung des Landes in Landratsbezirke. Dadurch wird der bisherige Justizamtsbezirk Wimpfen zum Landratsbezirk erhoben, dem nunmehr nicht mehr ein Justizamtmann bzw. eine Einzelperson, sondern unter Trennung der administrativ-ausführenden von der rechtsprechenden Gewalt ein Landrat, der gleichzeitig vorläufig noch als Steuerrezeptor fungiert, sowie ein Landrichter vorsteht. Somit wird Justizamtmann Preuschen durch den früheren hessischen Rentamtmann (unter Auflösung des früheren selbständigen Rentamtes) Landrat und gleichzeitig noch Steuerrezeptor Heinrich Beecke sowie Landrichter Franz Joseph Anselm Weyland (bisher Justizamtmann in Waldmichelbach) abgelöst. Gleichzeitig wird dem Landratsbezirk Wimpfen noch der hessische Teil des badisch-hessischen Kondominats Kürnbach zugeordnet. Mit dieser Neuorganisation ist allerdings der Nachteil verbunden, dass die Funktion des Steuerrezeptors und Leiters der jetzt gebildeten sog. Dominialrezeptur zum Leidwesen der Wimpfener einem im „11 Stunden entfernten“ Beerfelden sitzenden Steuerrevisionär untergeordnet ist, der z. B. die jetzt nach dorthin gebrachten Lagerbücher verwaltet. Dagegen regt sich berechtigter heftiger Protest z. B. mit dem Klagepunkt, dass „Handel und Wandel hemmende Nachtheile entstehen“ und „die Extrakte bis zur alljährlichen Hierherkunft im Anstand bleiben“, bis das Hofgericht 1827 die Angelegenheit dadurch löst, dass Landgerichtsaktuar Heid auf Kosten der Stadt Abschriften der Lagerbücher zu fertigen hat. Gleichzeitig wird der Landratsbezirk Wimpfen zum Physikatsbezirk erklärt und werden der bisherige Stadtphysikus Dr. Heinrich Walter zum Großherzoglichen Physikatsarzt sowie der städtische Wundarzt Brücher zum Großherzoglichen Physikatschirurgen erhoben.

Es folgt der Verfassung 1821 die Einführung einer Gemeindeordnung, durch die an die Stelle des 12-köpfigen Magistrats, dessen Mitglieder auch in der hessischen Zeit zunächst noch auf Lebenszeit ernannt gewesen sind und der sich durch Nachwahlen selbst erneuert hat, ein von den Bürgern gewählter 12-köpfiger Gemeinderat tritt. Dessen Wahl vollzieht sich jedoch getrennt nach drei Vermögensklassen, so dass in diesem die weniger oder nicht Vermögenden unterrepräsentiert sind. Allerdings werden jetzt immerhin die tradierte Vorherrschaft gewisser Familien und der herrschende Nepotismus (Vetternwirtschaft) eingeschränkt und der Einfluss der bisher im Gremium weniger vertretenen Bevölkerungskreise (insbesondere der Ökonomen) auf die Gemeindepolitik verbreitert. Es wird in das Amt des ersten gewählten Bürgermeisters der seit 1815 als solcher schon im ehemaligen Rat amtierende Schlossermeister Johann Martin Bischoff gewählt, dem 1825 der Ziegler Christian Langer, ab 1831 der Ökonom Rosenwirt Friedrich Reichardt folgen.

Da das Bürgermeisteramt nach der für Wimpfen als Gemeinde mit unter 5.000 Einwohnern gültigen hessischen Landgemeindeordnung ein mit der Gewährung lediglich eines geringen Ehrensoldes verbundenes Ehrenamt ist und der Bürgermeister z. B. den Schreibergehilfen selbst zahlen muss, bleibt dieses weiterhin in der Regel nur Gut- bis Bestsituierten zugänglich. Und schließlich gerät dieses, um dieses vorwegzunehmen, in der Zeit von 1861 bis 1919 gar in die alleinigen Hände von Angehörigen der zwei einflussreichen vermögenden und gegenseitig alles andere als zum Besten der Gemeinde rivalisierenden Familien, nämlich der Kaufmannsfamilie Ernst und der Ökonomfamilie Bornhäußer (jeweils Vater und Sohn), die dieses Amt eher mehr der Familienehre als ihrer Befähigung wegen einnehmen. Während zuvor der hessische Justizamtmann der Präses des Rats gewesen ist, nimmt diese Stellung jetzt der gewählte Bürgermeister ein. Dies bedeutet immerhin die Rückgewinnung eines Stücks des alten Selbstverwaltungsrechts, wobei freilich dem hessischen Landrat weitgehende Vetorechte und Möglichkeiten der Einflussnahme gegeben sind, unliebsame Beschlüsse der Gemeindeverwaltungsorgane zunichte zu machen oder seitens der Staatsbehörden angestrebte Zielsetzungen, insbesondere auch im Etatbereich, durchzusetzen.

