DIE DURCH DIE GRÜNDUNG DES DEUTSCHEN KAISERREICHES ERFOLGTE VEREINIGUNG DER LÄNDER DEUTSCHLANDS WECKT IN DER „DREILÄNDERECKE“ GANZ BESONDERE BEGEISTERUNG, DIE SICH DORT IN DER ENTSTEHUNG UND DEM REGEN KOMMUNIKATIVEN TÄTIGSEIN DER SOGENANNTEN INTERNATIONALE MANIFESTIERT; UND DER REICHSEINHEIT ENTWÄCHST DIE UNTER DER LENKUNG VON REICHSKANZLER OTTO VON BISMARCK UNVERZÜGLICH INS LEBEN GERUFENE VEREINHEITLICHUNG DES MAß- UND GEWICHTS- SOWIE DES WÄHRUNGSSYSTEMS, AUßERDEM DIE SCHAFFUNG DER REICHSPOST, WAS ALLES ENTSCHEIDEND DAZU BEITRÄGT, DIE ZWISCHEN DEN 25 EINZELSTAATEN UND DAMIT AUCH DEM HESSISCHEN WIMPFEN UND DEN ANRAINENDEN WÜRTTEMBERGISCHEN UND BADISCHEN ORTEN BISLANG BESTANDENDEN TRENNENDEN SCHRANKEN ZU BESEITIGEN.
- In der „Dreiländerecke“ entsteht im Gefolge der dort ganz außerordentlichen Freude über die Gründung des neuen Deutschen Reiches die Honoratiorenvereinigung der sog. Internationale, später in Nationale umbenannt.
Trost und Hoffnung konnte dem (oder den) Verfertiger(n) des unausgeführt gebliebenen Gesuches um die Loslöung vom Großherzogtum Hessen und Eingliederung möglichst in das den hessischen Kleinstkreis Wimpfen von Nordost bis Südwest umschließende Königreich Württemberg insbesondere der Umstand geben, dass die Wimpfen umgebenden württembergischen und badischen Ländergrenzen durch die Gründung des Kaiserreiches und die auf weitmögliche Angleichung der Gesetzgebung der Länder gerichtete Politik des als „des Reiches Schmied“ gerühmten Reichskanzlers Otto von Bismarck ihre Eigenschaft des politisch-verwaltungsmäßigen Getrenntseins voneinander mehr und mehr verlieren würden, wenn nicht schon verloren hatten. Diese Hoffnung fand ihren sichtbaren Ausdruck in der bald nach der Reichsgründung erfolgten Gründung der sog. Internationale, einer gesellig-politischen Vereinigung von Honoratioren aus den württembergischen und badischen Nachbargemeinden sowie der hessischen Gemeinde Wimpfen, eben der vielbescholtenen Dreiländerecke, die bislang unter dem Fluch der politischen Zertrennung besonders gelitten hatte und wo deshalb die Reichsbegeisterung einen kaum überbotenen Grad erreichte. Den Vorsitz dieser Vereinigung als sog. Bundeshauptmann führte der Neckarsulmer OBERAMTSRICHTER WILHELM GANZHORN (geb. 14. Januar in Böblingen – gest. 9. September 1880 in Cannstatt), der 1851/52 den Text des Volksliedes „Im schönsten Wiesengrunde“ (überschrieben „Das stille Tal“) geschaffen und somit dichterischen Ruhm erworben hatte. Am (oder um den) Tag der Kaiserproklamation in Versailles (18. Januar) oder auch am Tag des Frankfurter Friedensschlusses (10. Mai) oder an Kaisers Geburtstag (22. März) kamen die Mitglieder dieser Vereinigung von Richtern, Pfarrern, Lehrern, Bürgermeistern oder anderen Staats- und Gemeindedienern sowie anderen Amtsträgern, auch Ärzten, Kaufleuten, Fabrikanten, Ökonomen u. a. m. („Honoratioren“) in Wimpfen im „Ritter“, selten im „Mathildenbad“, oder auch im Jagstfelder oder Rappenauer Badhotel zum Essen und zur Pflege der Zusammengehörigkeit unter dem Schutz und Schirm des neugegegründeten Deutschen Kaiserreiches zum Abendessen zusammen. Dabei wurden der Reichgründung und ihrer Bedeutung gedacht, Lobesreden auf die ruhmreichen Feldherrn und Soldaten, Kaiser, Kanzler und Reich gehalten, vaterländische Lieder wie „Die Wacht am Rhein“ („Es braust ein Ruf wie Donnerhall“) gesungen, Toasts ausgebracht und Hurras ausgerufen. Die Glanzpunkte der Reden sollen die des KATHOLISCHEN PFARRERS GIANNI aus Stein am Kocher gewesen sein. Am 14. Mai 1878 kommt man aus Anlass der Verabschiedung des Vorstandes Wilhelm Ganzhorn im Saline-Hotel Rappenau zusammen. Und 1879 versammelt sich diese Vereinigung aus Orten der badischen, württembergischen und hessischen Gebietsteile des Neckarunterlandes wieder in Wimpfen im „Ritter“ am Tag der Kaiserproklamation. Doch erscheinen ihre Mitglieder jetzt als die „Nationalisten“ und die Vereinigung als die „Nationale“. Es erscheint sicher, dass man das „Inter-“ des Namensbeginns gestrichen hat, um Verwechslungen mit der „Internationale“, d. h. den als die Feinde des Kaiserreiches verpönten Sozialdemokraten, vorzubeugen.
Nach Verfluss von zwei Jahren findet am 17. Mai 1881 aufs Neue eine Zusammenkunft in Wimpfen im „Ritter“ statt. Es haben sich dort, wie es in der Zeitung heißt, „ungefähr hundert national gesinnte Männer aus Wimpfen, Rappenau, Jagstfeld, Neckarsulm, Heilbronn, Offenau, Adelsheim, Möckmühl, Osterburken u. a. versammelt, um des vor 10 Jahren geschlossenen Frankfurter Friedens in feierlicher Weise zu gedenken.“ Dabei ist auch der Vorstand der Deutschen Partei Heilbronn, den man willkommen heißt. Zum neuen Vorsitzenden wird BERGRAT EISENLOHR aus Jagstfeld gewählt. Durch stilles Erheben gedenkt man des im Vorjahr verstorbenen früheren Vorsitzenden Wilhelm Ganzhorn. Der Wimpfener AMTSRICHTER KARL RÜHL bedankt sich dafür, dass man zum ersten Mal wieder in Wimpfen zusammengekommen ist. Er erklärt seine volle Zugehörigkeit zur „Nationale“, und auch der neue Wimpfener EVANGELISCHE PFARRER ADOLF PETERSEN bekennt sich als Neuling zu dieser. Man bringt ein Hoch auf Kaiser und Reich aus und singt patriotische Lieder. Die nächste Versammlung soll in Heilbronn stattfinden. Noch um den Beginn des Jahres 1901 stoßen wir auf eine Art Nachfolgevereinigung dieses nationalen Zirkels, welche die Lehrerschaft der Dreiländerecke zu verbinden sucht, eine Tagung in Jagstfeld abhält und sich ähnlich wie in ihren Anfängen „Internationale Lehrerkonferenz“ nennt.
- Die Vereinheitlichung des durchgängig metrisch-dezimal aufgebauten Maß- und Gewichtssystems macht das Messen und Wiegen einfacher und sicherer, fordert den Menschen aber auch die Loslösung von althergebrachten Gewohnheiten ab.
Der die Politik des neu begründeten Deutschen Reiches dominierende Reichskanzler Otto von Bismarck hatte bereits als Kanzler des 1867 zustande gebrachten Norddeutschen Bundes eine weitreichende Angleichung der Gesetzgebung der zu diesem zusammengeschlossenen nord- und mitteldeutschen Bundesländer angestrebt. So wurde u. a. durch das Gesetz vom 17. August 1868 eine einheitliche Maß- und Gewichtsordnung eingeführt. Welche Maße und Gewichte nach der Gesetzesmodifikation von 1821 bislang im Großherzogtum Hessen verwendet worden sind, wurde bereits in Band 1, S. 291 – 299, ausführlichst dargelegt, wobei auch eine Vergleichung mit dem in Band 1, Seite 190 – 221, umfänglich beschriebenen aus der Reichsstadtzeit übernommenen eigenständigen Maß- und Gewichtssystem Wimpfens getroffen ist. Hier sei lediglich wiederholend darauf hingewiesen, dass die damalige hessische Maß- und Gewichtsreform sich insofern schon an das von Frankreich ausgegangene metrisch-dezimale System angelehnt hatte, als z. B. der hessische Fuß auf ein Viertel des Meters (25 cm) festgelegt war und von diesem aus die Weiterführung nach oben und unten in Zehnerschritten erfolgte (1 Fuß = 10 Zoll, 10 Fuß = 1 Klafter). Und dem hessischen Pfund wurde die Hälfte des Kilogramms (500 g) zugewiesen; damit maß der hessische Zentner bereits glatte 100 Pfund; doch erfolgte die Unterteilung desselben noch in alter nichtmetrischer Weise (1 Pfund = 32 Loth). Dem Schoppen (d. h. dem halben Liter) wurden, dem metrischen System angepassst, 500 cm3 eingeräumt; nach oben ging es jedoch im Viererschritt (4 Schoppen = 1 Maaß) und dann im 80er-Schritt weiter (80 Maaß = 1 Ohm) weiter. Der hessische Morgen war auf ein Viertel des Hektars (2.500 m2) festgelegt worden und maß somit 400 Quadratklafter.
Wie später bei der Vorstellung derselben im Einzelnen zu erfahren sein wird, basierte das Maß- und Gewichtssystem nunmehr durchgängig auf dem sog. Pariser Urmeter, indem durch dessen Teilung wie Vervielfältigung die anderen Längenmaße und aus diesen die Flächen- und Raummaße wie auch die Gewichtsmaße, die Letztgenannten unter Bezugnahme auf entsprechende Raummengen Wassers zu 4° Celsius, gebildet wurden. Die Schritte der Teilung wie Vervielfältigung zwecks Bildung der verschiedenen Arten von Längen-, Flächen- und Körpermaßen sowie Gewichten geschahen einheitlich über Zehntel-, Hundertstel- und Tausendstel- bzw. Zehnfach-, Hundertfach- und Tausendfach-Sprünge. Somit war dieses neue Maß- und Gewichtssystem, wie man sagte, durchgängig metrisch-dezimal aufgebaut, was die Umstellung auf dieses und den messenden und rechnenden Umgang mit demselben erleichtern sollte. Wenngleich im Blick auf das zähe Festhalten der Menschen an ihren altgewohnten Maßen und Gewichten die Namen bisheriger zentraler Maß-und Gewichtseinheiten wie die Meile, der Morgen, das Liter und der Schoppen, das Pfund und der Zentner dazu führten, diese alle in das neue System hineinzunehmen, so mussten diese natürlich ihrer großteils veränderten Dimensionierung angepasst werden. Dieses konnte jedoch ohne größere Probleme deshalb geschehen, weil im Großherzogtum Hessen, wie oben schon gesagt, der vorhergehende 1821 eingeführte neue hessische Fuß mit seinen 25 Zentimetern bereits metrisch bestimmt gewesen ist, so dass, wie sich zeigen wird, die außerhalb der dezimalen Veränderung sich bewegenden Umrechnungen sich auf einfache Zweifach- bzw. Halb-Sprünge oder Vierfach- bzw. Viertel-Sprünge oder schlechtenfalls 7 ½-fach- bzw. 7,5-tel-Sprünge beschränken konnten.
Immerhin war dadurch der nunmehrige Sprung hin zu der neuen fast so gut wie reinen metrisch-dezimalen und damit rechnerisch einfacher zu handhabenden Maß- und Gewichtsordnung weniger groß. Das Königreich Württemberg, das bei seiner diesbezüglichen Reform des Jahres 1806 stärker am Althergebrachten festgehalten hatte (siehe dazu Band 1, S. 190 – 221), hatte sich 1860 im Zuge der Bildung der Zollunion an das Beispiel Hessens und vor allem des bezüglich der Annäherung an das metrische System besonders fortschrittlichen Großherzogtums Baden angepasst und war ebenfalls auf das „Zollpfund zu 500 französischen Grammen“ und somit auch auf den Zentner zu 100 Pfund übergegangen (siehe darüber in Band 1, ebenfalls S. 190 – 221 und S. 291 – 299).
