Zeitperiode VII (1933 – 1951/52)

Weiterbewegung in hessischen Bahnen, doch durch die Zerstörung der Verkehrsverbindungen Ende des Zweiten Weltkrieges über den Neckar von der amerikanischen Besatzungsmacht dem Kreis Sinsheim unterstellt und nach heftiger Missbilligung dieses Aktes durch Gemeindebefragung 7 Jahre später Heilbronn zugeordnet.

Ausführliche Zeittafel

1933 „Beurlaubung“ des Bürgermeisters Erich Sailer; Ersetzung durch Verfügung des Reichsstatthalters Sprenger und die hessische Staatsregierung durch Dr. Ernst Mißler, später kommissarisch durch den Beigeordneten Albert Maisenhälder; Reichsstatthalter Sprenger: Wimpfen liegt nichts abseits, ist eine Perle deutscher Städte und die Nöte werden beseitigt, indem jeder Deutsche Arbeit finden und in der Lage sein wird, die Heilkräfte und Schönheit der Bäder zu genießen.
1933 / 1934 Erscheinen des Deutschland-Bildheftes Nr. 40 „Der Neckar IV (Das untere Neckartal von Heilbronn bis Mannheim) und Nr. 263 mit der prägenden Türmesilhouette unter dem imponierenden Titel „Bad Wimpfen a/N. Die romantische Stadt der Türme“.
1935 Eröffnung der Neckarschifffahrtsstraße zwischen Heilbronn und Mannheim nach abgeschlossener – mehr als ein Dutzend Jahre gegangener – Neckar-Kanalisation mit Staustufen- und Schleusenbau.
1937 Einweihung des am Austritt des Erbachtals in „Olympiamaßen“ erstellten „Sportschwimmbades“ mit 10-Meter-Sprungturm. Beginn der Erstellung der „Heimstättensiedlung“ zwischen der Rappenauer und Hohenstadter Straße, auf den Öläckern der „Saline-Siedlung“ (abgeschlossen 1942). Beginn der in Arbeit der „Volksgemeinschaft“ hinter dem Kurwäldchen am Fuß vom Winterberg zu erstellen gedachten großen Sportplatzes. Erwerb des „Maisenhälderhauses“ und in den Nachjahren dessen durchgreifende Renovierung mit Freilegung des Fachwerks durch die Stadt.
1938 Erstellung einer Tabak-Lufttrockenhalle vor der Einmündung vom Landgrabenweg in die Rappenauer Straße zur Verbesserung der Tabakerzeugung sowie bald darauf einer zweiten solchen. Abgang des katholischen Pfarrers Roßkopf nach Mainz (seit 1914 für Pfarrer Klein, zuvor ab 1899 Benefiziat im Tal). Meisterschaften des Gaues Württemberg-Hohenzollern im Kunst- und Turmspringen im Wimpfener Sportschwimmbad. Einsetzung des Bürgermeisters Parteigenosse Dr. Goebel, zuvor 7 Jahre als solcher im hessischen Reinheim bei Darmstadt, der nach dem geltenden „Führerprinzip“ eigenverantwortlich schalten und walten kann. Regierungsrat Denzer, Heppenheim, bittet in Anwesenheit von Gauleiter Sprenger die Landesregierung um Unterstützung bei der großen zum Ausbau des Kur- und Bäderbetriebs und die Erhaltung der historischen Baudenkmale zu leistenden Aufbauarbeit. Dr. Goebel sieht als Hauptaufgabe die verstärkte Förderung des „Fremdenverkehrs“ in allen seinen Formen, der alle weiteren Probleme unterzuordnen sind und veröffentlicht einen detailierten Plan insbesondere des Straßen- und Wegausbaus und der Idee der Schaffung eines zusammenhängenden Waldstreifens vom Kurwäldchen bis zum Einsiedel. An die Stelle vom Kreis Heppenheim, dem der Bezirk Wimpfen zugeordnet ist, tritt im Zuge einer verwaltungsmäßigen Umstrukturierung der Kreis Bergstraße.
1940 Professor Erich Feyerabend, Berlin/Stuttgart, schafft im Zuge eines Zyklus von Ansichten alter deutscher Städte den trefflichen Holzschnitt „Wimpfen am Neckar“, der in einzigartiger Weise das Stadtbild von Süden her erfasst.
1941 Die modifizierten und erweiterten Planungen werden im zweiten Jahr des Zweiten Weltkriegs nach Prüfung durch die Regierung veröffentlicht: Förderung der Neubautätigkeit zur Schaffung von Wohnraum, Aussiedlung der Landwirtschaft („Erbhöfe“) mit Feldbereinigung und Wegbau, Umwandlung der Bauernanwesen in Wohnungen; Bau von Bauern- und Arbeitersiedlungen, Gemeinschaftshaus, HJ-Heim, Kino, Sportfeld bei der Neckarmühle; Ausweisung eines „Kurviertels“; Ausbau der Kaiserpfalz, Fachwerkfreilegung, Hinausverlegung des Spitalguts.
1945 Zerstörung der Jagstfelder Eisenbahn- und der Neckarbrücke sowie des Viadukts durch Bomben bzw. Sprengung, wodurch der Verkehr Wimpfens mit der rechten Neckarseite des württembergischen Unterlandes extrem behindert wird. November und Dez. 1945: Die amerikanische Besatzungsmacht ordnet den bislang hessischen und in den Kreis Bergstraße (Heppenheim) eingegliederten Bezirk Wimpfen mit der Begründung, dass die Verkehrsverbindung mit den Bereichen rechts des Neckars durch die Zerstörung der beiden Brücken und des Viadukts unterbrochen sei, dem nordbadischen Kreis Sinsheim zu. Town meeting des Public safety officer Leutnant Nelson im Rathaussaal unter großer erregter Bürgerbeteiligung: Beruhigung der ob der Zuordnung zu Sinsheim empörten Gemüter durch dessen Zusicherung, dass die Entscheidung über die Kreis- und Landeszugehörigkeit nach Wiedererlangung der staatlichen Souveränität in die Hände der Wimpfener durch Volksabstimmung gegeben werde.
1950 Pfarrer Peter Roßkopf: „Wie kam Wimpfen zu Hessen?“ (Aufsatz). In der Flut von Presseartikeln, Streitigkeiten, Diskussionen, Klagen, Prozessen über die immer akuter werdende „Anschlussfrage“ meldet das „Neckarecho“ u. a.: Verwaltung durch amerikanisches Diktat in Sinsheim, Gerichtswesen württembergisch praktiziert, Forstamt und Fischerei unter hessischer Direktive, Wasserstraßen- und Finanzamt in Heilbronn, Straßenbauamt in Mosbach, Schornsteinfeger im hessischen Neckarsteinach, staatsrechtlich aber hessisch. „Weltbürger“ Kurt G. W. Ludecke bewirkt, dass der Gemeinderat symbolisch die „Mundialisierung“ Wimpfens erklärt. Dieses glossiert die Presse in vielen Zeitungsberichten, so u. a. der damalige bekannte Rundfunkkommentator Gerhard Hermann Mostar.
1951 24. 04. 1951: Unter den Rednern der vor der nach nunmehr fast 5 ½ Jahre währender Zugehörigkeit zum nordbadischen Landkreis Sinsheim zugestandenen Gemeindebefragung über die künftige Landes- und damit Kreiszugehörigkeit veranstalteten Bürgerversammlung setzt sich der hessische Regierungspräsident Arnoul leidenschaftlich für den Verbleib Wimpfens bei Hessen ein: „Treue um Treue, Wimpfen bleibt hessisch!“ Die Befragung vom 29. April erbringt in Wimpfen in seiner Gesamtheit eine Mehrheit von 57,3 % für Württemberg bzw. Heilbronn, 41,9 % für Hessen bzw. Kreis Bergstraße sowie nur 0,79 % für Baden bzw. Kreis Sinsheim. In (hessisch) Helmhof spricht sich eine knappe Mehrheit von 53 % für die Eingliederung nach Neckarbischofsheim aus und der Gemeinderat entscheidet sich dann mit 7 zu 5 Stimmen für dessen Anschluss nach dort.
1952 01. 05. 1952: Eingliederung von Bad Wimpfen am Berg, im Tal und Hohenstadt in den Landkreis Heilbronn sowie von (hessisch) Helmhof nach Neckarbischofsheim (Letzteres mit der Folge der künftigen Zahlung von Grundsteuer für den Forstwald und die Forstgüter nach dort).
1967 u. ab 1974 Gemeindereform: >WIMPFEN gesehen lediglich als eine „Selbstversorgergemeinde ohne nennenswerte Umlandbedeutung mit Ausstattung einer sogenannten Mittelpunktgemeinde“ mit nur noch 2 (bei früher 3) Teilorten und jetzt insgesamt nicht mehr als 1.938 ha und ca. 6.200 (im Jahr 1871 immerhin 2.773) Einwohnern; demgegenüber jedoch >RAPPENAU gesehen sogar als ein „Unterzentrum mit normaler Umlandfunktion“ mit jetzt 8 (bei früher nur 0)  Teilorten mit insgesamt 7.358 ha und ca. 12.000 (im Jahr 1871 jedoch nur 1.441) Einwohnern.

Die „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten im März 1933 bringt den Unrechtsakt der sog. Beurlaubung des seit nunmehr bald 1 ½ Jahrzehnt erfolgreich tätigen verdienstvollen Bürgermeisters Erich Sailer. Dessen Sessel nimmt nach einer kurzen Interimszeit des Beigeordneten Pfeiffer und später Kieffer für 5 Jahre, ab September 1933 durch Verfügung des hessischen Staatsministeriums und des Reichsstatthalters Sprenger der aus einer hessischen Ministerialabteilung kommende Bürgermeister Dr. Ernst Mißler ein, der vom Heppenheimer Regierungsrat Stieh und Kreisleiter Hillenbrand eingesetzt wird. Zum ersten Male steht Wimpfen damit ein aus Hessen kommender Bürgermeister vor.

In Wimpfen geht in der nationalsozialistischen Zeit die im Vordergrund stehende politische Lenkung durch die tonangebende SA und die nationalsozialistischen Jugendverbände (Jungvolk und Jungmädchen, Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädchen), wenngleich schon vor der Machtübernahme und jetzt noch sehr viel mehr, vom württembergischen Heilbronn unter seinem fanatischen Kreisleiter Richard Drauz aus. Die arbeitsmäßigen Bindungen der Einwohnerschaft nach dorthin nehmen unter dem Abbau der Arbeitslosigkeit weiterhin zu. Unter den staatlichen Gleichschaltungsbestrebungen wird Wimpfen vom Steueramt Beerfelden gelöst und Heilbronn unterstellt. Am 25. Juni 1933 wird der hessische Reichsstatthalter Sprenger auf dem Rathaus, vor dem alle nationalsozialistischen Jugend- und Erwachsenen-Verbände sowie Vereine, Feuerwehren, Schulen aller Teilorte usw. „angetreten“ sind, vom neuen „gleichgeschalteten“ Gemeinderat im Beisein sämtlicher Gemeinde- und Staatsbeamten im Ratssaal empfangen. Dieser verspricht in seiner Rede u. a. sinngemäß: Wimpfen liegt nicht abseits, ist eine Perle deutscher Städte und die Nöte derselben und Wimpfens werde dadurch beseitigt, dass jeder Deutsche Arbeit finden soll und in der Lage sein wird, die Heilkräfte und Schönheit der Bäder zu genießen. 

Von großer diesbezüglicher Werbewirksamkeit erweist sich der Umstand, dass in der Reihe der weit verbreiteten mit erläuterndem Kurztext in drei Sprachen von der Universum-Verlagsgesellschaft Berlin unter dem Motto „Lernt Deutschland kennen! Werbt für Deutschland!“ im Einvernehmen mit dem Bund Deutscher Verkehrsverbände bis 1933/34 über 250 herausgebrachten kleinen Deutschland-Bildhefte unter Nr. 40 „Der Neckar IV. Das untere Neckartal von Heilbronn bis Mannheim“ sowie unter Nr. 263 schließlich auch der allein Wimpfen geltende prägnante Titel „Bad Wimpfen a/N. Die romantische Stadt der Türme“ erscheint. Der eröffnende Text des letztgenannten Heftchens bedient sich folgenden kennzeichnenden Satzes: „Hoch über dem Neckar ragt Wimpfen, die romantische Stadt der Türme, mit ihren unverkennbaren, einzigartigen Silhouette.“ Und diese Charakterisierung wird, wie die

  • Abbildung 66: Titelseite des Deutschland-Bildheftes Nr. 263

zeigt, durch einen von Maria Fitzen-Wohnsiedler geschaffenen markanten Holzschnitt einprägsam unterstrichen. Für Wimpfen Sympathien zu wecken, dazu tragen auch die meisterlichen Fotografien der Seiten 5 – 48 dieses Bildheftchens bei, von denen das der Seite 48 in der Abb. 64 schon gezeigt worden ist. Und als ganz besonders „Fremde“ nach Wimpfen lockende Perlen der in diesen beiden präsentierten Fotografierkunst dieser Zeit seien noch eingebracht in

67 Stadtsilhouette Der Neckar IV

  • Abbildung 67: Bad Wimpfen a. Neckar, Stadtsilhouette am Abend, entnommen S. 13 vom Deutschland-Bildheft Nr. 40 „Der Neckar IV“, und in

68 Salzgasse Deutschland-Bildheft 263

  • Abbildung 68: Blick in die Salzgasse, entnommen S. 14 vom Deutschland-Bildheft Nr. 263.

In der Tat steht nach wie vor die Weiterentwicklung Wimpfens als Bade- und Fremdenstadt obenan. Zwar wollen die aus der Zeit von Bürgermeister Sailer übernommenen rund ½ Million Gemeindeschulden sowie der Umstand, dass das Mathildenbad in den Jahren 1931, 1932 und 1933 Verluste schreiben musste, gar nicht gefallen. Zweifellos jedoch vermögen jetzt die neuen Machthaber aus den in den anderthalb Jahrzehnten des „Volksstaates Hessen“ geschaffenen Grundlagen bestens zu profitieren. Entscheidend Neues auf dem Gebiet des Kur- und Fremdenwesens kommt in den zwölf Jahren des „Dritten Reiches“ nämlich nicht hinzu. In die Zeit von Dr. Mißler fallen folgende wichtigen Ereignisse bzw. Fortschritte:

  • Anfang 1935: Überleitung Wimpfens vom Steueramt Beerfelden/Odenwald nach Heilbronn;
  • 1935: Eröffnung der Neckarschifffahrtsstraße (Neckarkanal) zwischen Heilbronn und Mannheim nach Vollendung der vor über rund einem Dutzend Jahren schon begonnenen Neckarkanalisation, durch welche die Zeit der 57-jährigen Kettenschleppschifffahrt und deren romantisch empfundene Fahrt durch das nun auch beseitigte wellenbewegte Wimpfener Fach und damit auch der sich seit den beginnenden 1920er Jahren in Wimpfen zur Fahrt nach Heidelberg versammelten vielen Faltbootfahrer zu Ende geht;
  • Frühjahr 1937: Die Zeitungsmeldungen über „die Beseitigung aller Exklaven“ und die zwischen den norddeutschen Ländern Preußen einerseits und den Städten bzw. Ländern Lübeck, Hamburg, Mecklenburg, Oldenburg andererseits zum April dieses Jahres durch Gebietsaustausch und Vermögensauseinandersetzung tatsächlich vollzogene Aufhebung derselben, findet in Wimpfen zwar ein gewisses Interesse; doch steht eine solche im südwestdeutschen Raum nicht an. Es erfolgt lediglich im Folgejahr 1938 ohne jedes größere öffentliche Aufsehen sowohl in Hessen als auch in Württemberg eine Neueinteilung des Landes, wobei der für Wimpfen zuständige Kreis Heppenheim umstrukturiert wird und jetzt „Kreis Bergstraße“ heißt und die württembergischen Landkreise Neckarsulm und Brackenheim aufgelöst und der Großteil der diesen zugehörigen Gemeinden dem neu strukturierten Landkreis Heilbronn zusammen mit Orten der aufgehobenen Landkreise Marbach und Besigheim unter Ausgliederung der Stadt (=Stadtkreis) Heilbronn zugeordnet werden.
  • 1937: Beginn der (erst nach dem Zweiten Weltkrieg vollendeten) Arbeit für die Schaffung eines zeitgemäßen Sportplatzes hinter dem Kurwäldchen durch die „Volksgemeinschaft“;
  • 1937 – 1942: Erstellung zwischen der Rappenauer und der Hohenstädter Straße der sog. „Heimstätten-Siedlung“ sowie der von Architekt Josef Vassilière gestalteten „Saline-Siedlung“ auf den „Öläckern“; die letztere ist dargestellt in

  • 69: Die „Saline-Siedlung“ auf den Öläckern.
  • 1937/38: Erstellung von zwei modernen Tabak-Lufttrockenhallen durch die Tabakpflanzerfachschaft mit tatkräftiger Unterstützung des Herrn Schmidt von der Landesbauernschaft Hessen im Winkel des Landgrabenweges und der Rappenauer Straße, um damit einem lang gehegten Wunsche zu entsprechen und zum Zwecke der angestrebtren sog. Autarkie (Unabhängigkeit von ausländischerr Tabakeinfuhr) „die Erzeugung von deutschem Qualitätstabak zu fördern“.
  • 1937 ff.: Wachsendes Florieren des Kurbetriebes und des Fremdenverkehrs im Zuge der Beseitigung der Arbeitslosigkeit, dazu etwa auch durch die Wiederaufnahme des Empfangs von Sonderzügen („Kraft durch Freude“, Betriebsausflüge der „Betriebsgemeinschaften“), des Angebots von „Pauschalkuren“ sowie der Werbung der Kur- und Bäderverwaltung bzw. des Städtischen Verkehrsbüros, wobei man sich des zugkräftigen Werbespots „Bad Wimpfen, die romantische Stadt der Türme, der ideale Ferien- und Erholungsort für Gesunde und Kranke“ bedient. Hierzu die

  • Abbildung 70 und 71: Ausschnitte eines 14-seitigen bebilderten repräsentativen Werbeprospekts des Jahres 1937.
  • 1937: Einweihung des „Sportschwimmbades“ am Austritt des Erbachtales, das nach den Maßen der Schwimmstätten der im Vorjahr in Berlin stattgefundenen Olympischen Spiele erbaut ist und so auch bald einen 10-Meter-Sprungturm bekommt, wo im
  • Sommer 1938 die Meisterschaften des Gaus Württemberg-Hohenzollern im Kunst- und Turmspringen abgehalten werden.
  • 1937 – 1939: Das dem Verfall nahe und unter Putz steckende sog. „Maisenhälderhaus“ (Besitzer: Karl Friedrich Maisenhälder, „Gäulfritz“ genannt, und Ehefrau) vererbt sich an die drei Töchter; der stilvolle Fachwerkbau im nachmittelalterlich-fränkischer Bauweise mit zentralem Erker über dem Kellereingang (Auslucht) wird jetzt von der Stadt Wimpfen erworben und unter Freilegung des Fachwerks und Wiederherstellung des alten Zustandes instandgesetzt. Dieses reiht sich somit in die nunmehr stattliche Zahl der vielen nach und nach schon seit etwa 1900 vom Putz befreiten historischen Fachwerkhäuser der Stadt ein. Wie sehr dadurch der Anblick der Häuserpartie Ecke Schafgasse-Klostergasse gewinnt, das zeigt der Vergleich der nachfolgenden beiden Fotografien:

  • Abbildung 72: Das „Maisenhälderhaus“ Ecke Schafgasse-Klostergasse um ca. 1930 und

  • Abbildung 73: Das „Maisenhälderhaus“ zusammen mit dem Haus Dieruff (Gasthaus „Dominikaner“) nach der Renovierung und Freilegung des Fachwerks der ausgehenden 1930er Jahre.

Auch wird unter der Regie des ehrenamtlichen Stadtarchivars und Oberreallehrers Heinrich Volz die heimatgeschichtliche Sammlung zu erweitern gesucht, wobei die schon in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg im Blick auf den ins Auge gefassten möglichen „Luftkrieg“ durchgeführte „Entrümpelung“ der Dachböden, Schuppen und Scheuern eher mehr Museumsgut zerstört als ans Tageslicht und ins in der Pfalzkapelle untergebrachte Museum (wie vom diesem im Frühjahr 1938 nachgefolgten Stadtarchivar Studienrat Dr. Reinhold Bührlen beklagt) befördern hilft.

Im März 1938 folgt dem vom Reichsstatthalter zu anderen Pflichten gerufenen Dr. Mißler als Bürgermeister, nachdem das Amt zuvor vorübergehend der Beigeordnete Albert Maisenhälder kommissarisch verwaltet hat, der durch Kreisdirektor Nans, Heppenheim, (auf 12 Jahre) eingesetzte Parteigenosse Dr. Heinrich Göbel. Dieser ist zuvor 7 Jahre als solcher in Reinheim bei Darmstadt tätig gewesen. Und somit steht Wimpfen wiederum ein aus Hessen kommender Bürgermeister vor. Nach dessen Einsetzung findet sich Mitte August wieder (privat) Gauleiter Sprenger zusammen mit Regierungsrat Denzer vom Kreisamt Heppenheim ein. Bei einem Stadtrundgang erbittet Denzer die Unterstützung der Landesregierung für die große Aufbauarbeit, die durch den Kur- und Bäderbetrieb sowie die Erhaltung der historischen Baudenkmäler Wimpfens zu leisten sei. Dr. Göbel will durch Sparmaßnahmen erreichen, dass sich der Kurbetrieb selbst trägt. Er stellt (richtigerweise) fest, dass die Bevölkerungszahl in Wimpfen in den letzten 100 Jahren keinen Zuwachs erfahren und Wimpfen mit der Entwicklung anderer Gemeinden nicht Schritt gehalten habe, obgleich der Bau der Hindenburgbrücke, des Kurmittelhauses und des Schwimmbades als fortschrittliche Maßnahmen ihre Würdigung verdienten. Der Hauptaufgabe der Förderung des Fremdenverkehrs in seinen verschiedenen Formen müsse alle weiteren Probleme untergeordnet werden. Dazu stellt er in der Presse im März 1939 in umfangreiches Programm vor.

Dieses im Laufe der nächsten Zeit noch erweiterte und modifizierte diesbezügliche Programm wird denn auch im März 1941 nach Prüfung durch die Regierung, wie die

  • Abbildung 74: Amtliche Bekanntmachung in der „Bad Wimpfener Zeitung“ den „Aufbau der Stadt Bad Wimpfen“ betr. vom 28. März 1941

(eingerahmt mit dickem schwarzem Rand, wie bei einem Trauerrand, so dass man fast eine Symbolik dahinter sehen möchte!) zeigt, vom Gemeinderat in der Sitzung „der Ratsherren im Beisein des Ortsgruppenleiters und des Ortsbauernführers endgültig beraten“, nicht beschlossen; denn jetzt gilt „das Führerprinzip“ und trägt für alle Maßnahmen der Bürgermeister die Verantwortung. Dies geschieht also zu einer Zeit, wo der Zweite Weltkrieg schon seit über 1 1/2 Jahren tobt und im Angriff gegen Jugoslawien und Griechenland das Deutsche Reich Südosteuropa vollends in seine Hand bringt. So stellt diese Planung trügerische Zukunftsmusik dar für die Zeit „nach dem Kriege“, wo, so heißt es, „ein ungeheurer Aufbau einsetzen“ wird.

Nach den Ausführungen von Bürgermeister Dr. Göbel, die am Schluss „stürmischen Beifall“ finden, ist Folgendes vorgesehen:

  • Es soll durch Neubautätigkeit der Wohnungsmangel beseitigt und so das Stagnieren der Einwohnerzahl überwunden werden.
  • Die wegen des in der Altstadt fehlenden Raumes zu einer Ausdehnung auf veralteten Verhältnissen stehen gebliebene Landwirtschaft soll ausgesiedelt werden. Dazu ist ein Aufbauplan aufgestellt worden, der die Durchführung einer Feldbereinigung in allen Markungsteilen mit Zusammenlegung der Felder und Wegebau vorsieht; es werden „Erbhöfe“ gebildet, die mit 6 – 8 Morgen Acker umgeben sind; 15 Anträge auf Bauernsiedlungen sind bereits gestellt; gefördert werden soll bei der Feldbereinigung auch der ausgedehnte Obstbau.
  • Die in der Stadt dadurch frei werdenden Bauernhäuser können für Wohnzwecke Verwendung finden. Außerdem wird Bad Wimpfen zum Wohnsiedlungsgebiet erklärt, wo nach einem besonderen Bebauungsplan Bauern- und Arbeitersiedlungen mit ländlichem Charakter und im Kurviertel Eigenheime erstellt werden.
  • Auch sind Plätze für ein Gemeinschaftshaus, ein HJ-Heim sowie ein Kino bestimmt; als Sportfeld ist das Gelände vor der Saline (alte Neckarmühle usw.) vorgesehen.
  • Auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs wird eine weitere Zunahme an Kurgästen pp. zu verzeichnen sein: Als Kurviertel ist das Gelände vom Mathildenbad bis zum Schwimmbad ausgewiesen.
  • Was den inneren Ausbau der Stadt anbelangt, so ist an den Ausbau der Kaiserpfalz, die Freilegung der Fachwerkhäuser, die Verlegung des Spitalgutes und der Abbruch der Spitalscheuer zur Schaffung des schönsten freien Platzes in Wimpfen gedacht. 

Es soll in manchen Köpfen sogar die Vorstellung umgegangen sein, die Kaiserpfalz zu neuem Ruhme Wimpfens zu einer Art nationalsozialistischer Ordensburg herzurichten.

In den ersten Kriegsjahren ist es der Maler, Radierer, Buchillustrator und vor allem auch herausragende Holzschneider Erich Feyerabend (* 1889 in Rees am Niederrhein; Schüler von Georg Koch und Friedrich Kallmorgen in Berlin; zuletzt stellvertretender Direktor der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart; † 1945 in Bad Friedrichshall-Jagstfeld; begraben in Bad Wimpfen), der in den ersten Kriegsjahren die Veduten vieler alter deutscher Städte, darunter auch von Schwäbisch Hall, Besigheim und Wimpfen am Berg, in meisterlichen Holzschnitten festhält. Dessen 1940 entstandenes und 1941 auf der Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München unter anderen solchen von ihm gezeigtes prächtiges Holzschnitt-Werk von Wimpfen am Berg ist wiedergegeben in

  • Abbildung 75: „Wimpfen a. Neckar“, Holzschnitt von Professor Erich Feyerabend (1940).

Dieses nimmt das Stadtbild in etwa von den „Frankenäckern“ und damit von Süden her ins Bild und greift somit auf die schon ca. 1730 von Johann Christian Leopold vermittelte – keinesfalls weniger beeindruckende Gegensicht zum geläufigeren Aufwärtsblick vom Neckartal her – zurück.

Wenn auch, wie dies auch im und nach dem Ersten Weltkrieg der Fall gewesen ist, die Jahre vor und im Zweiten Weltkrieg dem Kurbetrieb eine Art Hochblüte dadurch bescheren, dass nach Bad Wimpfen mit dem Angebot seiner Spezialkuren gerade die an Emphysem-, Bronchialasthma- und auch Rheuma-Erkrankungen besonders leidenden und in der „Erzeugungsschlacht“ sowie erst recht im Kriege höchst wichtigen „Ruhrkumpels“ der rheinischen Zechen- und Schwerindustrie geschickt werden, so fallen durch den totalen Zusammenbruch des Drittens Reiches des Jahres 1945 die großen Pläne von Bürgermeister Dr. Göbel endgültig wie ein Kartenhaus zusammen.

Über das Wiederwachen des Gedankens der Aufhebung der Exklaveneigenschaft durch die infolge der von der amerikanischen Besatzungsmacht am 26. November 1945 verfügten Eingliederung Wimpfens in den Kreis Sinsheim sowie über die am 29. April 1951 durchgeführte Gemeindebefragung mit der Folge der Übernahme durch den Landkreis Heilbronn zum 1. Mai 1952 ist bereits im Anfangsteil dieser Abhandlung berichtet. Wollte man die zwischen diesen beiden Ereignissen liegenden 6 ½ Jahre der erregten Diskussion um den auslösenden Akt und dessen Folgen, die sich in einer Flut von Presseartikeln, Streitigkeiten bis hin zu Prozessen innerhalb der Bürgerschaft sowie staatsrechtlichen Überlegungen, amtlichen juristischen Gutachten und Feststellungsverfahren, Wahlreden und Wahlkampfauseinandersetzungen, Leserbriefen, Bürgerentschließungen und -versammlungen, amtlichen Verfügungen, Kuriositäten u. v. a. m. manifestiert, so könnte man damit ein dickes Buch füllen. Meine Sammlung hierzu umfasst 1 1/2 Leitzordner!

Dazu nur die kurz gefassten Hinweise auf drei Ereignisse aus dem Bereich der mit der „Anschlussfrage“ verbundenen mannigfachen Kuriositäten, die mich als damaligen aufmerksamen Beobachter der lokalen Geschehnisse ebenso erheitert wie nachdenklich gemacht haben:

  1. Als im Sommer 1950 der nach Wimpfen verschlagene „Weltbürger“ Kurt G. Ludecke angesichts der immer noch heftigst umstrittenen „Anschlussfrage“ und vor allem (eigentlich heute unter den geänderten Verhältnissen immer noch!) ungeklärten staatsrechtlichen Lage die (symbolische) sog. Mundialisierung eifrigst ins Gespräch bringt und schließlich dem Gemeinderat zum Vorschlag macht, da lässt sich dieser gut denkend und gutwillig unter Bürgermeister Dauner zum August 1950 auf eine diesbezügliche Bürgerversammlung im Steinhaussaal ein. Und nach langer Diskussion stimmen 8 der anwesenden 12 Gemeinderäte zu, Wimpfen (symbolisch natürlich) zum Weltterritorium zu erklären. Wie dann die Presse diesen „Schildbürgerstreich“ kommentiert, insbesondere im März 1951 vor der Volksabstimmung der bekannte Rundfunkkommentator Gerhart Herrmann Mostar mit der Schlagzeile „Bad Wimpfen, die Weltbürgerstadt“, das muss einer einschlägigen Betrachtung vorbehalten bleiben.
  1. Bald danach Ende August 1950 berichtet der „Wimpfener Heimat-Bote“ unter der Schlagzeile „Hat ein württemberg-badisches Gesetz in Wimpfen Gültigkeit?“, dass der Vorstand des Wimpfener Vereins für Gewerbe, Handel und Industrie e. V. über den Bund der Steuerzahler richterlich klären lassen will, ob das im Spätherbst des Vorjahres 1949 verkündete Gesetz des Landes Württemberg-Baden über die Beseitigung von Trümmern („Trümmerabgabe“) für im Krieg unzerstört gebliebene Gebäude von 10 Pfennig für je 100 DM Brandversicherung, die an das Landratsamt Sinsheim abgeführt werden müssen, rechtens ist. Nachdem die Wimpfener Gebäude bei der Hessischen Brandversicherungskammer Darmstadt versichert sind und dorthin auch die Brandversicherungsbei-träge bezahlt werden sowie von dort auch die Zuwendungen fließen, sei die Erhebung unstatthaft. Als es vor 2 Jahren um einen Zuschuss für ein Feuerwehrauto gegangen sei, habe sich die Badische Brandversicherung prompt für unzuständig erklärt und die Hessische Brandversicherung den Zuschuss geleistet. „Jetzt beim Holen sollen wir wieder zur Karlsruher Brandversicherung gehören.“
  1. Am September 1950 stellt das Innenministerium des Landes Württemberg-Baden im Blick die vorgesehene Volksbefragung über die Neugliederung der durch die Besatzungsmächte entstandenen Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern folgendes fest: „Bad Wimpfen ist trotz seiner Unterstellung unter die nordbadische Verwaltung bisher hessisches Staatsgebiet geblieben. Eine Änderung seiner staatlichen Zugehörigkeit wäre nach Art. 29 Abs. 7 des Grundgesetzes nur im Wege eines durch ein besonderes Bundesgesetz geregelten Verfahrens möglich; ein solches Bundesgesetz ist aber bisher nicht erlassen worden.“ Somit dürfen die Wimpfener Bürger an dieser Abstimmung nicht teilnehmen. Dennoch kommt es dazu, dass im Folgejahr sich Wimpfen an der Volksabstimmung beteiligen darf, wobei an dieser von den 3.284 Abstimmungsberechtigten 1.621, d. h. ca. 50 %, teilnehmen und 1.599 Ja- gegenüber nur 669 Nein-Stimmen neben 22 ungültigen Stimmen gezählt werden.

Die unter Nr. 2 und 3 dargelegten Fakten und juristischen Widersprüchlichkeiten stellen nur zwei Beispiele des damaligen Gewirrs unterschiedlichster Landes-, Behörden- und Institutions-Zuständigkeiten dar, die von der Stadt Wimpfen und ihren Einwohnern immer wieder angeprangert und von der Presse ebenso gegeißelt wie belächelt werden. Zusammenfassend sind des Weiteren als solche, Bezug nehmend insbesondere auf den oben angesprochenen Zeitungsbericht von Gerhart Hermann Mostar, herauszustellen:

  • Der Landrat sitzt in Sinsheim, Baden.
  • Die geistliche evangelische Oberbehörde sitzt in Erbach, Odenwald, Hessen (weshalb jedes Wimpfener Brautpaar standesamtlich badisch, kirchlich aber hessisch getraut wird).
  • Die katholische Kirche hingegen gehört zum Bistum Mainz.
  • Das Gericht und das Finanzamt sitzen in Heilbronn, Württemberg.
  • Die Schulverwaltung sitzt in Karlsruhe, Baden.
  • Das Arbeitsamt sitzt in Neckarsulm.
  • Das Straßenbauamt sitzt in Mosbach, Baden. (Das Herumklettern in den Arkaden der schönen alten Kaiserpfalz verbietet hingegen das Hoch- und Tiefbauamt Bensheim.)
  • Der Kaminfeger kommt aus dem hessischen Neckarsteinach. (Dieser verlangt zwar nach der badischen Gebühren- und Feuerschutzordnung geringere Gebühren, muss aber dafür sechsmal anstatt viermal im Jahr im Hessischen fegen, so dass das Fegen insgesamt den Wimpfenern teurer kommt, als es nach der hessischen Regelung kosten würde).
  • Das Forstamt und die Fischerei unterstehen hessischer Direktive.
  • „Und der Wimpfener sitzt zwischen diesen sämtlichen Stühlen im luftleeren Raum …“

Da das großes Aufsehen erregende und vor allem auch die Ministerpräsidenten und Justizminister beider betroffenen Länder beschäftigende Urteil des württemberg-badischen Amtsgerichts Heilbronn in Sachen „Bauen eines Kellers ohne Genehmigung der Baubehörde“ vom Dezember 1950 ebenfalls den Standpunkt vertritt, dass das auf Wimpfen angewandte württemberg-badische Gesetz nicht anwendbar sei, weil auf hessischem Staatsgebiet als Landesrecht nur hessisches Recht zur Anwendung kommen könne, ist man jetzt allgemein der Auffassung, dass der Akt der Übernahme durch den Landkreis Sinsheim sowie die ins Auge gefasste Volksabstimmung über eine Zugehörigkeit zu Württemberg-Baden bzw. den Landesteil Nordwürttemberg (Landkreis Heilbronn) oder Nordbaden (Landkreis Sinsheim) nur verwaltungs- und nicht staatsrechtliche Relevanz beinhaltet. Diese Einschätzung teilt denn auch der hessische Ministerpräsident Zinn, der im März 1951 der „Heilbronner Stimme, die „Licht in das Dickicht der gegenwärtigen staatsrechtlichen und verwaltungsmäßigen Situation der Stadt bringen“ will, Folgendes erklärt: „Nach den gesetzlichen Bestimmungen kommt einer Befragung der Bevölkerung von Bad Wimpfen über ihre künftige staatsrechtliche Zugehörigkeit keine rechtliche Bedeutung zu. Doch wird die hessische Regierung, wenn die Mehrheit der Wimpfener Bevölkerung sich für einen Anschluss an den Nachbarkreis Heilbronn aussprechen sollte, diesen Willen respektieren und versuchen, ihn in loyalen Verhandlungen mit der Regierung von Württemberg-Baden in gesetzlicher Form zu verwirklichen.“

Nachdem der Staatsanwalt gegen das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn Revision eingelegt hat, wird Mitte April 1951 vom Oberlandesgericht unter Rückweisung an das Amtsgericht Heilbronn gegenteilig entschieden: Es sei nicht richtig, dass die Angliederung Wimpfens im Dezember 1945 nur rein verwaltungsrechtlich gewesen sei. Das Land Hessen, zu dem Wimpfen bis 1945 gehört habe, bestehe als selbständiges Staatsgebiet nicht mehr; dieses sei im heutigen Großhessen aufgegangen und übe – zumindest auf den entscheidenden Gebieten des staatlichen Lebens – über Wimpfen keine hoheitlichen Befugnisse mehr aus. Doch ändert das an der Auffassung der hessischen Regierung nichts. Im von allen Seiten mit Leidenschaft geführten Wahlkampf zur Gemeindebefragung erklärt der hessische Regierungspräsident Arnoul kategorisch folgendes: „Treue um Treue, Wimpfen bleibt hessisch.“ Insbesondere vom ehemaligen Übergangsbürgermeister der Nachkriegszeit und Gemeinderat Fritz Romig als dem Sprecher der Wimpfener Sozialdemokraten, die ungeachtet des Umstands, dass das „rote“ Land Hessen von der SPD regiert wird, für Heilbronn optieren, wird demgegenüber Folgendes ins Feld geführt: „Auf Gedeih und Verderb sind wir mit diesem Kreise verbunden. Hunderte von Arbeitern und Arbeiterinnen verdienen ihr Brot im Wirtschaftsgebiet Neckarsulm-Heilbronn …  Mich verbinden viele freundschaftliche Bande mit Hessen, mit ganzem Herzen würde ich am kommenden Sonntag mein Votum für Hessen in die Urne legen, vernunftmäßig muss ich aber, nachdem der Artikel 29 des Grundgesetzes in Kraft ist, aus besagten Gründen für Nordwürttemberg, Landkreis Heilbronn, entscheiden und diesem freiwillig das geben, was er vielleicht schon in einem Jahr aufgrund Regierungserlasses zwangsläufig bekommen dürfte.“

Das Votum der Mehrheit der Wimpfener für die Eingliederung in den Landesteil Nord-Württemberg und den Landkreis Heilbronn lässt, wie schon zu Anfang dargestellt, die Hessen-Anhänger unterliegen. Mit der

  • Abbildung 76: Feierliche Übernahme der Stadt Wimpfen am Nachmittag des 5. Mai 1952 anlässlich ihrer Eingliederung in den Landkreis Heilbronn (Zeitungsfoto)

soll der Reigen der veranschaulichenden Darstellungen der stadtgeschichtlichen Geschehnisse und Dokumente geschlossen sein. Dieses zeigt die damals bei strahlenden Sonnenschein auf dem mit den Farben der Stadt und des Landes Baden- Württemberg geschmückten Balkon des Rathauses versammelten Vertreter des übernehmenden Landes (am Rednerpult: Innenminister Ulrich, vorgebeugt mit Spitzbart: Landtagspräsident Keil), der betroffenen Landkreise (vorne: der Heilbronner Landrat Hirsch, Dritter von vorn: der Sinsheimer Landrat Dr. Herrmann) und der Stadt Wimpfen (neben dem Redner: Bürgermeister Dauner) sowie die auf dem Marktplatz einschließlich der Schuljugend versammelte Bevölkerung. Was die Redner anlässlich dieses „kleinen Staatsaktes“ zu sagen wissen, der mit Darbietungen der Stadtkapelle, der Gesangvereine und von Schülerchören umrahmt wird und mit einem Festessen im Mathildenbad ausklingt und bei dem Landrat Hirsch im Namen des Kreistages Heilbronn dem Gemeinderat von Bad Wimpfen ein Gemälde der Stadt zur Ausschmückung des Rathauses überreicht, sei hier in Anlehnung an die Presseberichte in Kurzfassung ausgeführt:

  • Begrüßungsansprache von Bürgermeister Dauner: Dieser würdigt die reiche Geschichte und Bedeutung der Stadt und streift die jüngste Entwicklung derselben, die schließlich bis zu dem historischen Ereignis des Anschlusses an den Kreis Heilbronn geführt hat, in eine bessere Zukunft führen solle und die Verpflichtung in sich berge, diese in ihrer jetzigen Gestalt der Nachwelt zu erhalten. Er schließt mit dem Wunsch, dass nach fünfjährigen „Kämpfen“ nunmehr „Friede“ in ihr einziehen möge.
  • Innenminister Ulrich: Er überbringt die Grüße und Segenswünsche der Landesregierung und spricht die Hoffnung aus, dass Wimpfen, das, zwischen den Ländern Baden und Württemberg gelegen, sein Eigenleben nicht habe entfalten können, nun die psychologische Brücke zwischen diesen beiden vereinigten Ländern werden möge. Er empfinde es als innere Genugtuung, an diesem historischen Tag teilnehmen zu dürfen. Er dankt der hessischen Regierung für das liebevolle Verständnis und die besondere Pflege, die Hessen in den beinahe anderthalb Jahrhunderten der Stadt habe angedeihen lassen; dies sei auch für das neue Bundesland Verpflichtung. Für den Anschluss an den Kreis Heilbronn seien wirtschaftliche, soziale und verkehrspolitische Gründe maßgebend gewesen; die Gefühle der Einzelnen sollten davon unberührt bleiben. Aber ob Badener, Hessen oder Württemberger, es sollte nicht vergessen werden, dass alle Deutsche seien. Der Stadt selbst sei in der geplanten kommunalen Selbstverwaltungsordnung des neuen südwestdeutschen Bundeslandes genügend Eigenleben gesichert. Mit einem herzlichen Händeschütteln mit Bürgermeister Dauner, das zugleich der gesamten Bevölkerung gelten soll, übernimmt der Innenminister die Stadt und übergibt diese gleichzeitig mit guten Wünschen in die Pflege des Landkreises Heilbronn.
  • Landrat Dr. Herrmann: Er entlasse die Stadt Bad Wimpfen aus dem Landkreis Sinsheim nicht ohne eine gewisse Resignation und könne das Gefühl des Bedauerns darüber, dass die Verhältnisse stärker waren, zwar nicht unterdrücken, doch empfinde er Befriedigung darüber, dass nun endlich eine Entscheidung herbeigeführt sei. Die jetzige Entwicklung habe für sich, dass sie aus der Entscheidung der Bevölkerung geboren worden sei und damit kein obrigkeitlicher Verwaltungsakt vollzogen werde.
  • Landrat Hirsch: Dieser kommt auf die Volksabstimmung vorigen Jahres vom 27. April zurück und bemerkt, dass ein großer Unterschied zwischen heute und früher bestehe. Das Volk habe diesmal selbst über sein Schicksal entschieden. Er werde deshalb Bad Wimpfen nicht als Vollzieher der Obrigkeit, sondern als Vollstrecker des überwiegenden Teils der Bevölkerung in seine Obhut nehmen. Bad Wimpfen werde nicht die 99. Gemeinde des Landkreises Heilbronn sein. Vertrauen müsste gegen Vertrauen gesetzt werden. Der Kreis wüsste dieses Kleinod in der Reihe der deutschen Städte wohl zu schätzen. Ein Geschenk verpflichte und die Verwaltung des Kreises Heilbronn erblicke diese Verpflichtung darin, dass sie den Fremdenverkehr und Bäderbetrieb fördere. So habe der Kreistag für das laufende Haushaltsjahr ein Betrag von 20.000 DM für die Instandsetzung der Landstraße 2. Ordnung eingesetzt; außerdem bestünde die berechtigte Hoffnung, dass zur Zeit schwebende Verhandlungen mit dem Innenministerium über die Zuteilung von Mitteln für das soziale Wohnungsbauprogramm zu einem befriedigenden Abschluss gebracht werden könnten. Ab 17. Mai werde eine Hauptzweigstelle der Kreissparkasse Heilbronn in Wimpfen eingerichtet, da die Bezirkssparkasse Heppenheim bereits die Aufhebung ihrer bisherigen Zweigstelle angekündigt habe. Er richtet an den Innenminister die Bitte, dass auch vom Land ein Übriges getan werde, um die beiden für Wimpfen wichtigen Brücken, die Straßen- und die Eisenbahnbrücke, in diesem Jahr zu vollenden. Dieser Wunsch sei berechtigt, da Wimpfen in demokratischer Weise ein Drittel seiner Gemeindemarkung aufgegeben habe. In der nun anhebenden Gemeinschaft gebe es keine Unterschiede zwischen den Württembergern, Badenern oder Hessen; denn die Brücken über den Neckar sollten auch in den Herzen bestehen. Er wünscht weiterhin gute nachbarliche Beziehungen zum Landkreis Sinsheim.

Wie der damals 81-jährige eingeschworene führende „Kopf der Pro-Hessen-Bewegung“ Friedrich Feyerabend die nunmehrige Zugehörigkeit seiner geliebten Heimatstadt zum Landkreis Heilbronn sowie zum neu gebildeten Bundesland Baden-Württemberg verarbeitet hat, nämlich mit dem ihm eigenen Humor, das lässt sein damals entstandenes Mundart-Gedicht „Die Akklimatisatio’“ spüren:

Die Akklimatisatio’

– Familie Schnabel, Er und Sie –
Er, ein geborener Schwabe,
Sie, eine geborene Wimpfenerin
(Wimpfener Heimatsprache, unterbrochen durch Schwäbisch)

Wass mä’ nedd alläs muss ä’läwä,
Seid mä’ bei dennä Schwoowä senn’.
Än aldä Brauch sou uffzuhewä,
Dass mä’ sich selwä’ nimmi kennt.

Måi Aldä’ kummt zuä’ Diä’ hait råi
Un secht graad raus: „Grüeß Gott!“
Ih guck äm scharf in d’ Aauchä nåi,
Hab werklich g’månt „Ää’ hot!“

Jetzt secht ää’ zu mä’: „Woisch au schoo,
Dass d’jetzt Frau Schnäbele hoischt?
D’r Schnabel isch zu grauß, sei froh,
Isch kloiner, dass d’s noo woischt!“

Ih saach: „Du hosch schåint’s z’viel gedrun/gä,
Ih zwaif’l arich, wass d’schwätsch’.“
Un hawwäm ä’nschtlich zugeblun/gä
Mit såim saudummä G’wäsch:

„Mä’ schwätzt, wie åm dä’ Schnaww’l steht!“
Druff kummt ää’ graad un schrait:
„Von he|it ab isch’s grad omgedreht,
Gibt’s Spätzle älle Zeit!

On  S c h d u a g e r t  isch die Residenz,
Muaß sich d’r Lehrer merke,
Der dabbede Dokter Schnokabenz,
Sonscht kriegt er jetzt viel Ärger.

Der schwätzt jå bloß vom Odewald,
D’r Bergstråß on von Hessa.
D’r Schwarzwald, der isch au et kalt,
Des send doch bloß Finessa.

Bei der Eisebah’ muaß s’anderscht werda,
Wart noo, i fonk schoo nai!
‚E Billetle wenscht dees guade Herrle?’
So muaß die Aa’red sai.

E neie Landkart muaß jetzt her,
Mer muaß sich oriendiera,
Wo’s isch, dees grauße Schwäbisch Meer,
On etta bloß nåch Darmstadt stiera.

D’r Aschberg isch d’r högschde Berg,
Des müasset älle wissa.
Du gucksch? Sei doch edd überzwerg
D’r Franz wird’s besser wissa.

Die G’schäftsleit’ will i noo erwähne,
Die Schilder müasset weg.
Die müasset sich endlich draa’ g’wehne,
S’hat älles sein guade Zweck.

‚Herr Schäufele, Herr Sausele,
Herr Schnauferle, Herr Brausele,
Herr Dieterle, Herr Häfele,
Herr Hofele, Herr Gäbele.’

’s wird älles omgedauft, jå, jå,
Du brauchscht et so zu gucka!
E volle Akklimatisatio’
Då isch et dra zu rucka.

Die Speiskart fängt mit Spätzle aa
Un hört mit Spätzle ouf,
Und saure Kuddle komma draa,
jå, bass no orndlich ouf!

Beim Wai’, då gibt’s jå gar koi Fråg,
Derf’s Schwoobawai’ bloss sai.
Dann hot mer endlich amål hoch,
Nå seng’sch noo oobadrai:

‚D’r Staufaberg, d’r Schmeckerle,
D’r Käsberg, o Verreckerle,
D’r Brüssele, d’r Schnoiter,
Dess send die Wegbereiter.

Goht’s kromm, goht’s schief, dees macht nix ous,
Graadaus muaß s’Ziel nå sai’,
So kommet mer an onser Hous,
A Hoch, dem Schwobawai’!

D’r G’sangverae’, deem isch’s schoo g’sait,
Muaß Lieder ei’schdudiera,
Rein Schwäbisch, voller Luscht on Fraed,
On’s Maul guat modelliera:

‚Jetzt gang i ans Brünnele,
On Maidle, Maidle ruck, ruck, ruck,
Trutz net so, du Simbele,
Mer moind, du wärsch e Gluck.’

Und gååscht amol ouf’s Rådhous nouf,
Nå saisch ‚Grüaß Gottle!’ au;
Der Bürgermoischter wart’ scho’ drouf,
S’wird älles besser gau.

A jede Feschtlichkeit em Rahme
Fängt d’Ouverdüre a
Mit: ‚Auf d’r schwäb’sche Eisebahne’
Im stark Fortissima.

Am Wäeg die Markstoi müasset hoißa,
Links, rechts von Schduagert weg,
On älle müässet dåhi weisa!“ ——
I denk, o weh mit Schreck:

Måin Aldä’ setzt sich ån dä Disch,
Fengt å zu schnawelierä;
Zum Glick noch haw i’ hait kå Fisch,
Ä’ dut noch prodeschdierä:

Ih kenn noch net recht Spätzlin machä,
Sie wäärä als zu grouß,
Sou ånä’ kummt måi’m Månn in Rachä,
Ää’ wårrigst und zaww’lt blouß.

Ää’ isch äm in die falschi Gurch’l,
I haau äm uff dä’ Buck’l nåi;
Ä’ wä’d gånz bloo, und des Gemurch’l,
Hab aa måi Fraid noch owwädråi.

Jetzt fliecht dä’ Spatz ån d’ Schaiwä nå,
Die kriecht än groußä Schbrung.
Still, fä’tich isch måi gudä’ Må’,
Akklimatisie’t im Schwung.

AUSBLICK:

Anmerkung:

Dieser Ausblick erfolgt in gedrängter Fassung, die vor allem deshalb keine Vollständigkeit anstreben kann, weil dieser Teil über den gewählten Zeitrahmen hinausgreift. Wer dazu Weiteres erfahren will, der spüre der Thematik in Günther Haberhauer, „Wimpfener Zeitungsgeschicht(e(n) … eine Chronik – ein Lesebuch – ein Bilderbuch“ ab Seite 354 (1952 ff.) nach und lese vor allem auch auf den Seiten 649 – 652 (1. Mai 1992) die Grußworte des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Erwin Teufel und die lange damalige Ansprache des ehemaligen Bürgermeisters, später Landrat in Heilbronn, Klaus Czernuska zur Feierstunde anlässlich des 40. Jahrestages der Zugehörigkeit Bad Wimpfens zum Landkreis Heilbronn nach! Und dann ist da noch der 2005 erstellte fundierte 9-seitige Jubiläums-Aufsatz von Joachim Jänsch „Bad Wimpfen im Kreis Bergstraße? 60 Jahre getrennt von Hessen“, in dem die über die gesamte Zeitperiode der Jahre 1945 – 2005 hinweg schwelende ungelöste Frage der staatsrechtlichen Zugehörigkeit Wimpfens auf der Basis der ergiebigen Aktenlage des Landkreises Bergstraße (Heppenheim) verfolgt wird. Es steht zu hoffen, dass dieser in absehbarer Zeit vielleicht durch die Veröffentlichung in der Reihe „Regia Wimpina“ zugänglich sein wird.

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Nach geschehener Abstimmung und vollzogener Eingliederung in den Landkreis Heilbronn mit Wirkung vom 1. Mai 1952 meldet das hessische Kabinett umgehend bei der Regierung des inzwischen neu gebildeten Landes Baden-Württemberg folgenden Protest an: Es akzeptiere nicht, dass diese die hessische Exklave Bad Wimpfen als zum Gebiet des bisherigen Landes Württemberg-Baden gehörig betrachte. Das Land Hessen besitze in Bad Wimpfen Finanzvermögen (gemeint: die Staatsäcker, die Stiftskirche, den Wormser Hof, das ehemalige Amtsgerichtsgefängnis u. a. m.) und werde einer Übergabe der Exklave nicht vor einer Regelung der Entschädigungsfrage zustimmen. Außerdem unterliege die Grenzänderung den Bestimmungen des Artikels 29 des Grundgesetzes. Wenn die baden-württembergische Regierung darauf bestehen sollte, Bad Wimpfen in ihr Gebiet einzugliedern, werde Hessen das Bundesverfassungsgericht anrufen.

Und 6 Jahre danach, im Dezember 1958, weist Dr. Lommel, der Landrat des Kreises Bergstraße (früher Heppenheim), unter Berufung auf diesbezügliche Feststellungen der baden-württembergischen Behörden im Zusammenhang mit dem in Wimpfen inzwischen begonnenen Flurbereinigungsverfahren darauf hin, dass Bad Wimpfen immer noch hessisches Staatsgebiet sei. Im Falle dabei anstehender Korrekturen der Gemarkungsgrenze müsse zunächst die Landesgrenze zwischen Baden-Württemberg und Hessen geändert werden, und dies könne nur durch Bundesgesetz geregelt werden. Auch gelte nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes von Baden-Württemberg in Bad Wimpfen immer noch hessisches Landesrecht.

Während die erstgenannte Feststellung der staatsrechtlichen Zugehörigkeit im Fortgang unwidersprochen bleibt, wird die Anerkenntnis der Gültigkeit baden-württembergischer Rechtssprechung für Wimpfen durch die folgende Rechtsauseinandersetzung bestätigt: Da nach § 83 Abs. 4 der am 1. April 1956 in Kraft tretenden baden-württembergischen Gemeindeordnung in Gemeinden über 3.000 Einwohnern das Recht der Teilnahme am Ortsbürgernutzen in der Weise ausläuft, dass Neuzugänge nicht mehr erfolgen dürfen und deshalb vom Bürgermeisteramt Wimpfen der Antrag eines Wimpfeners um Aufnahme in das Ortsbürgerverzeichnis als Voraussetzung für einen späteren Empfang der als „altverbrieft“ und auf „ewig“ gültig betrachteten Bürgerholzgabe abgelehnt wird, beschreitet der Betroffene den Rechtsweg mit der Begründung, dass die Frage der staatsrechtlichen Zugehörigkeit Wimpfens noch nicht geregelt sei und daher hessisches Recht angewandt werden müsse. Es wird 1959 jedoch die Verwaltungsbeschwerde des Betroffenen durch das Landratsamt Heilbronn wie auch dessen Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit der Begründung abgelehnt, dass nach der Angliederung von Bad Wimpfen der Übergang der Gesetzgebungshoheit auf Baden-Württemberg ein tatsächlich bestehender Zustand sei. Somit läuft die Darreichung der durch die Schenkung des Forstwaldes des Jahres 1223 durch König Heinrich VII. an seine „treuen Wimpfener Bürger“ bewirkten und stets ebenso heiß erstrebten wie verteidigten sog. Bürgerholzgabe in der Weise aus, dass die Anwendung der Lokalstatuten des Jahres 1863 entfällt und frei werdende Lose nicht mehr den Bürgern zugunsten der Gemeinde zufallen. 

Die in Frage gestellte staatsrechtliche Zugehörigkeit Wimpfens zu Baden-Württemberg dürfte, nachdem nunmehr seit dem Übergang zum Landkreis Heilbronn mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen ist und inzwischen im Frühjahr 2004 (im Gedenken des 150. Jahres des Übergangs Wimpfens an Hessen sowie gleichzeitig des 50. Jahres der Überleitung in den Landkreis Heilbronn im Jahre 1952) das baden-württembergische und hessische Kabinett unter Leitung der Ministerpräsidenten Erwin Teufel und Roland Koch ihr Jahrestreffen in Bad Wimpfen abgehalten haben, immer noch offen sein. Bei dieser Begegnung auf Wimpfener Boden war zu spüren, dass die Mitglieder der beiden Kabinette andere, schwerere Sorgen als Wimpfens formaljuristisch immer noch ungeklärte Situation drücken, zumal Hessen sich inzwischen seiner gesamten Wimpfener Besitztümer entledigt hat: So sind nach und nach der Wormser Hof, die Pfalzkapelle und das ehemalige Amtsgerichtsgefängnis in das Eigentum der Stadt, der Stiftskirchenkomplex in das Eigentum des Benediktinerklosters Wimpfen-Grüssau übernommen worden; und auch die 73 ha hessischen Grundbesitzes sind im Zuge der Flurbereinigung mit der geplanten Aussiedlung der Bauernhöfe bereits 1957 an die Württembergische Landsiedlung verkauft worden.

Im Hinblick auf dieses bevorstehende Doppel-Jubiläum, dessen in nicht mehr als schlichter Weise mit einem Vortrag von Professor Dr. Klaus-Peter Schroeder, Heidelberg, gedacht worden ist, hat der Journalist Wieland Schmied die Frage der Staatszugehörigkeit Wimpfens beim baden-württembergischen Innenministerium sondiert und in der Stuttgarter Zeitung vom 30. 4. 2002 einen Bericht unter der folgenden Schlagzeile gegeben: „Mitten im Unterland steckt ein Stückchen Hessen. Die alte Stauferstadt Bad Wimpfen ist auch in den vergangenen 50 Jahren ein staatsrechtliches Kuriosum geblieben“. Und dieser ist die folgende glossierende Erklärung angefügt: „Das Land Baden-Württemberg feiert fröhlich seinen 50. Geburtstag. Aber es gibt auch Bürger, die eigentlich gar nicht mitfeiern dürften: Spitzfindig betrachtet leben die Wimpfener nämlich noch immer auf hessischem Staatsgebiet.“

Was die diesbezügliche Einschätzung durch das Stuttgarter Innenministerium anbelangt, so ist diese am Schluss des vorgenannten Berichts wie folgt wiedergegeben: „Im Jahre 1958 beispielsweise musste der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim darüber brüten, ob bei Enteignungen in Bad Wimpfen hessisches oder baden-württembergisches Recht anzuwenden sei. Die Richter entschieden sich für Letzteres. Aber 1966 zuckten sie hilflos die Achseln, als die Frage aufgeworfen wurde, ob mit dem Verwaltungsakt der US-Militärregierung auch das hessische Staatsgebiet Bad Wimpfen an Baden übergangen sei. ‚Das ist bis heute eine offene Frage’, sagt Konrad von Rotberg, Chef der Abteilung für Verfassungs- und Kommunalrecht im Innenministerium. 1960 hat das Landesparlament zwar ein ‚Bad-Wimpfen-Gesetz’ verabschiedet und damit das Landesrecht in den betroffenen Kreisen Heilbronn, Sinsheim und Mosbach vereinheitlicht. Aber einen Staatsvertrag halten weder die Rechtsexperten in Stuttgart noch in Wiesbaden für nötig. ‚Hessen hat in Wimpfen kein Eigentum mehr’, verteidigt der Kommunalrechtler von Rotberg diesen juristischen Schwebezustand. ‚So lange ein ungeklärter Zustand keine Auswirkungen hat, kann man es dabei belassen.’“

Um abschließend meine unmaßgebliche Meinung dazu zu äußern: Es dürfte für die tangierten beiden Bundesländer wie auch für Wimpfen selbst wohl realistisch und deshalb gut und richtig sein, an diesem Zustand auch weiterhin nicht rühren zu wollen.