Dennoch ist, ganz offenkundig eine gewinnbringende Folge der konstitutionellen Zugeständnisse, der hinhaltende Protest der Jahre 1822 – 1826 gegenüber der beabsichtigten Aufnahme Wimpfens in die Provinzialkasse, der in Form der Beschwerde bis hin zum Geheimen Staatsministerium des Inneren und der Justiz geht, von Erfolg gekrönt. „Es ist unbillig“, so urteilt Bürgermeister Langer, „wenn man einen Bezirk, der ohnehin vom Mutterlande über 8 Stunden entfernt liegt, zu dergleichen Kosten, wovon auf keine Art und Weise Nutzen oder Vorteil, ja im Gegenteil Schaden erleiden würde, beziehen wollte.“ Somit bleibt es dabei, dass die Gemeindekasse ihren anteiligen Beitrag zur Besoldung der verschiedenen hessischen Kreisbeamten direkt entrichtet.

Durch die mit der Einführung der Gemeindeordnung verbundene Neuorganisation des Rechnungswesens scheidet der seit 1784/85 als Nachfolger seines Vaters die Ämter eines Senators und Leiters des Rechenstubenamtes, zeitweise auch des Forstmeisters und Gemeindegeometers tätige Stadtrentmeister Johann Friedrich Kegele „altershalber“ aus seinem Amt. Eine jetzt endlich vorgenommene genaue Überprüfung seiner Tätigkeit erbringt einen Passivrezess an Steuerausständen von fast 23.000 fl und wegen persönlich von ihm bestrittener Kriegskosten in Höhe von rd. 6.500 fl einen Aktivrezess von immerhin noch rd. 16.500 fl. Der sicherlich nicht allein schuldige Kegele entzieht sich seinen irdischen Richtern tragischerweise durch „Selbstentleibung“.

Durch die von der Gemeindeordnung bewirkte Aufnahme der minderberechtigten sog. Schutzverwandten (Tolerierte, Beisassen) in das Bürgerrecht (vorläufig mit Ausnahme der Juden) erhöht sich die Zahl der Bürger und somit der Bürgergab-Berechtigten auf einen Schlag von ca. 475 auf rund 600. Dies veranlasst den Gemeinderat im Jahr 1823, die Zahl der Bürgerholzbezieher auf 475 zu beschränken und den durch Sterbefälle und andere Abgänge im Laufe von ca. 8 – 10 Jahren Wartezeit nachrückenden „neuen Bürgern“ nur noch 100 Büschel Reisig gegenüber den „alten Bürgern“ zu reichen. Fortan wird innerhalb der Gruppe der Bürgerholzempfänger zwischen „Bürgern der engeren Gemeinde“ (Empfänger von 200 Büscheln) und solchen der „weiteren Gemeinde“ (100 Büschel) unterschieden. Diese „Ungleichheit“ ruft bei den Wartenden (insbesondere Salinenarbeitern und Helmhöfern als ehemaligen Schutzverwandten) Proteste und Bittschriften auf den Plan, die lange ohne Erfolg bleiben, bis dann über ein Jahrzehnt später (1838) Bürgermeister Riedling ein Einsehen hat und die Beschränkungen (bis auf die weitere Darreichung der 200 Büschel) aufgehoben wird, was allerdings neue (an späterer Stelle aufzugreifende) Probleme in Anbetracht des immer noch durch die Hochwaldwirtschaft beschränkten Holzeinschlags bringen wird.