Da das laut Reichsgesetz zum 1. Januar 1872 in Gültigkeit gesetzte und durch Landesgesetze auf die einzelnen Länder des Deutschen Kaiserreiches übertragene einheitliche neue Maß- und Gewichtssystem mit jenem bereits 1868 für die Großherzoglich-Hessische Provinz Oberhessen gültig gewordenen und 1869 auch auf die beiden anderen Provinzen Starkenburg und Rheinhessen übertragenen solchen identisch gewesen ist, kann dessen Vorstellung am besten durch das Aufzeigen des letztgenannten solchen geschehen. Siehe dazu die
- Abb. B 1a: Übersicht: „Verhältnißzahlen für die Umrechnung der Großherzoglich Hessischen Maße und Gewichte in die durch die neue Maß- und Gewichtsordnung festgestellten neuen Maße und Gewichte und umgekehrt“; zusammengestellt nach der Bekanntmachung Nr. 45 des Großherzoglichen Ministeriums des Innern vom 18. September 1869 im Großherzoglich Hessischen Regierungsblatt vom 23. September 1869, die (neue) Maß- und Gewichtsordnung betreffend.
Aus dieser komplexen Übersicht lässt sich das neue im gesamten Deutschen Kaiserreich bald nach dessen Gründung gültig und verpflichtend gewordene Maß- und Gewichtssystem in der vordersten der vier Rubriken I. Neue Maße und Gewichte entnehmen, die in die vier Zielgruppen A. Längenmaße, B. Flächenmaße, C. Körpermaße und D. Gewichte untergliedert ist. Obgleich dieses System dem heute gültigen solchen entspricht und somit der Leser dieses schon kennt, kann es nicht allein beim bloßen Durchlesen dieser Rubrik I bleiben. Sondern man sollte die hier gebotene Möglichkeit des Vergleichens mit den in der Rubrik III. Bisherige Maße und Gewichte des Großherzogthums Hessen wiedergegebenen bisherigen Gegebenheiten wahrnehmen. Was die sich aufdrängende Frage der Dimensionierung der neuen wie der bisherigen Maße und Gewichte und deren Vergleichung miteinander betrifft, so geben Auskunft die Rubriken II. Correspondierende Werthe des Großherzoglich-Hessischen Maß- und Gewichtssystems (mit dem neuen solchen) und IV. Correspondierende Werthe der neuen Maß- und Gewichts-Ordnung (mit der alten solchen), wobei in beiden Fällen des Miteinander-Vergleichens die korrespondierenden Maß- und Gewichtswerte zum Zwecke der Hilfestellung durch in Rot gehaltene Richtungsstriche miteinander verbunden worden sind. Was in der Übersicht der dem Ausgangsmaß „Meter“ sowie allen seinen Maßvarianten beigegebene sächliche Artikel „das“ betrifft, so wird heute in der Regel der männliche Artikel „der“ verwendet; auch findet sich das aus dem Lateinischen kommende „C“ oder „c“ bei „Centi-“ und „Deci-“ sowie „Centner“ heute durch „Z“ ersetzt. Auf die insbesondere beim Rechnen mit den vielerlei Maßen und Gewichten verwendeten Abkürzungen wie m oder m2 oder m3 für Meter, Quadratmeter und Kubikmeter, km für Kilometer oder l für Liter usw. sei hier nur andeutend hingewiesen.
Als Verständnishilfe sei zur Rubrik I. Neue Maße und Gewichte Folgendes gesagt:
– A. Längenmaße:
Der dem neuen Maß- und Gewichtssystem zugrunde liegende metrisch-dezimale Aufbau wird dadurch evident, dass am Anfang das Meter als das dieses bestimmende und uns von seiner Längendimension her geläufige Ausgangsmaß steht und die von diesem abgeleiteten anderen Längenmaße über dezimale Sprünge sowohl nach unten durch Teilung in Zehntel = Deci- , Hunderstel = Centi- , Milli- = Tausendstel wie nach oben durch Vervielfältigung um das Zehnfache = „Deka-“ und Tausendfache = „Kilo-“ aufgebaut sind.
Die den verschiedenen neuen Längenmaßen beigegebenen Alternativnamen, so für
– das Meter der Stab, für
– das Centimeter der Neu-Zoll, für
– das Millimeter der Strich, für
– das Dekameter die Kette,
stellen, wie deren völlige Fremdheit für uns Heutige spüren lässt, missglückte Versuche dar, den Menschen die unwillkommene und belastende Umgewöhnung auf das neue System dadurch schmackhaft zu machen, dass diesen statt der mathematisch und damit fremdartig empfundenen Maßbezeichnungen nach dem Vorbild der früheren Längenmaße eine körper- oder sonstwie dingbezogene Parallelbenamung angeboten wird.
Zwar vollzieht sich beim alten System, wie oben bereits zu erfahren, die Teilung des Grundmaßes „Fuß“ hinab zum „Zoll“ sowie weiter zur „Linie“ bereits in Zehntel-Sprüngen und besteht hier somit ein metrisch-dezimaler Aufbau. Doch erfolgt die Vermehrung des Grundmaßes „Fuß“ hinauf zur „Elle“ über die Bildung des 24-Fachen, weiter hinauf zur „Klafter“ (nicht mehr in Weiterführung der „Elle“, sondern ausgehend wieder vom „Fuß“) wieder des Zehnfachen, weiter von dieser hinauf zur „Wegstunde“ (ausgehend von der Klafter) jedoch über die Bildung des 200-Fachen und schließlich weiter hinauf zur „Meile“ (ausgehend von der Klafter) des 300-Fachen. Demnach ist dem vorhergehenden Längenmaß-System zwar schon die metrische Komponente zu eigen. Was jedoch die dezimale Komponente betrifft, so kommt diese nur teilweise zur Anwendung. Dementsprechend erscheinen der Umgang (insbesondere bei notwendig werdenden Umrechungen) mit dem vorhergehenden Längenmaß-System komplizierter als mit dem neuen solchen, dessen konsequent gehandhabte dezimale Komponente die Durchschau leichter gemacht haben dürfte.
Allerdings findet sich dennoch die althergebrachte
– „Meile“
in das neue System – und zwar von ihrer Dimensionierung her unverändert – übernommen, was bedeutete, dass dieses größte der Längenmaße jetzt nicht mehr 3.000 Klafter, sondern – Umrechnungen in einigermaßen passabler Weise möglich machende – 7.500 Meter oder 7,5 Kilometer beinhaltete. Wenngleich die im bisherigen System davor liegende „Wegstunde“ zu bisher 2.000 Klaftern, jetzt zu 5.000 Metern oder 5 Kilometern, in der neuen Maß-Tabelle nicht zu finden ist, manifestiert sich deren weiterer – und zwar breitester – Gebrauch bis hin zur Gegenwart darin, dass jedes Kind eigentlich schon weiß, dass der Mensch beim Wandern normalerweise diese letztgenannte Strecke hinter sich bringt.
– B. Flächenmaße:
Aus den vorstehenden Längenmaßen werden der Reihenfolge nach durch Setzung in die Fläche, d. h. durch Quadrieren:
– das Quadratmeter oder der Quadratstab,
– das Quadratcentimeter,
– das Quadratmillimeter;
und dann, abweichend von der bisherigen Benamung durch Vorhängung des Bestimmungswortes „Quadrat-“,
– das Ar (eigentlich „Quadratdekameter“) oder 100 Quadratmeter (mit 10 Meter Seitenlänge).
Weiter heißt es:
– das Hektar (mit 100 Meter Seitenlänge) oder 10.000 Quadratmeter (zu ergänzen: oder 100 Ar), woraus sich ergibt, dass – wie es weiter heißt — 25 Are oder ¼ Hektar 2.500 Quadratmeter entsprechen. Diesem entspricht, wie darüber ergänzend eingefügt,
– der Morgen, das althergebrachte Flächenmaß, mit dem vor allem der Grundbesitz der Bauern beziffert wurde und der unausrottbar noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts das Hektar dominierte. Abschließend steht
– die Quadratmeile (mit 7.500 Meter Seitenlänge), die 5.625 Hektar enthält. Zu dieser Zahl kommt man durch die folgende Berechnung: 1 Quadratmeile hat 7.500 m x 7.500 m = 56.250.000 m2 = 562.500 a = 5.625 ha. Dieses Beispiel zeigt, dass bei den Flächenmaßen die Umrechnung ins jeweilige Nachbarmaß nicht mehr wie bei den Längenmaßen über abwärts das Teilen durch 10 bzw. aufwärts das Malnehmen mit 10, sondern durch bzw. mit 100 erfolgt.- Ergänzend angefügt wurde noch
– das Quadratdecimeter oder 1/10 Quadratmeter, das von der Dimensionierung (10 Zentimeter Seitenlänge) her hinter dem eröffnenden Quadratmeter an zweiter Stelle zu denken ist.
– C. Körpermaße (auch Raummaße):
Und aus den obigen Flächenmaßen werden (unter Auslassung vom Millimeter) durch Setzung in den Raum in Form jeweiliger Umbildung zum Würfel (lateinisch: Kubus):
– das Kubikmeter oder der Kubikstab,
– das Kubikcentimeter,
– das Liter oder die Kanne (eigentlich: das Kubikdecimeter); dieses entspricht 1/1000 Kubikmeter, indem 1 Kubikmeter 1.000 Liter (oder Kubikdecimeter) fasst;
– der Schoppen oder das halbe Liter und
– das Hektoliter oder das Faß = 100 Liter oder 1/10 Kubikmeter.
Hinzugenommen wurde noch, da vor allem in den Wirtschaften vielfältig im Gebrauch:
– das Viertel = ¼ Liter (deshalb der Name) oder ½ Schoppen oder 250 Kubikcentimeter; nicht zu verwechseln mit dem einstigen ebenfalls „Viertel“ heißenden ehemaligen Flüssigkeitsmaß, das 4 Maaß oder 8 Liter fasste.
Ins Auge springt, dass es gegenüber den bisherigen unter III.C zu findenden Körpermaßen des Großherzogtums Hessen jetzt keine gesonderten Getreidemaße mehr gibt. Das geht darauf zurück, dass die verschiedenen Sorten des Getreides (Dinkel, Roggen = Korn, Weizen, Hafer, Gerste) wie auch Erbsen, Linsen und Ähnliches jetzt nicht mehr mittels der fünf Arten von Mess-(Rund-)Behältnissen des Namens das Mäßchen, das Gescheid, der Kumpf, das Simmer, das Malter gemessen worden sind, sondern durch Gewichtsbestimmung. Somit kam das Vielerlei der denselben Namen wie die Körpermaßbezeichnungen tragenden althergebrachten Getreidebehältnisse in Wegfall. An deren Stelle trat als einziges Behältnis für die Getreidemessung der Sack. Indem jetzt manchmal auch vom Getreide-Sack als dem „Maltersack“ gesprochen wird, wird an das frühere größte Getreide(raum)maß des Namens „Malter“ erinnert. Der althergebracht-eingefleischte Gebrauch der Getreide-Messbehältnisse und deren weiteres Vorhandensein brachte es natürlich mit sich, dass diese zumindest im privaten Gebrauch noch lange verwendet worden sind! Genau so war es ja zuvor mit den im Wimpfen der Reichsstadtzeit sowie während der ersten beiden Jahrzehnte der hessen-darmstädtischen Herrschaftsausübung verwendeten – andere Raummengen fassenden – solchen gewesen, die gegen die Mitte der 1820er Jahre laut Weisung des Großherzogs zusammen mit den anderen reichsstädtischen Maßen und Gewichten den hessischen solchen zu weichen gehabt hatten.; gemeint sind: der Vierling, das Impfel oder Invel und das Simri. Man sollte sich zur Förderung des Verständnisses unter vergleichender Benützung der Angaben von Rubrik III.B und Rubrik IV. Folgendes vergegenwärtigen: Das hessische Mäßchen fasste ½ Liter, das Gescheid 2 Liter, der Kumpf 8 Liter, das Simmer 32 Liter, das Malter 128 Liter. Es ging also nach oben praktischerweise immer um das Vierfache weiter und man kann sich das 128 Liter fassende Malter, das größte dieser Getreidebehältnisse, vorstellen als ein Rundbehältnis von einem Meter Durchmesser und 16,3 cm Höhe, was einem Rauminhalt von 0,50 m x 0,50 m x 3,14 x 0,163 m = 0,12795 m3 = 127,95 l, aufgerundet 128 l, entspricht. Dieses stellt allerdings nur eine hypothetische Berechnung dar, weil die tatsächliche Bemaßung des Maltermaßes des Großherzogtums Hessen der Zeit vor 1868/69 auf die Schnelle nicht feststellbar gewesen ist, so wie auch die genaue Bemaßung (d. h. der Durchmesser und die Höhe) der Getreide-Maßbehältnisse Wimpfens aus Reichsstadtzeiten leider ebnfalls nicht eruiert werden konnte. Denn laut meinem Nachfragen ca. im Jahr 2003 fanden sich solche und auch die hessen-darmstädtischen solchen weder in den Beständen der Wimpfener Museen, noch des Vereins Alt-Wimpfen, noch fanden sich solche bei den befragten Bauern und Wimpfenern nahestehender anderer Berufe. Ein erneuter Ermittlungsversuch vom Sommer 2017 blieb ebenfalls erfolglos. Bereits in den 1950er Jahren gab mir STUDIENRAT und STADTARCHIVAR DR. REINHOLD BÜHRLEN die frustrierender Auskunft, es seien die meisten in den Bühnen wie auch vielfach den Scheuern und Schuppen noch vorhandenen dinghaften Reminiscenzen Wimpfener reichsstädtischer und auch frühhessischer Geschichte der bald nach 1933 im Zuge der Vorbereitung des Luftkrieges begonnenen und über das Dutzend von Jahren der Naziherrschaft geführten sogenannten Entrümpelung zum Opfer gefallen. Und was davon über diesen Zeitraum hinweg vielleicht doch bewahrt geblieben ist, das habe, so musste ich neuerdings erfahren, die Aussiedelung der Bauernbetriebe der ausgehenden 1950er und beginnenden 1960er Jahre vollends verschwinden gemacht. Ich selbst habe nur eine nebulöse dinghaft-verbale Kindheitserinnerung an das „Simmer“ oder vielleicht auch (den?) „Simmering“; ob diese auf das jüngere hessen-darmstädtische solche zu 32 Liter oder das reichsstädtisch-wimpfener solche zu 16,628 Liter bezogen ist, das bleibt offen.
Wichtig gerade für Wimpfen im Blick auf das an 475 Bürger jährlich gereichte Bürgergab-Holz in Höhe von einer (einst reichsstädtisch-Wimpfener) Klafter (3,422 Raummeter) bzw. später zeitweise auch in Höhe von 2 ¼ hessischen Stecken (= 2,5 x 1,5625 Kubikmeter = 3,515625 Kubikmeter = aufgerundet 3,52 Raummeter) erscheint das nach der Einführung der neuen Maß- und Gewichtsordnung verfügte Reglement, dass in den Dominial- und Kommunalwaldungen die bisherige Scheitlänge beim Holzmachen von 5 „alten Fuß“ = 0,25 cm x 5 = 1,25 m beibehalten wird, doch an Orten, wo eine Scheitlänge von nur „4 alten Fuß“ (und damit von 1 m) verwendet worden ist, weiterhin so verfahren werden darf. Außerdem wurde herausgestellt, dass der bisher verwendete hessische Stecken 1,5625 Raummeter betrage. Da die bislang gereichte Wimpfener Raum-Klafter bzw. die stattdessen zeitweise dafür gereichten 2 ¼ hessischen Stecken – wie oben gesagt – 3,422 bzw. 3,52 Raummeter entsprachen, bestimmte der Gemeinderat im Spätsommer 1872 mit der Begründung, „daß sich die seither gegebene Loosholzklafter nicht genau mit dem neueren Maaße ausgleiche“, das Großherzogliche Forstamt Lorsch zu ersuchen, die Großherzogliche Försterei Wimpfen anzuweisen, das Bürgerlosholz in folgender Weise aufsetzen zu lassen: 2 Raummeter buchen / 1 ½ dito eichen Scheit- oder Prügelholz. Somit wurde künftig die Bürgerholzgabe in Form von 3 ½ Raummetern gereicht. Diese Berechnungen überschauend, ist ergänzend zu sagen, dass man bei Holz im Blick darauf, dass die Beigen Naturholzes im Wald ja nicht die von der Bemaßung her sich ergebende Menge kompakten Holzes enthielten, sondern auch eine gewisse Menge an Luft, die Maßbezeichnung Raummeter statt Kubikmeter verwendete.
– D. Gewichte:
Um eröffnend die metrische Herleitung der Gewichte klarlegen zu können, folgen wir nicht der Reihenfolge der Übersicht, sondern betrachten zuerst die dort an dritter Stelle aufgeführte Maßeinheit, nämlich
– das Gramm, von dem ergänzend gesagt ist, dass es dem Gewicht von 1 Kubikcentimeter Wasser zu 4° Celsius entspreche. Somit entspricht, um jetzt zur in der Übersicht erstgenannten Gewichtssorte zu kommen,
– das Kilogramm oder 1.000 Gramme, das, wie darüber ergänzend gesagt ist, dem Gewicht von 1 Liter (d. h. 1.000 Kubikcentimeter) Wasser zu 4° Celsius entspricht. Nunmehr der Übersicht folgend, sind zu nennen:
– das Dekagramm oder Neu-Loth zu 10 Gramm;
– das Decigramm oder 1/10 Gramm;
– das Centigramm oder 1/100 Gramm;
– das Milligramm oder 1/1000 Gramm;
– das halbe Kilogramm oder Pfund (oder 500 Gramme). Mit dem Erscheinen vom Pfund sind wir zu einer Gewichtsart gelangt, die bereits in der vorausgegangenen hessischen Maß- und Gewichtsordnung vorhanden gewesen, jedoch in 32 Loth unterteilt gewesen ist. Ebenfalls früher schon verwendet:
– der Centner oder (jetzt) 50 Kilogramm oder auch (wie schon früher) zu 100 Pfund. Eingefügt wurde
– der Doppelcentner oder 100 Kilogramm oder 200 Pfund. Am Schlusse steht die neue schwerste Gewichtseinheit
– die Tonne oder 1.000 Kilogramme oder 2.000 Pfund oder (um zu ergänzen) 10 Doppelcentner oder 20 Centner.
Im Zuge der Einführung all der vorgenannten neuen einheitlichen Maße und Gewichte, musste die in Wimpfen im Spital von altersher untergebrachte (so geschrieben) Aich-Anstalt neu mit den geänderten Maßen und Gewichten bestückt werden. 1873 wurde für die Unterbringung der Eichgerätschaften und insbesondere für die Platz benötigenden Flüssigkeitsmaße oberhalb (westwärtig) des Spitalanwesens am städtischen Kanal zwischen Langgasse und Oberer Hauptstraße die „Aiche“ (Eichhäuschen) Nr. (ab 1851) 250 5/10 bzw. (ab 1895) 311 erbaut. Laut neuer Eichordnung hatten in dieser fürs Erste auszuliegen:
– an Längenmaßen: Meter, Decimeter, Centimeter;
– an Flüssigkeitsmaßen: 1 Liter (oder Kanne), ½ Liter (oder Schoppen);
– an Hohlmaßen für trockene Gegenstände (wie vor allem Getreide): 1 Hektoliter (oder Faß);
– an Gewichten: 50 Kilogramm oder 1 Centner, 50 Pfund oder ½ Zentner, 1 kg, 500 Gramm oder 1 Pfund, 10 Gramm oder 1 Decagramm oder 1 Neuloth, 1 Milligramm.
Hier fällt auf, dass das (oder auch der) Hektoliter als Trocken- und noch nicht als Flüssigkeitsmaß ausgewiesen ist. Offenbar war man sich amtlicherseits im Klaren, dass die ganz besonders kostenaufwändige Erneuerung der sog. Aich-Anstalt mit den neuen Messgerätschaften, dazuhin auch die Umeichung oder Ersetzung der in den Kellern stehenden Wein- und Mostfässer sowie der dort oder sonstwo zu findenden Holzbottiche und -kübel, Zuber, Kannen und dergleichen mehr nicht von heute auf morgen gehen konnte, ganz abgesehen von den Schwierigkeiten und Hemmnissen der Umstellung der an ihren herkömmlichen Messgerätschaften sowie an ihren eingeschliffenen alten Gewohnheiten hängenden Menschen. So muss es nicht verwundern, wenn wir das alte Flüssigkeits-Großmaß, die Ohm (mit ihren 160 Litern), noch über viele Jahre hinweg anstatt des Hektoliters in Gebrauch finden, so z. B. 1878 immer noch als Wein- und Biermaß.
Und von den in den Scheuern und auf den Speichern vorhandenen fünferlei Getreide-Messbehältnissen, die jetzt ausgedient hatten und dem Sack in der Weise weichen sollten, dass die in diesen geschüttete Menge Getreides nicht mehr nach ihrem Rauminhalt, sondern nach ihrem Gewicht durch Wiegen bestimmt werden musste, trennten sich die meisten Menschen sicherlich alles andere als gern. Trotz der nunmehrigen (zumindest im öffentlich-geschäftsmäßigen Umgang unumgänglichen) Mengenbestimmung beim Getreide durch Gewichtsmessung wurde nach wie vor in Wimpfen ein amtlicher sog. Fruchtmesser (bzw. jetzt besser Fruchtwäger zu nennen) gebraucht, dessen Posten laut Reichstagswahlliste von 1871 und 1874 der 38- bzw. 41-jährige JOHANN CASPAR SCHNEIDER, von 1887 JAKOB SCHMEIßER innehat.
Die Umstellung von der (doppelt so viel fassenden) Maaß auf Liter brachte vor allem den Wirten das Problem, dass diese vor allem die vorhandenen Maaß-Gefäße auf vorschriftsmäßig geeichte Liter-Gefäße umstellen mussten. Dieses wird illustriert durch die nachstehende
- Abb. B 1b: Bekanntmachung des Großherzoglichen Kreisamtes Wimpfen die Maß- und Gewichts-Ordnung betreffend vom 14. Mai 1873.
Wie der einleitende Textabschnitt zeigt, war dieser Bekanntmachung bereits am 10. Oktober 1871 eine Verordnung, „die Beschaffenheit der Schankgefäße betreffend“, vorausgegangen, die jetzt in Erinnerung gebracht wird. Was diese in 5 Paragraphen bezüglich des Ausschankes von Wein und Bier bezüglich der Schankgefäße im Einzelnen bestimmt , lässt sich in der Abbildung nachlesen. Am Schlusse wird erweiternd nicht nur den Wirten, sondern auch den Gewerbetreibenden in ihrer Gesamtheit, Folgendes mahnend bekannt gemacht: „Alsbald nach dem 15. Juni d. J. findet eine allgemeine Revision aller in öffentlichem Verkehr und Gebrauch befindlichen Maaße und Gewichte statt und haben diejenigen Gewerbetreibenden, welche dann noch ungeeichte oder ungesetzliche Maaße, Gewichte oder ungestempelte Waagen führen, außer der gesetzlichen Strafe auch noch die Confiscation der vorschriftswidrigen Maaße und Gewichte zu erwarten.“
Nicht minder schwer wie von den bisherigen Getreide- und Schankmaßen fiel den Menschen auch die Lösung von der alten Loth-, Pfund- und Malter-Rechnung etc. und Umstellung auf die Gramm-, Kilogramm- und Doppelzentner-Rechnung sowie die Aufgabe der althergebrachten Gerätschaften wie Gewichten und Waagen nicht leicht, ganz abgesehen von den Kosten der Anschaffung neuer solcher wie z. B. der nunmehr verwendeten und sicher teuren sog. Dezimalwaage. Somit muss es nicht verwundern, dass noch im Jahr 1888 von der Stadtverwaltung bekanntgegeben wurde, dass ab 1. Januar 1889 jeder Gewerbetreibende die älteren dem Pfundsystem (gemeint mit Unterteilung zu 32 Loth) angehörenden Gewichtsstücke aus dem Verkehr zu ziehen und durch solche des Kilogramm-Systems zu ersetzen habe. Im nichtamtlichen Verkehr blieben die Menschen bei der Angabe und Berechnung ihrer Ackerflächen noch ganz fest auf das hessische Morgenmaß (1 Mrg. = 2500 m2 = ¼ ha) fixiert und finden wir 1877 in der Zeitung herausgestellt, dass das städtische Hospitalgut 167 Morgen oder (aufgerundet) 42 ha (genau müsste es heißen: 41 ¾ ha) umfasst. Wie die nachfolgende Abbildung zeigt, bot der Wimpfener Zeitungsverlag des Carl Dieterich dem Publikum das folgende als Helfer zur „Umwandlung der Großh. Hessischen alten Maße und Gewichte in die neuen metrischen Maße und Gewichte und umgekehrt“ dienende „nützliche Broschürchen“ an:
Schade, dass dieses uns nicht mehr vorliegt! Doch dürfte sein Inhalt in etwa dem entsprochen haben, was in der obigen Übersicht der Abb. B 1a dargebracht ist.
Das Klebenbleiben an der althergebrachten Art und Weise der Maßangabe für Ackerflächen etc. besagt aber nicht, dass gegen die Einführung der neuen Maße und Gewichte, wie das bei der von den hessischen Behörden geforderten Ablösung der reichsstädtischen durch die hessischen Maße und Gewichte in den 1820er Jahren der Fall gewesen war, von der Gemeindeverwaltung wie den Bürgern heftiger über viele Jahre gehender hinhaltender Widerstand geleistet worden wäre. Die Vorteile gerade für die Wimpfener Dreiländerecke in Gestalt der Vereinheitlichung sowie der Vereinfachung des Umgangs durch den dezimalen Aufbau des neuen Maß- und Gewichtssystems waren offenkundig. Hinzu kam die sich mehr und mehr einstellende Gewogenheit gegenüber der von „Kaiser und Reich“ ausgehenden Politik und deren Reformmaßnahmen, die sich, wie wir an späterer Stelle sehen werden, schließlich zu einer wahren Reichsbegeisterung steigern sollte. Ihren Niederschlag fand die Umstellung darin, dass, wie die
- Abb. B 2: Die am 12. April 1873 im „Wimpfener Bote“ bekanntgemachten aktuellen sog. Viktualienpreise
zeigt, jetzt die Bäcker ihre Preise für Brot und Wecken auf Kilo bzw. Gramm und die Metzger ihre Fleischpreise auf ½ Kilo und nicht mehr auf Pfund und Lot ausrichteten, wobei das angegebene „½ Kilo“ der Metzger natürlich denn doch wieder dem althergebrachten Pfund (aber jetzt zu 500 g und nicht mehr zu 32 Loth) entsprach, das ja auch laut der oben gezeigten Gewichtstabelle offiziell in Gebrauch bleiben durfte. Was die von Übereifrigen vorgeschlagene und im „Wimpfener Bote“ angesprochene Übertragung des dezimalen Maßaufbaus auch auf das Dutzend und das Gros mit Umstellung von 12 auf 10 bzw. von 144 auf 100 durch die Fabrikanten betrifft, so kam diese, obgleich die Umrechnumng leichter gewesen wäre, selbstredend im Blick auf die tief eingeschliffenen Verwendung dieser alten Mengenbezeichnungen nicht zustande.
Von Interesse mag vielleicht auch die im Zuge der Längenmaßumstellung durch „Allerhöchste Cabinettsordre“ des Norddeutschen Bundes vom 17. Juni 1870 bekanntgegebene Neuberechnung der Maximal- und Minimalmaße der verschiedenen Truppeneinheiten sein, die im Hinblick auf die bestehende allgemeine Wehrpflicht für die jungen Männer von ziemlicher Bedeutung gewesen sein dürfte:
– – A. Maximal-Maaße: – für reitende Artillerie, Jäger, Trainfahrer zur halbjährigen Ausbildung, Kuirassiere und Ulanen: 1 m 75 cm;
– für Kuirassiere und Ulanen ausnahmsweise: 1 m 78 cm;
– für Dragoner, Husaren und Trainstamm: 1 m 72 cm;
– – B. Minimal-Maaße:
– für die Garden (inclusive der leichten Garde-Kavallerie): 1 m 70 cm;
– für Garde-Dragoner, Garde-Husaren, Festungs- respective See-Artillerie, Pioniere, Linien-Kuirassiere und Ulanen: 1m 67 cm;
– für alle übrigen Waffen- respective Truppengattungen: 1 m 62 cm;
– für die Linien-Infanterie ausnahmsweise: 1 m 57 cm.
- Durch die gesetzliche Einführung der Goldwährung auf der Basis der Mark als Rechnungseinheit im gesamten Deutschen Reich wird das verwirrende vielgestaltige alte Münzsystem beseitigt und durch ein einheitliche Klarheit und Sicherheit bringendes Währungssystem abgelöst.
Fast zeitgleich hierzu lief die Abschaffung des herkömmlichen Geldsystems in Gestalt des kaum durchschaubaren und der Verwirrung und dem Betrug Vorschub leistenden Vielerleis der umlaufenden inländischen und ausländischen Münzsorten und Geldscheine auf der Basis hauptsächlich der (süddeutschen) Gulden- und (norddeutschen) Talerwährung. Dies geschah durch die vom Element einer liberalen Wirtschaftsordnung nach dem Muster Großbritanniens befruchtete Einführung der Goldwährung anstelle der Silberwährung durch das Reichsmünzgesetz vom 9. Juli 1873. Durch dieses wurden die in Deutschland gültigen Landeswährungen durch eine einheitliche für das ganze Deutsche Reich geltende sog. Reichsgoldwährung abgelöst, deren Rechnungseinheit die Mark (M) bildete. Dazu wurden außer den bereits durch Gesetz vom 4. 12. 1871 bestimmten
- Reichsgoldmünzen im Wert von 20 und 10 Mark, weitere zu 5 Mark, dazu als Münzen
- Silbermünzen in Form von Fünf-, Zwei- und Einmarkstücken sowie Fünfzig- und Zwanzigpfennigstücken;
- Nickelmünzen in Form von Zehn- und Fünfzigpfennigstücken sowie
- Kupfermünzen in Form von Zwei- und Einpfennigstücken
mit genau vorgeschriebenem Metall-Mischungsverhältnis, Gewicht und Maß eingeführt. Goldwährung oder auch Goldstandard[1] heißt, dass für jede Mark ein bestimmtes Goldgewicht definiert wird, das den Wert der Geldeinheit bestimmt und damit präzise festlegt, welchen Wechselkurs die (von den meisten Staaten Europas und der USA etc. übernommenen) Goldwährungen untereinander haben und somit die Wechselkurse untereinander ebenso präzise festgelegt sind. Die Prägung durch die einzelnen Münzstätten der Bundesstaaten erfolgt unter der Anweisung und Aufsicht des Reichskanzlers im Benehmen mit dem Bundesrat.
Die Reichsgold- und die Silbermünzen über eine Mark trugen auf der einen Seite den Reichsadler mit Hohenzollernschild, umschlossen von der Umschrift „Deutsches Reich“ sowie der Wertangabe und dem Jahr der Prägung, auf der anderen Seite das Bildnis des jeweiligen Landesherren bzw. Hoheitszeichen der Freien Städte mit dem Herrschertitel und -namen bzw. dem Stadtstaatnamen und dem Prägungszeichen in der Umschrift.
Die übrigen Silber-, Nickel- und Kupfermünzen trugen auf der einen Seite die Wertangabe, die Jahreszahl und die Inschrift „Deutsches Reich“, auf der anderen Seite den Reichsadler und das Münzzeichen.
In den nachfolgenden Abbildungen werden als Beispiele die folgenden Münzen jeweils beidseitig gezeigt:
- Abb. B 3a: Deutsches (Kaiser-)Reich, Silbermünze, 20 Pfenning, geprägt 1873;
- Abb. B 3b: Deutsches (Kaiser-)Reich, Silbermünze: 1 Mark, geprägt 1883;
- Abb. B 3c: Deutsches (Kaiser-)Reich, Goldmünze: 5 Mark, geprägt 1877; auf der Vorderseite Großherzog (ab 13. Juni 1877) Ludwig IV. von Hessen;
- Abb. B 3d: Deutsches (Kaiser-)Reich, Goldmünze: 20 Mark, geprägt 1909; auf der Vorderseite Wilhelm II. Deutscher Kaiser u. König von Preussen.
Außerdem ist zu spätererer Zeit allerdings die Ausgabe von Reichspapiergeld vorgesehen. Dazu ein kleiner Vorausblick: Das öffnet die Abkehr vom Goldstandard und somit gelten die mehr und mehr auch umlaufenden sog. Banknoten oder Papier-Geldscheine im Kaiserreich als Geld zweiter Wahl. Das sind die sog. Reichskassenscheine zu 5, 20 und 50 Mark (1882) und die Noten zu 100 Mark und schließlich auch darüber zu 500 und 1.000 Mark (1890), ja sogar schließlich zu 1 Mark und 2 Mark. Doch: „Die glänzende Münze, die man wiegen oder auf die man zur Wertermittlung auch hezhaft draufbeißen konnte, beherrschte noch für unsere Großmütter und Großväter zu Beginn des Jahrhunderts das Verständnis vom Geld. … Löhne und Gehälter wurden weiter in klingendem Metall ausgezahlt.“[2]
Nachfolgend sollen auch hierzu aus der mit fortschreitender Zeit zu einer wahren Flut auswachsenden Beispielen des „Papiergeldes“ einige wenige gezeigt werden:
- Abb. B 3e: Darlehenskassenschein (Wertseite) Eine Mark, 17. August 1914;
- Abb. B 3f: Reichskassenschein (Vorder- und RückseiteI), Fünf Mark, 30. April 1874;
- Abb. B 3g : Reichskassenschein (Wertseite) Zehn Mark, 4. Oktober 1896;
- Abb. B 3h: Reichsbanknote (Vorder- und Rückseite) Eintausend Mark, Datierung unklar (1. Juli 19??).
Wie bei den neuen Maßen und Gewichten bestand der große Vorteil dieser neuen Münzen wie auch der Banknoten und Papiergeldscheine darin, dass diese ebenfalls dem dezimalen Aufbau unterlagen; d. h. eine Mark war 100 Pfennig wert; und die dazwischen liegenden anderen Münzen, so die 2-, die 5- und die 50-Pfennigstücke bezogen sich auf den Pfennig, so dass der Wertvergleich offenlag. Wie anders war es z. B. mit dem süddeutschen Gulden gewesen, den man umständlich in 60 Kreuzer und 240 Pfennige umrechnen musste, oder dem preußischen Taler, der 30 Groschen und 360 Pfennige wert gewesen ist. Zunächst wurden im Jahre 1873 im ganzen Deutschen Reich gültige auf die Reichsmark bezogene Umrechnungskurse eingeführt und z. B. im „Wimpfener Bote“ der „Neueste Münzumrechner der alten Münzmaße in Mark“ angeboten. Hoffnungsfroh wurde jetzt im beginnenden Jahr 1874 über die Geldumstellung Folgendes berichtet:
„Die neuen Münzen sind bereits in größerer Zahl ausgeprägt und werden dem Verkehr übergeben. … Den wilden Kassenscheinen, d. h. dem Papiergeld der deutschen Kleinstaaten, wird jetzt endlich der Garaus gemacht werden. Sie werden fortan bei den Börsen ihren Kurs haben, nach welchem sie im Handel angenommen und verausgabt werden sollen. Man wird dies als einen wahren Segen erkennen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß man mit diesen Papieren völlig überschwemmt war und sie stellenweise nur mit Verlust unterbringen konnte, während sich andererseits herausgestellt hat, daß sogar ein großer Theil von diesem Papiergeld gefälscht war.“
Im Fortgang wurde durch Landesgesetz vom 23. März 1874 fürs Erste bestimmt, dass im Laufe der Monate April, Mai und Juni 1874 durch die von den Landeszentralbehörden bestimmten Kassen alle Landesgoldmünzen, so
– preußische Friedrichsd’or, kurhessische Pistolen,
– württembergische, badische, hessische Zehn- und Fünfguldenstücke,
– württembergische Dukaten, badische sog. Rheingolddukaten,
– badische 500-Kreuzerstücke
– sowie die diesen gleichgestellten ausländischen Goldmünzen,
in Zahlung genommen und entsprechend ihrem festgestellten Wert gegen Reichsgold- bzw. Landessilbermünzen umgewechselt werden könnten. Ab dem 30. Juni 1874 jedoch, so hieß es, werden Landesgoldmünzen von den bestimmten Kassen weder zur Zahlung noch zur Umwechslung angenommen.
Im Gegensatz zu den württembergischen Nachbargemeinden, wo der Umtausch durch die Kameralämter erfolgen konnte, besaß Wimpfen, Folge der Exklavenlage mit der personalen wie funktionsmäßigem Eingeschränktheit des hessischen Kreisamtes, zunächst zum berechtigten Unmut der Bevölkerung keine Einlösungsstelle, weil die Distriktseinnehmerei diesbezüglich nicht befugt war und deshalb die Annahme der Goldmünzen verweigerte, bis nach einem öffentlichen Angriff das Großherzogliche Salzsteueramt die Einzugserlaubnis und eine Verlängerung der Fristen erwirkte. Die Umwandlung der Preußischen Bank in die Reichsbank sollte schließlich zum 1. Januar 1875 auch im Großherzogtum Hessen wie fast überall im Reich die Einführung der Reichsmarkrechnung für den Verkehr bei den öffentlichen Kassen und den allgemeinen Geldverkehr überhaupt bringen. Das machte jetzt auch den Einzug und Umtausch der anderen Münzen notwendig. Zum 1. Juli 1875 wollte Württemberg folgen. Und am 1. Januar 1876 sollte dann mit Bayern der Schlusspunkt gesetzt werden.
Somit macht der „Wimpfener Bote“ unter dem 20. November 1874 seine Leser mit den Umrechnungskursen der mannigfachen Groschen-Sorten (als Bruchteile des Thalers) bekannt, was ebenfalls zeigt, wie wirrselig das überkommene Münzsystem damals gewesen ist:[3]
Und aus anderen Unterlagen sind die folgenden weiteren Umtauschwerte für gängige Münzen zu erfahren:
– 7 fl (Gulden) = 12 Mark; 1 fl = 1,71 Mark
– 1 Vereinstaler (eine vom Deutschen Zollverein geschaffene Münze) = 3 Mark
– 1xer (x = Kreuzer) = 2 6/7 Pfennig
– 3,5 xer = 10 Pfennig
– 5 xer = 1 Mark
– 35 xer südd. Währg. = 100 Pfennig = 1 Mark
– 1 Silbergroschen = 10 Pfennig
Allerdings ließ die Vollendung des Umtausches sowie die totale Anwendung in den Geschäften der neuen Reichsmarkwährung in Wimpfen und anderswo immer noch auf sich warten. So steht im ausgehenden November 1874 in der Zeitung zu lesen, dass man noch wenig neue Münzen im Umlauf sehe. Und Anfang 1875 heißt es, dass die neue Währung zum 1. Januar 1875 amtlich hier eingeführt sei, für den allgemeinen Verkehr zunächst aber noch wenig Bedeutung habe, weil die Summe der in Silber (bei Gold stehe es besser), Nickel und Kupfer ausgeprägten Münzen keineswegs ausreichten, um die umlaufenden alten Münzen in kürzester Frist gegen neue umtauschen zu können. Voraus scheinen in Wimpfen mit der Einführung des neuen Geldes vor allem die Bäcker, Metzger und Wirte gegangen zu sein. Im August wird mitgeteilt, dass auch die Kaufleute nunmehr einer nach dem anderen die neue Markrechnung einführten und dies in der Zeitung bekannt gäben. Doch gibt es am 22. August 1875 neben Lob auch immer noch Tadel:
„Die Reichswährung tritt 1. 1. 1876 im gesamten Reichsgebiet in Kraft. Nachdem der Umtausch alter Münzen gegen neue in letzter Zeit anstandslos bewerkstelligt werden kann, wäre es zeitgemäß, die neue Währung in allen Geschäften allgemein zur Anwendung zu bringen. Es kann diese Maßregel, wenn sie nicht mit einer Erhöhung der Preise verbunden wird, seitens des Publikums auf keine Schwierigkeiten stoßen. Sollte es den Kaufleuten weniger möglich sein, sich in der Angelegenheit zu einigen, als den Bäckern, Metzgern, Wirten usw., die längst die Markrechnung eingeführt haben?“
Eine unangenehme Begleiterscheinung des Umtausches war die häufige Feststellung (siehe oben), dass umzutauschende Münzen oder Scheine sich als gefälscht herausstellten, wodurch in solchen Fällen der Tausch mit neuem Geld natürlich entfiel. Außerdem kam es auch in Wimpfen in zwei Fällen zu auf das neue Geld gerichteten Fälschungsversuchen. So machte sich im Mai 1875 ein Silberarbeiter der Heilbronner Silberwarenfabrik Bruckmann aus Neckargartach die Unkenntnis um dieses zunutze, indem er falsche Markstücke, die im Innern billiges Metall und außen einen dünnen Silberüberzug besaßen und die er u. a. auch in Wimpfen zur Zahlung zu bringen suchte, bis er jedoch als Fälscher ertappt wurde. Etwas später versuchte sich ein Mann namens Schweiher aus Wimpfen im Tal mit plumpen Fälschungen von 10-Pfennig-Stücken, was ihm und seiner Frau 1 Jahr und 2 Monate Gefängnis einbrachte. Auf Dauer war natürlich trotz staatlicher wie amtlicher Kontrolle wie privater Aufmerksamkeit nicht zu vemeiden, dass auch allgemein sowohl gefälschtes Papier- wie auch Münzgeld in Umlauf kam und auch in Wimpfen auftauchte, so z. B. laut Mitteilung der „Wimpfender Zeitung“ im April 1899, und zwar Reichkassenscheine zu 20 Mark, die mit Tinte und Tuschfarben ziemlich täuschend nachgemacht waren, außerdem falsche 50-Pfennig-Stücke und falsche 10-Mark-Stücke.
Die Währungsumstellung manifestiert sich natürlich auch in den amtlichen Papieren. So sind in der Chronik der Evangelischen Kirchengemeinde für das Jahr 1874 die „Opfer und Collekten“ noch in Gulden und Kreuzern (396 fl und 38 xr), für 1875 jedoch in Mark und Pfennig (696 Mark 69 Pfennig) ausgewiesen. Der rechnerische Vergleich ergibt: 1874: 396 fl entspr. 396 x 12/7 M. = 678,86 M., 38 xr entspr. 38 x 2 6/7 Pf. = 109 Pf , zus. 1874: 679,95 M.; somit differieren diese nur um rd. 17 Mark. In den Gemeinderatsprotokollen des Jahres 1875 finden wir da noch Gulden, dort schon Mark. Und die Wandlung drückt sich bezüglich der Nahrungsmittelpreise so aus:
Natürlich stellte die Post ihre Frankierung auf die neue Währung ebenfalls um, so z. B. die Kreuzer-Marken auf Dreipfennig-Marken, wobei sie laut gesetzlicher Bestimmung, aber ohne die Zahlungsbedingungen publik gemacht zu haben, in der Übergangszeit, wohl um den Währungsumtausch zu beschleunigen, sehr zur Klage des Publikums für eine 3-Pfennig-Marke 2 Kreuzer verlangte, was 5 5/7 Pfennigen und damit fast dem Doppelten entsprach. Ausgangs 1874 wird dann darauf hingewiesen, dass im Zuge der zum Jahresbeginn eintretenden Reichsmarkrechnung die alten Freimarken und Vordrucke verfallen würden.
Schließlich und endlich konnte im Dezember 1876 der „Wimpfener Bote“ triumphierend melden:
„Die große chinesische Mauer um den deutschen Münzbezirk ist nun fast vollendet. Fort sind die holländischen Gulden und 2 ½-Gulden-Stücke, womit vordem unsere Rieseneichen bezahlt wurden, wenn sie via Holland aufs Meer gingen. Fort sind die 5-Franken-Thaler, womit die französischen Händler unser Franken überschwemmten, wenn sie Schafe und Ochsen auf unseren Märkten aufkauften. Fort sind die blanken österreichischen Gulden, womit man uns die schuldigen Zinsen zahlte. Fort ist auch alles inländische Geld, alle Guldenmünze bis zum Kreuzer und Pfennig herab. Fort sind die zierlichen Silbergroschen, verdrängt von den wuchtigen Nickelmünzen. Es ist alles neu geworden bis auf den Thaler.“
In der Tat blieben die Talerstücke und auch ihre verschiedenen Sorten als die letzten Erinnerungsstücke an die Zeit der alten verwirrenden Geldsorten auch in Wimpfen bis in die Jahre 1877 – 78 noch im Umlauf, bis sie, die 2-Taler-Stücke und die 1/3-Taler-Stücke am 15. Februar 1877, die 1/6-Taler-Stücke, die sog. Biergroschen, am 1. März 1878 aufhörten, gesetzliches Zahlungsmittel zu sein und bis zu diesen Terminen bei der Großherzoglichern Distriktseinnehmerei eingelöst werden konnten. Im November 1877 wurden durch Beschluss des Bundesrates verbindliche Abkürzungen für die neuen Maße und Gewichte eingeführt.
Als man schließlich am 1. Juli 1885 das zehnjährige Jubiläum der neuen Reichswährung feiern konnte, fasste ein Korrespondent der „Wimpfener Zeitung“ sein Urteil u. a. in die folgenden durchweg positiven Worte:
„ … Heute darf man sagen, daß von all den neuen Einrichtungen des Deutschen Reiches kaum irgend eine andere sich so leicht eingeführt hat wie die neue Markrechnung. Die hunderterlei Münzen, groß und klein, welche früher umliefen, sind aus dem Verkehr entschwunden, die fremdländischen Münzsorten, welche namentlich das südliche und mittlere Deutschland überschwemmten und Unsicherheit brachten, sind nicht mehr zu sehen, einerlei Geld läuft durch das ganze deutsche Land und zeigt auch zu seinem Teil des neuen Reiches Größe. Und wie schnell hat sich die Bevölkerung, jung und alt, in das neue Geld hineingelebt, wie leicht rechnet man schriftlich und mündlich mit demselben und wie wenig hört man heute noch von Gulden und Kreuzern und Groschen reden, und selbst da, wo man noch am längsten in alter Weise festhielt, bei dem Handel mit Vieh, macht die alte Karolinrechnung der neuen Markrechnung immer mehr Platz. Nur Kipper und Wipper sehnen sich nach der Verwirrung zurück.“
Am Rande nur sei noch erwähnt, dass eine Anfang Januar 1876 nach Berlin vom preußischen Unterrichtsminister DR. FALK einberufene „Orthographische Konferenz“ sich mit der Aufstellung von Grundregeln für eine einheitliche deutsche Rechtschreiblehre auf der Grundlage eines von Professor Raumer, Erlangen, ausgearbeiten Enwurfs befasst hat. Deren hauptsächlicher Versuch, die widersprüchliche Anwendung des sog. Dehnungs-h nach langen Vokalen (wie einerseits z. B. bei „lahm“ oder „Bohne“ gegenüber „Name“ oder „Krone“) durch generelle Weglassung desselben zu regulieren, erzielte jedoch keine Majorität. Was von der Reform bewegt wurde, war lediglich die Empfehlung der strickten Weglassung des häufig hinter „t“ oder „T“ vorkommenden „h“ (wie bei „Thier“, „Thür“, „Muth“, „Eigenthum“, „Fluth“, „Güthe“, „thun“, „eigenthümlich“ usw).[4] Der flüchtige Blick in den „Wimpfener Bote“ bzw. ab Anfang 1877 in die „Wimpfener Zeitung“ zeigt, dass auch dieser Reformversuch, immerhin vorläufig und besonders bei den älteren Menschen, ohne Erfolg geblieben ist.
- Durch die Gründung der Reichspost wird die Postexpedition Wimpfen zum „Kaiserlichen Postamt“ umbenannt und umgestaltet, das zunächst vom Hause Horn gegenüber dem Schwibbogentor in das Haus Härlin am Unteren Tor und damit in Bahnhofsnähe, später der Stadtmitte zu in das Barth’sche Haus und schließlich in ein eigenständiges an der Ecke Wallstraße/Alte Heilbronner Straße gelegenes Postgebäude hinausverlegt wird.
Durch die Gründung des Deutschen Reiches entstand auch die aus der Norddeutschen Post hervorgegangene Deutsche Reichspost, die von der Reichsverfassung zur einheitlichen Staats-Verkehrsanstalt erklärt wurde. Während die Königreiche Württemberg und Bayern, obwohl ebenfalls der Reichspost zugewiesen, jedoch auf ihre Reservatrechte pochend, ihre eigene Post- und auch Telegraphenverwaltung behielten, ging im Großherzogtum Baden, das in Wimpfen auch die Bahnhoheit und damit auch die Posthoheit ausübte, ab dem 1. Januar 1872 uneingeschränkt auf das Deutsche Reich über. Demgegenüber gelang es den unentwegten Bestrebungen des Reichskanzlers Bismarck nicht, dem Reich auch die Hoheitsrechte über die privaten und staatlichen Eisenbahnen der Länder zuzuführen. Es entstand zwar 1873 eine Reichseisenbahnbehörde, doch blieben den Ländern die Befugnisse über ihre Bahnen weitgehend erhalten. Und so unterstand die Wimpfen einbindende Bahnstrecke Heidelberg-Jagstfeld nach wie vor der Verwaltung der ab 1872 so genannten „Großherzoglich Badischen Staatseisenbahnen“, während die jenseits des Neckars gelegenen Anschlussstrecken den „Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen“ zugehörig blieben.
Dieser Hoheitswechsel änderte nichts an der bestehenden personellen Besetzung des seit dem 1. Oktober 1838 im Hause Horn in der Unteren Hauptstraße (ab 1851) Nr. 198 bzw. (ab 1895) Nr. 237 gegenüber dem Schwibbogentor eingerichteten Poststelle, die seit 1863 mit dem durch den als sog. ERBLANDPOSTMEISTER auch für das Großherzogtum Hessen fungierenden MAXIMILIAN KARL FÜRST VON THURN UND TAXIS eingesetzten und in Wimpfen zuvor schon als Hospital- und Stiftungsrechner tätig gewesenen WILHELM SCHMEHL besetzt gewesen ist.[5] Ebenso blieb der für Wimpfen am Berg und im Tal und auch für Hohenstadt zuständige Briefträger THEODOR HAUER auf seinem Posten. Der in dieser Zeit in Helmhof zu findende Briefträger JOHANNES SCHNELL versah die dort 1865 geschaffene ehemals badische Poststelle, von der aus die anliegenden kleinen badischen Gemeinden und Höfe versorgt wurden. Doch traten bald nach der Hoheitsumstellung organisatorische Veränderungen ein: So wurde im Frühsommer 1874 das vom Briefträger nur schwierig mitzuversorgende Hohenstadt zusammen mit der Fleckinger Mühle und der Ziegelei Sauer in der Erbach der Poststelle Rappenau zugeordnet. Und im Juli desselben Jahres wurde in Vorbereitung des notwendigen technischen Ausbaus und der Erweiterung der Post unter dem populären GENERAL-POSTDIREKTOR STEPHAN die „Kaiserliche Postexpedition“, wie es jetzt heißt, samt Briefschalter in das an das Untere Stadttor stoßende Haus des Gastwirtes Härlin Untere Hauptstraße Nr. (ab 1851) 189 bzw. (ab 1895) Nr. 225 verlegt und mit einer Telegrafenstation vereinigt.
Diese Wegverlegung vom Rand der Kernstadt an den Rand der Unteren Vorstadt rief einigen Unmut hervor und führte zu einer in der Zeitung als Mißstand bezeichneten Rüge, die in die Forderung mündete, nahe vom Unteren Brunnen, an der Ecke des Muckh’schen Hauses (Schiff der ehemaligen Heiliggeist-Hospital-Kirche) oder des (Tierarzt) Barth’schen Hauses (ehemalige Wirtschaft „Rössle“), gelegen zwischen dem oberen Ende der Entengasse und der beginnenden Unteren Hauptstraße, einen zweiten Briefkasten anzubringen. Die Verlegung habe, so die Kritik, „nicht zum Ruhme der Reichspost beigetragen. Sogar zu Thurn- und Taxis’schen Zeiten gab es zwei Briefkästen hier. Man sieht, daß der Postkönig Stephan nicht überall seine Augen hat.“ Es wurde dann ein zweiter Briefkasten am letztgenannten Gebäude angebracht und seitens der Postexpedition in der Zeitung die folgende obrigkeitlichst klingende Erwiderung gegeben:
„Daß früher 2 Briefkästen im Gebrauche waren, ist durch die blose Behauptung nicht erwiesen und was die Verlegung der Postexpedition betrifft, so ist der Ausdruck ‚Mißstand’ ebenso ungehörig, als das Prädikat ‚Postkönig’, womit der Herr Einsender den General-Postdirektor in spöttischer Weise zu titulieren beliebt.“
Als erste Neuerung wurde am 16. Oktober des gleichen Jahres in der neuen Postdienststelle eine, wie es heißt, „Reichs-Telegraphenstation der Kaiserlichen Telegraphendirektion mit beschränktem Tagesdienste“ eröffnet.
Welch für unsere heutigen Begriffe bescheidenes Bild diese nunmehr „Kaiserliche“ Postdienststelle immer noch abgegeben hat, ist uns von Friedrich Feyerabend (1871 – 1959) aus eigenem Erleben anschaulich dokumentiert:[6]
„In den 70er und 80er Jahren vorigen Jahrhunderts befand sich die Post am unteren Stadttor. Ein Zimmer zwischen dem Gasthof zur Traube und dem Turm, das in der Mitte in einen Schalter und Dienstraum abgeteilt war, stellte das ganze Postamt dar. Im Dienstraum befanden sich ein Tisch mit einem Telegraphenapparat, ein Schreibtisch, einige Schreibregale und ein Pult, eine Briefwaage und eine Brückenwaage. Im Hofe stand ein gelb angestrichener aus Weiden geflochtener Handwagen. Das Personal bestand in dem Postmeister und einem Briefträger. Der ganze Verkehr war auf den Brief-, Paket- sowie Ein- und Auszahlungsverkehr beschränkt. Man denkte sich alle übrigen heute bestehenden Einrichtungen des Telefon-, Versicherungs- und Überweisungsverkehr weg. Bestimmte Schalterstunden waren eingerichtet.“
Wir werden an späteren Stellen noch mancherlei und dabei einiges Erheiternde über des Postmeisters WILHELM SCHMEHL stetig und allgemein anerkanntes gutes Schalten und Walten sowohl in seinem Metier als auch über sein hilfreiches Wirken für die Einwohnerschaft Wimpfens erfahren.
Fürs Erste nahm man die Neuerung des vorhandenen Telegrafs oder der bereits zum 1. Januar 1873 eingeführten Postkarte mit aufgedrucktem Wertzeichen weniger wahr als z. B. die von der Post nach dem gewonnenen 1870/71er-Krieg hinsichtlich der Benennung ihrer Dienstleistungsbereiche betriebenen deutschtümelnden Auswüchse. Diese werden Ende März 1875, wohlwollend im „Wimpfener Bote“ reimend, folgendermaßen glossiert:
„Wie wird wohl“, so ist humorig beigefügt, „General-Postdirektor Stephan als Direktor der Reichstelegraphenverwaltung nunmehr seine Telegraphistinnen nennen? – Etwa ‚Blitzmadel’?“
In den anschließenden (vergrößerten) Briefmarkendarstellungen zunächst je ein Beispiel der vorbeschriebenen drei Perioden der Postentwicklung gezeigt:
- Abb. B 4a: Badische Ein-Kreuzer-Freimarke aus der Zeit vor der Reichsgründung (1858),
- Abb. B 4b: Ein-Kreuzer-Briefmarke der Deutschen Reichs-Post des Zeitraumes von 1871 bis 1874 (d. h. vor der Währungsumstellung),
- Abb. B 4c: 10-Pfennig-Briefmarke der Reichspost (ab 1875).
Diesen folgt das Vergleichs-Beispiel einer unfrankierten und einer mit dem Stempel des Wimpfener Kaiserlichen Postamtes versehenen Drei- Kreuzer-Briefmarke in der
- Abb. B 4d: Drei-Kreuzer-Briefmarke der Deutschen Reichs-Post des Zeitraumes von 1871 bis 1874 (d. h. vor der Währungsumstellung) sowie
- Abb. B 4e: Vergrößerte Schwarz-Weiß-Kopie einer mit dem Poststempel „Wimpfen 26. 8. 1872“ versehenen solchen Drei-Kreuzer-Briefmarke der Deutschen Reichs-Post[7].
Abschließend sei gezeigt in der
- Abb. B 4f: Ein weiteres Beispiel einer Zehn-Pfennig-Briefmarke, die den Poststempel „Beerfelden 27. 1. 98“ (gemeint: 1898) trägt, angefügt den auf der Rückseite des Briefkuverts angebrachten Eingangsstempel „Wimpfen 27. 1. 98“.
Um die Zeit der obigen Glosse wird am 16. März 1875 vom Generalpostamt mit heiligem Ernst folgendermaßen gemahnt: Freimarken müssen nach Vorschrift in die rechte Ecke geklebt werden, weil Verstöße dagegen besonders bei vielen kleinen Marken eine „Stempelerschwerung“ verursachen.
Wie die jetzt am Ort vorhandene technische Neuerung des Nachrichtenwesens, der Telegraf, der jetzt die Möglichkeit bot, wichtige Nachrichten, so vor allem solche von traurigen wie freudigen Ereignissen in den Familien wie insbesondere von Todesfällen oder Unglücken einerseits und Geburten oder Verlobungen und Eheschließungen, runden Geburtstagen u. a. m. andererseits, rasch zu vermitteln, rege und wachsend genützt worden ist, das geht aus der Mitteilung der Zeitung hervor, dass im Jahr 1875 (demnach im Nachjahr dessen Einführung) 636 „Depeschen“ ein- und 524 ausgegangen sind. Das Versenden von Telegrammen seitens der Stadtverwaltung insbesondere anlässlich von runden Geburtstagen oder sonstigen Jubiläen der hochverehrten Kaiserlichen und Großherzoglichen Majestäten sowie etwa insbesondere des Reichskanzlers Bismarck wurde jetzt, wie wir noch reichlich sehen werden, zum wichtigsten Mittel der obligatorischen untertanenmäßigen Huldigung. Darüber hinaus heißt es, dass die Zahl der ein- bzw. ausgegangenen Briefe 27.684 bzw. 23.760, die der eingegangenen Pakete 2.430 betragen hat. Ab 1877 führen die Briefträger künftig einen Vorrat an Marken, Kuverts, Postkarten, Paketadressen und Postanweisungen mit sich und nehmen größere Bestellungen solcher an. Auch werden Kaufleute, Wirte und andere Geschäftsleute gebeten, einen solchen Vorrat zur Verfügung zu halten. Und 1879 werden laut Zeitung im gesamten 392 Telegramme, davon 255 „inländische“ und 137 „ausländische“ (einschließlich Bayern und Württemberg), zusammen 392 Stück, befördert. 1881 sind es schon 570 Telegramme, die aufgegeben werden und 663, die eingegangen sind, zusammen also bereits 1.233 Stück und damit nach nur 2 Jahren ca. das Vierfache.
Etwa zur gleichen Zeit (Februar 1880) wird berichtet, dass durch den „Fernsprecher“ seit 1. Juli 1879 „407 Stück“, davon 235 nach Rappenau, vermittelt worden sind. Demnach hatte damals schon in Wimpfen – noch keine zwei Jahre, nachdem diese neue Erfindung des Amerikaners Graham Bell in Berlin im Arbeitszimmer des Generalpostmeisters in der Leipziger Straße hin zum Arbeitszimmer des Generaltelegrafenamtes in der Französischen Straße in Dienst gestellt worden war – der zunächst natürlich auf wenige erste Linien bzw. Orte beschränkte Aufbau des Telefonnetzes begonnen. Wie mir Herr HANS GERHARD MÜLLER (Jahrgang 1936) berichtet hat, hatte sein Urgroßonkel, der im ehemaligen Kirchenbau des einstigen Hospitals zum Heiligen Geist wohnende und als rühriger Kaufmann sowie Gemeinderat und Beigeordneter in der Gemeindepolitik wie im Vereins- und Sparkassenwesen als Vorstand tätige OTTO MUCKH, die Telefonnummer 1, woraus zu schließen sei, dass dieser der erste Telefonbesitzer Wimpfens gewesen ist. Die Nummer 2 führte das Badehotel „Zum Ritter“, zu entnehmen einem Prospekt des Jahres 1912.
Aus dem Jahr 1879 erfahren wir noch, dass auf der Wimpfener Poststelle die stattliche Zahl von „7.872 Stück Postkarten verbraucht“ worden ist. Wohl noch tiefgreifender als das Telegramm und das Telefon hat diese bereits 1869 erstmals in Österreich-Ungarn und dann auch im Bereich des Norddeutschen Bundes eingeführte Form des modernen Nachrichtenmittels der Postkarte durch die Einfachheit der Handhabung der Versendung von Nachrichten (Adresse und Absender auf der einen Seite, auf der anderen der auf das Wesentliche beschränkter Text in einem ohne Kuvert) den Kontakt der Menschen untereinander revolutioniert und erfreute sich somit ganz besonderer Beliebtheit. Von (um mit heutiger elementarer Begrifflichkeit zu reden) Datenschutz, sprach offenbar niemand; denn wen kümmerte es, dass es evtl. unbekannte Mitleser gab, wenn es um lebenswichtige Nachrichten wie Mitteilungen über Krankheiten oder gar Tod ging!
Wie dann im raschen Voranschreiten der Zeit im ausgehenden 19./beginnenden 20. Jahrhundert aus der nüchtern-schmucklosen sog. Postkarte die sog. Ansichtskarte wird, die im althergebrachten Badeort und wegen seiner historischen Bauwerke sich zum Ort des sog. Fremdenverkehrs entwickelnden Wimpfen sich in bedeutender Weise – bezogen insbesondere auf die außerordentlich eindruckvolle historische Silhouette von Wimpfen am Berg und auch im Tal – entwickelt, soll hier kurz dargelegt werden:
Im Sommer desselben Jahres wird auf viele Bitten (31 Unterschriften) hin in der oberen Stadt am neben dem Gasthaus „Sonne“ gelegenen Hause des Kaufmanns WILHELM TRAUTMANN, Obere Hauptstraße Nr. 236 (bzw. ab 1895) Nr. 298 ein weiterer Briefkasten angebracht. Im Frühjahr 1881 heißt es unter „Postalisches“, dass jetzt auch die Türkei denjenigen Ländern (Belgien, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Niederländische Kolonien, Norwegen, Österreich, Ungarn, Portugal, Rumänien, Schweiz, Spanien, Argentinische Republik, Alexandrien) beigetreten sei, nach welchen Postkarten mit Antwort (einschließlich im Inland) abgeschickt werden können. Damals sind in Wimpfen drei Verkaufsstellen für Postwertzeichen und insgesamt jetzt sogar fünf Briefkästen vorhanden. Es geht also mit dem Angebot und der Nutzung der „Kaiserlichen Deutschen Post“ voran, die im Wimpfen der Jahrzehnte nach dem Krieg von 1870/71 mit der Begründung des Deutschen Kaiserreiches zum neben dem Rathaus wohl wichtigsten Anlaufpunkt Wimpfens wird.
Somit wurde der Briefträger gern gesehener Begleiter des täglichen Lebens, dessen Tun bei Wind und Wetter zum Jahresende 1885 die „Wimpfener Zeitung“ die Einwohnerschaft durch den folgenden Aufruf Anerkennung und Verständnis zu zollen bittet:
Am 4. Juli 1885 gibt die Post, mannigfachen Wünschen entsprechend, in der Zeitung eine umfängliche Auflistung der für den Geschäftsverkehr geltenden Gebühren bekannt, deren Einzelposten zwar hier nur auszugsweise wiedergegeben werden sollen, jedoch hinreichend in die Art des wachsenden postalischen Angebots Einblick geben:
a) Post-Verkehr:
1) Briefe bis 15 g in Deutschland und Österreich 10 Pfg, ab 250 g (die nicht überschritten werden dürfen) 20 Pfg.
2) Drucksachen werden bis 1 kg angenommen und kosten bis 50 g 3, von 50 – 250 g 10, über 250 – 500 g 20, über 500 – 1000 g 30 Pfg.
5) Postkarten 5 Pfg., mit Rückantwort 10 Pfg.
6) Lokalbriefe frankiert 5 Pfg., unfrankiert 10 Pfg.
7) Briefe ins europ. Ausland und in die Vereingten Staaten für je 15 g 20, Postkarten 10, Drucksachen für je 50 g 5 Pfg.
9) Postanweisungen (bis 400 Mark versendbar) bis 100 Mark 20, über 100 bis 200 Mark 30, über 200 bis 400 Mark 40 Pfg.
13) Pakete bis 5 kg und bis 10 Meilen 25 Pfg., darüber 50 Pfg., über 5 kg für jede weiteren 5 kg bis 10 Pfg. je nach Entfernung
14) Sperrgut, d. h. überdimensionierte Pakete (Maßangaben hier weggelassen), Körbe, Hutschachteln in Holzgestell, Möbel, Korbgeflechte, Käfige leer oder mit Tieren) etc., zu um die Hälfte erhöhtem Paketporto
b) Telegraphen-Verkehr:
Gewöhnliches Telegramm (die Wort-Grenzwerte sind in der Bekanntmachung nicht definiert) auf alle Entfernungen innerhalb Deutschlands 20 Pfg., für jedes weitere Wort (bis zu 15 Buchstaben) 5 Pfg. mehr.
Und in der Zeitung des Folgejahres (wie auch in anderen Jahren) erscheint eine auf das vorgenannte Jahr bezogene und dem Publikum Wimpfens sukzessiv bekannt gemachte Gesamt-Statistik des Postamtes Wimpfen, aus der, wenn man bei Vergegenwärtigung der Einwohnerzahl von ca. 3.200 die Zahlen der verkauften Postwertzeichen, der ein- und abgegangenen Briefe, Pakete und Wertsendungen sowie Geldanweisungen, Zeitungen und Telegramme betrachtet, klar wird, welch immense Bedeutung das Postamt und die dort bzw. für dieses Tätigen, vom Leitenden, dem „Postverwalter“, angefangen, bis hinab zum einfachen Briefträger, für die Einwohnerschaft hinsichtlich der Kommunikation sowie des Waren- und Geldaustausches hin nach außen und her nach innen wachsend einnahm:
Die notwendige enge Koppelung von Post und Bahn wird evident aus dem nachstehend gezeigten Winter-Fahrplan von 1884/85, aus dem neben den Schalteröffnungszeiten des Postamtes hervorgeht, dass von den jeweils täglich fünf aus der und in die Richtung Heilbronn bzw. Heidelberg an- und abgehenden Personenzügen je drei zur Postbeförderung benutzt wurden, d. h. mit einem sog. Post- oder Gepäckwagen bestückt gewesen sind:
Ab dem 1. März 1903, weiterer wichtiger Fortschritt im Transportwesen, wird in Wimpfen am Berg eine sog. Güterbestätterei eingerichtet, die, so heißt es, Frachtgut (wohl des Bahn- wie Postverkehrs) täglich zweimal ohne vorherige Anmeldung zustellt.
Im Gefolge der regelmäßig in der Zeitung der Öffentlichkeit dokumentierten örtlichen Ausdehnung des Postverkehrs genügte schließlich die Räumlichkeit am Unteren Tor nicht mehr, so dass das Postamt im Jahr 1887 in das oben bereits erwähnte Gehäude, nämlich das gegenüber dem einstigen Heiliggeistspital gelegene stattliche sog. (Tierarzt) Barth’sche Haus in der Unteren Hauptstraße/Ecke Entengasse Nr. 218 bzw. 248, in Form der Anmietung verlegt wurde. Gleichzeitig wurde nach fast 25-jähriger Tätigkeit (genaue Amtszeit vom 01. 05. 1863 bis zum 30. 09. 1887) POSTVERWALTER WILHELM SCHMEHL, der jahrzehntelang auch Rechner der städtischen Hospital- Spar- und Leihkasse und als gewissenhafter Walter in seinem Amt sowie Ratgeber und Helfer in allerlei Nöten hoch geachtet und geschätzt gewesen ist, im Alter von 60 Jahren in den Ruhestand versetzt. Sein Nachfolger wurde ab 01. Oktober 1887 POSTVERWALTER (später: POSTSEKRETÄR) FRIEDRICH WENDEL.[8] Wie sehr der Postverkehr bis in die Zeit kurz nach dem Umzug weiter gewachsen war, das geht z. B. hervor aus einer
Trotz der gewachsenen Menge eingehender Brief-, Paket- und Geldsendungen u. a. m. ist für die beiden Wimpfen 1891 nur ein Briefträger vorhanden, so dass Wimpfen im Tal seine Post erst (nach)mittags erhält. Das weckt Anfang November des genannten Jahres den in der Zeitung geäußerten Wunsch, einen zweiten solchen anzustellen. Ob bzw. wann dieses geschehen ist, ließ sich nicht eruieren.
Was den hier nicht erfassten Telefon-Verkehr betrifft, so erfahren wir, dass Mitte November 1898 beim Posttamt eine öffentliche Fernsprechstelle mit Anschluss an das württembergische Sprechnetz eröffnet wurde. Der neue Postverwalter Wendel gibt ausgangs März 1892 die Einführung der für jeden Einwohner höchst bedeutsamen sog. mitteleuropäischen Zeit im Post- sowie Bahnverkehr bekannt, was sich natürlich auf die für die gesamte Einwohnerschaft – Alt bis Jung, Bauern wie Handwerker, Arbeiter, Beamte, Angestellte – nach wie vor unabdingbaren beiden Zeitgeber höchstwichtige „Stadtuhr“ auf dem Südostturm der Stadtkirche wie die „Bahnuhr“ ausgewirkt hat:
„Vom 1. 4. ab kommt für den gesamten Postdienst im Großherzogtum Baden sowie in Wimpfen die mitteleuropäische Zeit MEZ zur Einführung. In Folge dessen werden von dem gleichen Zeitpunkte ab sämtliche in den postalischen Bekanntmachungen über den Abgang und die Ankunft der Posten enthaltenden Zeitangaben mitteleuropäische Zeit bedeuten, sofern nicht bei den betreffenden Ortsnamen eine andere Zeit genannt ist. Die Eröffnung und der Schluß der Postschalter erfolgt vom 1. April ab zu den festgesetzten Stunden jedoch nach mitteleuropäischer Zeit, d. h. etwa eine halbe Stunde früher als bisher, da die nach mitteleuropäischer Zeit gestellte Uhr gegen die hiesige seither gebräuchlich gewesene Ortszeit um 23 Minuten vorgerückt ist. Kaiserliches Postamt. Wendel.“
Dies galt auch im Eisenbahndienst, so dass die Bahnuhr sowie die Stadtuhr damals um 23 Minuten vorgerichtet wurden. Maßgeblich für die richtige Einstellung der Stadtuhr auf dem Südostturm der Evangelischen Stadtkirche war und blieb die von der badischen Bahnbehörde telefonisch regulierte Bahnhofsuhr, nach deren Zeittangabe sich der städtische Uhrenwärter bei der Einstellung der Kirchturmuhr zu richten hatte.
Allerdings hatten lange vor der Einführung der Mitteleuropäischen Einheits-Zeit Klagen und Proteste der Einwohnerschaft wegen Differenzen der eingestellten Stadtuhr-Zeit zur maßgeblichen Bahnhofsuhr-Zeit stattgefunden:
– „Die Kirchenuhr“, so wird am 5. November 1873 im Wimpfener Boten beklagt, „geht schon seit längerer Zeit gegenüber der Bahnuhr zu spät und es beträgt die Differenz dermalen zehn Minuten, was für das Publikum von mancherlei nachtheiligen Folgen sein kann.- Für unseren Wimpfener Verstand ist es unbegreiflich, wie sie so etwas in einer Kreisstadt vorkommen kann und wir dürfen uns damit trösten, daß mit der Kirchenuhr noch anches Andere schlapperig geht.“[9]
– „Nicht selten passierte es, daß durch diese Schwankungen die Wimpfener Arbeiter, die auswärts beschäftigt waren, und sonstige Reisende ihren Zug versäumten. Dies gab große Verärgerung in der Bevölkerung, die z. B. 1878 zu Protesten in der Wimpfener Zeitung führte mit der Behauptung, daß an einem Tag morgens die Uhr eine Viertelstunde zu früh und gegen Mittag eine Viertelstunde zu spät geschlagen habe. Einige Einwohner beschimpften lautstark den ortsansässigen Uhrmacher, der sich öffentlich zur Wehr setzte mit dem Hinweis, daß die Betreuung der ‚Kirchenuhr’ ihm gar nicht übertragen sei. Der Uhrenwärter zog die Konsequenzen und stellte die Turmuhr immer um 5 – 10 Minuten vor, daß ja niemand den Zug versäumte. So entstand die ‚Wimpfener Zeit’ … .“[10]
Diese herkömmliche Besonderheit hat sich auch nach der Einführung der sog. MEZ (Mitteleuropäischen Zeit) des Jahres 1892 nicht geändert.
In Anbetracht der aus den obigen Statistiken hervorgehenden auf der Basis ihres sich laufend verbreiternden Angebots stetig wachsenden Inanspruchnahme der Poststelle und somit Zunahme des Publikumsverkehrs wurden ab Mitte der 1890er Jahre der Wunsch lauter und lauter, in Wimpfen ein eigenständiges neues Postgebäude zu erstellen. Dieses sollte zunächst am Unteren Tor und damit in einer Gegend, wo sich die vorhergehende Poststelle befunden hatte, gebaut werden. Doch wurde dieser Gedanke sowohl vom Gemeinderat als auch von allen Einwohnern vor allem der Abseitslage wegen verworfen. Fallen gelassen wurde auch der anschließend ins Auge gefassten Plan, das die Poststelle bergende Barth-Schittenhelm’sche Haus zu erwerben und zu renovieren. Nachdem schließlich nach der Einrichtung einer Fernsprechstelle des Jahres 1898 sich die Notwendigkeit der Errichtung auch einer Fernsprechvermittlungsstelle ergab, entstand ausgangs des Jahrhunderts außerhalb des Stadtberings am ostwärtigen Beginn der Alten Heilbronner Straße ein gesondertes großes zeitgemäßes Postgebäude. Dieses ist gezeigt in
- Abb. B 5: Fotografische Ansicht (von bald nach 1900) des im auslaufenden 19. Jahrhundertan der Einmündung der Alten Heilbronner Straße in die auslaufende Wallstraße und beginnende Biberacher Straße erstellten sog. Kaiserlichen Postamtes.
Dieses wurde nicht von der Postbehörde, sondern von dem bis ausgangs
1896 im Besitze des auf der Gegenseite der Einmündung der Heilbronner Straße in die dort beginnende Biberacher Straße gelegenen Gasthauses mit Bierbrauerei gestandenen Wirtes und Bierbrauers MARTIN WACKER errichtet und ausgangs Dezember 1899 bezogen.[11]
Es handelte es sich um ein für diese Zeit und für das kleine Städtchen Wimpfen beeindruckendes Bauwerk imposanten Gesichts: Über einem hohen, dem Gefälle des Geländes angepassten und im unteren Bereich quaderbewehrten, Schrägsockel erhebt sich ein symmetrisch gehaltener fünfgliedriger Baukörper, bestehend aus zwei überhohen Hauptgeschossen unter einem Walmdach. Den breiteren Mittelbau flankieren zwei schmale Seitentrakte, aus denen im Dachgeschoss ein staffelgezierter Zwerchgiebel emporwächst. Der Dreieinheit Mittelbau-Zwerchgiebelflankierung fügen sich beidseitig verschmälerte Abschlüsse mit abgeschrägtem Seitenwalm an, aus denen mittig ebenfalls abgetreppte Zwerchgiebel wachsen. Der Überhöhe der Geschosse entsprechend, sind auf der stadtseitigen Schaufront übergroße, aufwändige Hausteingewände aufweisende und großteils paarweise geordnete Fensterreihen eingebracht, deren Sturz im ersten Geschoss historisierende steinerne Spitzbögen aufweisen, im zweiten Geschoss dagegen die Rechteckform beibehalten. Die symmetrische An- und Einordnung sowohl horizontal wie vertikal verlassend, ist im unteren Hauptgeschoss des Mittelbaus das innere Fenster des bergseitigen Fensterpaares nach unten zu einer Art Eingangsportal erweitert, auf das eine mit einem Eisengeländer bewehrte steinerne Doppeltreppe, den hohen Sockel überwindend, hochführt. Hinter dieser öffnete sich eine kleine Schalterhalle, in der sich rechterhand der Postschalter befand. Linkerhand wie auch an den Flanken findet sich, der geringeren Breite angepasst, an Stelle eines Fensterpaares jeweils ein verbreiteres einteiliges Spitzbogen-Fenster. In genauer Parallelität zu den spitzbogigen Fensterabschnitten des ersten Geschosses positioniert, sind diejenigen des zweiten Geschosses zu Rechteck-Fensterpaaren ausgebildet. Ein am Mittelteil der bergseitigen Gebäudehälfte über dem Sockelgschoss in Reichhöhe angebrachter Briefkasten und schräg darüber ein in Sichthöhe befindlicher Schaukasten für postalische Bekanntmachungen runden das Äußere ab.
Der zur Alten Heilbronner Straße hingewandte und vom Postamt belegte Halbteil führte die Nr. (laut Zählung ab 1895) 441 und der gegenläufige Halbteil die Nr. 413, ab 1956 der Gesamtbau die Nummer 17. Zu Kaisers Zeiten stand mittig schräg über dem Haupteingang die mit Großbuchstaben herausgehobene Aufschrift „KAISERLICHES POSTAMT“ zu lesen und darüber prangte der Adler des Kaiserreiches. Siehe hierzu die
- Abb. B 6: Das an den Kaiserlichen Postämtern angebrachte Schild mit Reichsadler und der Kaiserkrone darüber.[12]
Auf dem oben gezeigten Fotografie von bald nach 1900 sind vor dem talwärtigen Flankentrakt Teile der 1863 errichteten städtischen öffentlichen „Waagebrücke“ (Brückenwaage) mit dem dabeistehenden sog. Waaghäuschen zu sehen, außerdem bergwärtig im Straßenwinkel zwischen der beginnenden Alten Heilbronner Straße und der Biberacher Straße die ehemalige sog. Wackersche Bier-Wirtschaft, jetzt laut beidseitiger Aufschrift das „Bier Depot der Actienbrauerei Cluss Heilbronn“ bergend.
Im Postgebäude befand sich auch die Wohnung des Postverwalters FRIEDRICH WENDEL, deren zum Treppenhaus führende Eingangstüre sich auf der Rückseite des zur Alten Heilbronner Straße hin gelegenen oberen Flankentraktes befand. Dort schloss sich ein Hof an, von dem aus das Ein- und Ausladen des an- und wegzutransportierenden Postgutes vielerlei Art erfolgte. Postmeister Wendel scheut sich nicht, am 20. Dezember 1901, eine Art Zensur ausübend, dem Publikum der Reichspost in der „Wimpfener Zeitung“ u. a. Folgendes mitzuteilen:
„Auch sei darauf hingewiesen, daß unterschriftslose Postkarten mit unsittlichen Abbildungen und beleidigendem Inhalte, durch die mancher Mustermensch dem lieben Nächsten seinen ‚Neujahrsgruß’ zu entbieten pflegt, nicht zur Beförderung gelangen und in den Ofen wandern.“[13]
Ende Januar 1904 umfasst, wie die „Wimpfener Zeitung“ berichtet, der sich ständig erweiternde Fernsprechbereich, nachdem noch weitere 66 Orte und einige sog. Hauptorte dazugekommen sind, insgesamt 725 Orte. Demnächst wird Wimpfen, so heißt es Mitte November 1904, auch zum Sprechverkehr mit Berlin nebst Vor- und Nachbarorten zugelassen. Und Mitte Oktober 1906 erhält auch die Bürgermeisterei Wimpfen einen Anschluss an das Fernsprechnetz, und zwar unter der nach rund einem Vierteljahrhundert des Bestehens desselben noch überraschend niedrigen Nummer 11. Daraus ist zu schließen, dass der neben dem zuerst eingeführten Telegrammverkehr nach und nach jetzt auch an Bedeutung erlangende Telefonverkehr großteils über die Benützung der im Postamt vorhanden Sprechzelle und nicht wie bei den wenigen privaten und amtsmäßigen Anschlüssen mittels Vermittlung per Drehen an einer Kurbel des Telefonapparats mit Meldung des Verbindungswunsches an die Vermittlungsstelle hergestellt wurde. Dort wurde die Verbindung zum gewünschten Gesprächspartner am sog. Klappenschrank durch den Telefonisten bzw. wachsend die Telefonistin („das Fräulein vom Amt“) mittels eines Schnurpaares (Kabel) oder bei weiterer Entfernung zur nächsten Vermittlungsstelle unter mehr oder minder großem Zeitaufwand und damit der Dauer der Prozedur der Verbindung hergestellt. Im beginnenden Dezember 1912 genehmigte der Gemeinderat einen Zuschuss und im Mai des Folgejahres 1913 einen weiteren solchen einmaligen Beitrag in Höhe von 50 Mark zum Anschluss auch von Wimpfen im Tal an das Telefonnetz. Es sollte, um das vorwegzunehmen, noch mehr als zwei Jahrzehnte dauern, bis in den ausgehenden 1920er Jahren durch die Einführung des Drehwählers am Telefon und damit die Einführung des sog. Wählerbetriebes mit gleichzeitigem Anschluss an den Fernverkehr an das Fernsprechamt Heilbronn ein direkte und damit schnellere Verbindung zum gesuchten Gesprächspartner hergestellt werden konnte.
Die eminente Bedeutung der Post für die Einwohnerschaft spiegelt sich auch darin wider, dass KARL FRIEDRICH BUCK, nachdem er 1906 die an der Einmündung der Färbergasse in die Neutorstraße (ab 1851 Nr. 216, ab 1895 Nr. 253) und damit unfern des neuen Postamtes gelegene und bislang vom Bäcker und Wirt FRIEDRICH FEYERABEND II. betriebene Wirtschaft gekauft hatte, diese fortab unter dem Namen „Reichpost“ geführt hat.
Nachdem Postamtsleiter Wendel mit Wirkung vom 20. Oktober 1911 ausgeschieden war, trat 1912 als dessen Nachfolger der einer Wimpfener Familie entstammende und der Realschule Wimpfen entwachsene ALBERT ANGELBERGER an. Nicht nur, dass das Wimpfener Postamt, wie schon gesagt, neben dem Rathaus die wichtigste zentrale Anlaufstelle für die Wimpfener Einwohnerschaft von Jung bis Alt ist; sondern Angelbergers Beispiel lässt auch die Rolle des Postamtes als lebensbestimmende Brücke für zahlreiche leistungsstarke Abgänger der Volksschule sowie der Realschule über das dort abgelegte sog. Einjährige in den einfachen bzw. gehobenen oder gar höheren Post- und damit begehrten Staatsdienst erkennen. Darauf wird im 1938 in der „Wimpfener Zeitung“ erschienenen grundlegenden Aufsatz „Hundert Jahre Post in Wimpfen!“, dessen nicht genannter Autor wohl der vorgenannte Postamtsleiter Albert Angelberger gewesen sein dürfte, folgendermaßen hingewiesen, wobei sich die (hier durch Großbuchstaben herausgehobenen) Namen-Nennungen leider auf die Nachnamen beschränken und Eindatierungen fehlen sowie sicherlich auch die 1920er- bis 1930er-Jahre einbezogen sind:
„Als … Packer oder Briefträger finden wir die Namen HAUER, MÜNCH (Vater und Sohn) KLENK, LINK, CHRISTOPH, SCHLER, ISCHAR, BELZNER und KUCHENBEISER sowie einige Nicht-Wimpfener verzeichnet.- Für den Beamtennachwuchs sorgte das Postamt im Verein mit der hiesigen Realschule durch die Ausbildung vieler junger Dienstanfänger. Einige Namen seien hier festgehalten: HÄRLIN, WASSENMÜLLEER, ERNST, SCHWEICKERT, BÜRG, LINK, LIPP, SAAM, MÜNCH, GEMÜNDER, KELLER, RUDOLF, ANGELBERGER, MAISENHÄLDER, STRAIB, HENNIGE, SCHRECK, OHR, HIMMELREICH, KIRNER etc.“
Außerdem wird darauf hingewiesen, dass ab dem Spätjahr 1911 auch weibliche Kräfte eingestellt und beschäftigt worden sind, doch von den insgesamt zehn eingestellten solchen sieben wegen Heirat und zwei wegen Übertrittes in andere Berufe wieder ausgetreten seien.[14]
Abschließend sei hier noch gezeigt die
- Abb. B 7: Portrait-Foto des in Wimpfen von 1912 bis 1941 als Postverwalter tätig gewesenen Albert Angelberger (30. 04. 1876 – 10. O5. 1954).
[1] Geldner, Andreas, 1997, S. 49
[2] Geldner, Andreas, 1997, S. 49
[3] Haberhauer, Günther, 1999, S. 32
[4] Haberhauer, Günther, 1999, S. 34
[5] Siehe dazu den Bericht „Wimpfener Postgeschichte” in: „Wimpfener Heimat-Bote” Nr. 144 vom 16. 12. 1985
[6] Scheible, Erich, 2009, S. 141 und 142
[7] Entnommen wiederum dem o. a. Bericht „Wimpfener Postgeschichte” in: „Wimpfener Heimat-Bote” Nr. 144 vom 16. 12. 1985
[8] Abhandlung aus unbekannter Hand: Zur Postgeschichte Wimpfens; in: Haberhauer, Günther, 1999, S. 300 und 301
[9] Haberhauer, Günther, 1999, S. 28
[10] Haberhauer, Günther, 1999, S. 546
[11] Abbildung entnommen: Haberhauer, Günther, 1999, S. 435 unten
[12] Entnommen: Wikipedia; Titel: Deutsche Reichspost, Seite 2
[13] Haberhauer, Günther, 1999, S. 101
[14] Ungenannter Verfasser, Hundert Jahre Post in Wimpfen!, in: Wimpfener Zeitung vom 1. Oktober 1938