Was das nunmehrige Vorhandensein eines gewählten Volksvertreters betrifft, so scheitern im Gegensatz zur verhinderten Heranziehung zur Provinzialkasse alle in den 1820er Jahren unternommenen weiteren auf die Exklavenlage weisenden Versuche der Befreiung vom nunmehr endgültig eingeführten und später noch erhöhten Finanz(=Eingangs)zoll, außerdem von der Verbrauchssteuer und der Durchgangsgebühr sowie von der Einführung der hessischen Maße und Gewichte, wenngleich man sich u. a. mehrfach an einige Deputierte der Zweiten Kammer der Ständeversammlung sowie den zuständigen Kammerausschuss wendet. Die ganz auf die besonderen Territorialverhältnisse der Losgerissenheit vom Mutterland, der Umschließung durch „zwei umlavierende Staaten“ (vom „Ausland“) gerichtete Argumentation, die genau jener der Jahre vor 1820 gleicht, lauten bezüglich der Maße und Gewichte z. B. folgendermaßen:

„ … Wimpfens Handel und Wandel kann einzig und allein nur mit Ausländern stattfinden. Täglich und stündlich verkehrt man dort mit Württembergern und Badenern. Würden nun die Besitzer offener Läden und Schankstuben in ihrem Geschäft auch den Ausländern nach dem neuen Maße zuzumessen und nach dem neuen Gewicht zuzuwiegen haben, so wäre davon, je mehr en detail gehandelt wird und je weniger also die ansehnliche Größe des neuen hessischen Maßes und Gewichtes in die Augen fällt, eine unvermeidliche Folge, dass die Ausländer ihren Verkehr mit Wimpfen davongeben, weil sie ihrem Begriff nach dasselbe Gewicht, dasselbe Maß von nun teurer als sonst bezahlen müssen, oder die Bewohner von Wimpfen werden genötigt sein, um den Handel mit den Ausländern zu erhalten, den nicht unbedeutenden Unterschied in ihrem eigenen Sack zu suchen, welcher zwischen ihrem alten bisherigen und dem neuen Maß und Gewicht besteht. Wie lange aber möchte es den Gewerbsleuten, den Wirten, den Krämern und Kaufleuten gelingen, mit solchen Opfern den fortdauernden Verkehr mit dem Auslande erkaufen zu können?“

Schließlich wird die durch aktiven und passiven Widerstand hinausgezögerte Einführung der hessischen Maße und Gewichte dadurch durchgesetzt, dass 1825 der Großherzog Ludwig I. sogar persönlich die Abschaffung der alten reichsstädtischen Maße für den öffentlich-geschäftlichen (nicht für den privaten) Gebrauch mit der Begründung befiehlt, dass die „geschilderten Nachtteile ihrer Einführung lediglich die Entbehrung bisheriger mit der Einführung eines gesetzlichen Maßes wegfallender unerlaubter Vorteile ist und da die allenfalls sich ergebenden Nachteile jedenfalls nur momentan sein werden. Es würde ferner inkonsequentös sein, zu Wimpfen eine Ausnahme von den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zu machen.“

Der Schmuggel gerät jetzt durch die Zölle zu Wasser auf dem Neckar und zu Land an den Markungsgrenzen Wimpfens zu solcher Blüte, dass zeitweise angeblich „ganze Kompanien von Soldaten“ zu dessen Unterbindung eingesetzt werden und sogar Menschen dabei zu Tode kommen. Ebenso wenig fruchten die permanenten Proteste gegen die Aufnahme in den Provinzialstraßenverband mit Kostenheranziehung der Stadt, an deren Ende in den beginnenden 1830er Jahren die Deklarierung der Durchgangsstraße von der Untereisesheimer bis zur Rappenauer Grenze zur Provinzialstraße steht. Allerdings lässt deren einer solchen nach Breite und Chaussierung gerecht werdende Ausbau noch ein ¾ Jahrzehnt nicht zuletzt auch deshalb auf sich warten, weil die Stadt die Aufnahme in der Provinzialstraßenverband u. a. mit dem durchaus stimmigen Argument abzulehnen versucht hat, sie habe diese durch die beiden Wimpfen führende Hauptverbindungsstraße im Laufe der 1820er Jahre abschnittweise unter Heranziehung der Gespannbesitzer zu Gemeindefron(arbeit)en mit einem Kostenaufwand von um die 20.000 fl bereits chaussiert.

Unter Ausklammerung der genaueren Darlegung der in zweiten Hälfte der 1810er und beginnenden 1830er Jahre durch Misswuchs infolge Nässe oder Trockenheit verursachten extremen Teurungs-, Not- und Hungerperioden sowie Hochwasserjahren (insbesondere des Jahrhunderthochwassers 1824), die im exklavierten Städtchen Wimpfen zu einem unverhältnismäßig großen Ansteigen der Armenlasten und der Bettelei („Pauperismus“) sowie den (im Hinblick auf die im öffentlichen Bewusstsein noch erwarteten Segnungen der aus der Reichsstadtzeit übernommenen Armenfonds noch stark verankerten) Hang zur Müßiggängerei führen, schreiten wir weiter zur Zeitperiode III: