Zeitperiode III (1832 – 1847)

Entwicklung eines Planes der Emporführung zum Bade- und Fremdenort und Realisierung desselben durch Schaffung des Mathildenbades sowie Durchführung weitreichender Reformen durch Hessen

Ausführliche Zeittafel

1832 Erhebung des Landratsbezirks Wimpfen-Kürnbach zum Kreisamtsbezirk unter Leitung des aus Darmstadt gekommenen Kreisrats Ludwig Friedrich Hallwachs, des an die Stelle des verstorbenen Franz Joseph Weyland getretenen Landrichters Friedrich Heinrich Leopold Eigenbrodt und des Steuerrezeptors Heinrich Beecke, der sein Amt des Landrats verliert.
1833 Erklärung der Durchgangsstraße von der Untereisesheimer zur Rappenauer Grenze zur Provinzialstraße mit der Zahlung entsprechender Beiträge in die Provinzialkasse nach über Jahre gehenden Gegenpetitionen
1834 Verkauf der romanisch-gotischen Pfalzkapelle, bestes Zeugnis der Königspfalz-Geschichte, an einen Privaten
1835 Aufhebung der Torsperre durch das hessische Innenministerium als Beginn der endgültigen (1839 abgeschlossenen) Entfestigung mit dem Verlust der 3 Haupttore und der meisten Mauer- und Zwingertürme sowie der Wehrgänge. Die Schulden sind seit 1802/03 von 150.000 fl durch Sparsamkeit und besseres Wirtschaften auf 25.000 fl gesunken.
1836 Dienstantritt nach dem Tod von Kreisrat Hallwachs durch den bis 1848 amtierenden Kreisrat Ferdinand Franz Joseph Freiherr von Stein zu Lausnitz. Eröffnung des von Maurer- und Salinenwerkmeister Friedrich Riedling errichteten „Wimpfener Soolenbades“. Ernennung von Gemeinderat Friedrich Riedling zum Bürgermeister durch die Staatsregierung, obgleich Friedrich Reichardt die Wahl gewinnt. Landgerichtsaktuar Friedrich Heid: „Geschichte der Stadt Wimpfen“ mit Darlegung der behördlichen Entwicklungsplanung. Entfernung der langen Dachkandeln und Hauserker, Verputzung der Fachwerkhäuser in den Hauptstraßen per Anweisung des rigid-dirigistischen neuen Kreisrates Ferdinand Joseph Freiherr von Stein, außerdem fortlaufend Ge- und Verbote desselben zur Entfernung bzw. Abdeckung der Misten und Jauchegruben, Frei- und Sauberhaltung der Gassen und Plätze von Schutt, Holz, Wägen, Federvieh sowie zur Geordnetheit, Ruhe sowie Verbesserung der Wege u. v. a. m.
1837 Überführung des „Wimpfener Soolenbades“ in eine Aktiengesellschaft von 24 hauptsächlich hohen Staatsbeamten der Residenz Darmstadt, Aktionären der Saline, örtlichen passiven und aktiven Gemeinde- und Kreisbeamten. Zerstörung der historischen Struktur der Pfalzkapelle durch Umbau zu zwei Bauernanwesen mit Wohnungen, Scheuer, Stall.
1838 Zur Beseitigung der „drückenden Ungleichheit“ soll wieder jeder Bürger 1 Klafter Scheit- und 200 Büschel Reisholz erhalten, was aus Holzmangel (wegen der Einführung der Hochwaldwirtschaft) zur Notwendigkeit der Zahlung teilweisen Geldersatzes zwingt. Das „Wimpfener Soolenbad“ erhält den Namen „Mathildenbad“ zu Ehren der hessischen Erbgroßherzogin. Erwerbung der Klausur des ehemaligen Dominikanerklosters durch die Stadt für den Umbau zu Schulräumen und Lehrerwohnungen. Gründung einer städtischen Hospital-Spar- und Leihkasse durch Initiative von Landrichter Eigenbrodt zum Schutz vor Wucher. Gründung einer Poststelle mit regelmäßigem Kutschverkehr Richtung Heilbronn, Heidelberg und Mosbach. Anfänge des von Blautürmer und Stadtmusikus Christian Heuerling gegründeten „Singvereins“.
1839 Fertigstellung des beim Roten Turm an der Stadtmauer in klassizistischem Stil errichteten Bezirksgefängnisses. Beginn der Bebauung (der 1843 vollendeten) „Neuen Stadtanlage“ rechts vor dem abgerissenen Speyrer Tor. Rettung der abzureißen gedachten Cornelienkirche durch Spendenaufrufe des jungen Pfarrverwalters Zimmermann.
1840 Bezug des neuen Rathauses am Platz des abgebrochenen alten Fachwerk-Rathauses von 1562 mit oben Kreisrats-Amtswohnung und großem angeblich 600 Bürger fassendem Bürgerversammlungs-, Rats- und gleichzeitig Landgerichtssaal. Beginn der Unterbringung aller Schulen im Kloster mit Einrichtung einer Elementar- und einer Industrieschule. Besuch von Erbgroßherzog Ludwig (ab 1848: Großherzog Ludwig III.) sowie bald danach von Erbgroßherzogin Mathilde. Beginn der Vermessung der Parzellen durch hessische Geometer und Schaffung von die Lagerbücher von 1817/20 ablösenden Grundbüchern sowie eines maßstabgenauen Parzellenbrouillon-Kartenwerks.
1842 Wegen seiner behörden- und mathildenbadfreundlichen Amtsführung wird Friedrich Riedling als Bürgermeister abgelöst durch Buchbinder Christian Bischoff. Riedling  gründet die „Heilbronner Leinwandbleiche“ durch Verlegung derselben nach Wimpfen in die Erbach.  Beginn der Ablösung der staatlichen, städtischen und großteils sonstigen Grundrenten durch Abkauf in zu verzinsenden Raten. Eröffnung der Räderdampfbootschifffahrt auf dem unteren Neckar; Landungsbrücke unterhalb des Mathildenbades.
1846 Abermalige „Stadterweiterung“ durch Ausbau und rechtsseitige Weiterbebauung der „Klostergasse“ = spätere „Schulstraße“. Gründung eines „Turnvereins“ durch Friedrich Riedling, der am Allgemeinen Deutschen Turnfest in Heilbronn teilnimmt. Nach vorausgegangenen Misserntejahren epidemisches Einsetzen der „Kartoffelfäule“ und damit Beginn neuer Not- und Teurungszeit.
1847 ff. Viele „hässliche Auftritte“ und „große allgemeine Unzufriedenheit“ wegen der infolge der hessischen Reformmaßnahmen auf das Dreifache gestiegenen jährlichen Ausgaben (1833: 20.000 fl, 1843: 62.000 fl) sowie der durch die Explosion der Armenunterstützungen auch verdreifachten Schulden (1844: 61.000 fl), auch der laufend vom Kreisamt geforderten Erhöhung der Umlagen (1847: rund 4.500 fl gegenüber früher 1.200 fl) sowie der durch die Hochwaldwirtschaft von den staatlichen Forstbehörden eingeschränkten Holzhiebmengen.
      Die Zeitperiode III beginnt mit der 1832 verfügten Erhebung des Landratsbezirks Wimpfen-Kürnbach zum Kreisbezirk, dem statt früher 2 nun 3 hessische Beamte vorstehen, nämlich der rührige und besonders tüchtige Kreisrat Ludwig Friedrich Hallwachs, nach dem damals erfolgten Tod des Landrichters Weyland der Landrichter Friedrich Heinrich Leopold Eigenbrodt sowie der jetzt vom Amt des Landrates enthobene Steuerrezeptor Heinrich Beecke. Der zuvor über ein Jahrzehnt lang im Bezirk Darmstadt als Landrat tätig gewesene und damit auch erfahrene Kreisrat Hallwachs schätzt mit kritischem analysierenden Blick zusammen etwa auch mit Hofrat Majer
  • die „Moralität“ und
  • den Bildungs- und Gesundheitszustand der Einwohnerschaft,
  • die Ordnung und Sauberkeit in den Gassen und auf den Plätzen als tiefstehend,
  • den Ort als Hort des Aberglaubens,
  • die Jugend als vielfach durch Erziehungsmängel „verwahrlost“ ein.

Und die hessische Kreis- und Regierungsbehörde sieht sich dadurch veranlasst, eine Art Programm der Hinführung ihrer Exklave Wimpfen in eine bessere Zukunft zu entwickeln. Dieses stellt Landgerichtsaktuar Friedrich Heid in seinem 1836 auf eigene Kosten herausgebrachten Werk (der ersten Stadtgeschichte Wimpfens) „Die Geschichte der Stadt Wimpfen“ heraus und umfasst die folgenden Zielpunkte:

  • als Zentralpunkt die Schaffung einer Badeanstalt im Hinblick auf die Vorzüge Wimpfens (Sole, Landschaft, Kunstdenkmäler, Geschichte),
  • die Gründung einer Sparkasse sowie
  • einer mit einer Arbeitsanstalt verbundenen Armenpflege,
  • eines neuen Rathauses,
  • eines neuen Schulhauses,
  • eines verbesserten Verbindungsweges zum Forst; außerdem soll
  • die Hebung der Religion und guten Sitten angestrebt werden; auch wird
  • der Schleifung der die Stadt einengenden und verfinsternden Mauern und Türme (Entfestigung) das Wort geredet.

Um sich ein Bild vom ernstlichen zielgerichteten Wollen der Behörden machen zu können, sei

  • Abbildung 13: Der letzte Abschnitt von „Die Geschichte der Stadt Wimpfen“ von Amtsgerichtsaktuar J. Heid (1836)

wiedergegeben, in dem die Hauptpunkte des hessischen Entwicklungsprogrammes zusammengefasst sind. Wenn Heid hier feststellt, dass der Stadt „bedeutende pecuniäre Mittel zu Gebote sind“ und an anderer Stelle meint, dass Wimpfen keine arme Stadt mehr und in der Lage sei, diese Zielsetzungen zu erreichen, so hat er insofern recht, als die Schulden der Stadt sich durch Sparsamkeit und gute Verwaltung in den nunmehr stark 3 Jahrzehnten hessischer Zeit kolossal von rund 150.000 fl im Jahr 1802/03 auf rd. 25.000 fl im Jahr 1835 vermindert haben.

Bei der Umschau nach einem für die Einrichtung einer Badeanstalt geeigneten Mann findet sich der unternehmungsfreudige Maurermeister, Gemeinderat und Salinenwerkmeister Friedrich Riedling, der am höchsten Punkt der Stadt an der bereits 1820 aufgebrochenen Stadtmauer über dem Haag nahe der Stadtkirche das im Frühjahr 1836 eröffnete „Wimpfener Soolenbad“ errichtet. Durch dieses beginnt für Wimpfen der Aufbruch in die neue Zeit des Bade- und Fremdenortes. Diese schrittmachende Einrichtung hat uns glücklicherweise der begabte taubstumme Lithograf und Schöpfer vieler Ansichten von malerischen Plätzen des Neckar-Unterlandes der Biedermeierzeit Fritz Wolff aus Heilbronn (1807 – 1850) in seinem in der

  • Abbildung 14: „Soolbad Wimpfen“

wiedergebenen Blatt des Jahres 1836 überliefert. Es führt uns das oben auf der Terrasse des Bades und in dessen Anlagen am Haag sowie auf den lauschigen Spazierwegen an dessen Hang und unten auf dem Neckar beim Badehäuschen sowie auch auf dem Fluss in Form von Bootsfahrten damals in Wimpfen eingekehrte bunte Badeleben vor Augen, außerdem das genau so wie die Landschaft als reizvoll empfundene althergebrachte Tun der Schiffsreiter und Flößer. Dieses lässt uns aber auch spüren, wie einschneidend sich durch den Bau der vielgliedrigen langgestreckten „Bad-Anstalt“ die grandiose historische Stadtsilhouette an ihrer Westflanke verändert hat.

Widerstände und Bedenken bezüglich der behördlich ins Auge gefassten Entfestigung werden durch die mit Wirkung vom 1. 4. 1835 vom hessischen Innenministerium kurzerhand verfügte Aufhebung der Torsperre überspielt. Der beim Gemeinderat und bei der Bürgerschaft vorhandenen ablehnenden Haltung und den Skrupeln sucht Kreisrat Hallwachs mit der folgenden amtlichen Stellungnahme zu begegnen:

„… Es ist wahrhaft lächerlich, dass hier die Tore und besondere Torwärter auf Kosten der Stadt unterhalten werden, da solche keinen Heller eintragen, und jeder, der mit dem Geist der Zeit voranschreitet, einsehen wird, dass hier nur finstere Vorurteile obwalten können. Neben bedeutender Kostenersparnis wird die Stadt bei der Kassierung der Tore ein freundlicheres Aussehen, Licht und Luft gewinnen, die Erweiterung der Stadt durch Neubauten wird weniger Anstand unterliegen und durch Entfernung der Tore weiter bezweckt werden, dass die so sehr mangelnden Scheuern vor den Toren aufgeführt und dadurch neben Abwendung von Feuersgefahr noch manche Übelstände beseitigt werden. Auch wird die Übernahme der Straße von der Rappenauer bis zur Untereisesheimer Grenze von Seiten des Staats weniger Anstand finden, wenn die Tore und mit ihnen die gehässige Torsperre beseitigt werden, wie dies in allen unseren kleinen Landstädten, durch welche eine Staatsstraße ziehet, geschehen ist. So gut diese und noch größere Städte ohne Tore bestehen können, wird es auch in Wimpfen der Fall sein und der etwaige Einwurf nächtlicher Unsicherheit durch polizeiliche Maßregeln wie anderen Orten entfernt werden können.“

Dadurch ist der die Stadt umgebende mittelalterliche Bering (Stadtbefestigung) endgültig überflüssig und wird die 1835/36 begonnene Entfestigung eingeleitet, die 1839 als so gut wie abgeschlossen gelten kann. Wie der Vergleich des in der

  • Abbildung 15: „Stadtbefestigung von Wimpfen am Berg um 1820 auf der Basis des unmaßstäblichen Stadtplans von 1696“ (Anmerkung: Die Pfeilführung zwischen „Judenturm” und „Nonnentürmchen” bedeutet, dass hier eine Verwechslung vorliegt, d. h. die Namen gegenseitig ausgetauscht werden müssen.)

dargestellten ungefähren damaligen Zustandes derselben mit deren heute noch vorhandenen Resten erkennen lässt, geht Wimpfen, nachdem bereits 1827 der „Siehdichfür“ (Zwingerturm über dem westlichen Feuersee) wegen Einsturzgefahr abgerissen worden ist, jetzt folgender Teile seiner Stadtbefestigung verlustig:

  • aller drei inneren Stadttore: Oberes (Speyrer) Tor mit Turm, Mittleres (Heilbronner) Tor mit dem bis auf den Durchgang dezimierten Bierturm, Unteres Tor;
  • des oberen Layertores;
  • der Mehrzahl der Mauertürme: Schergenturm, Säuturm, Nonnentürmchen, Judenturm, Predigerturm, Katharinentürmchen, Schützenturm;
  • des letzten noch vorhandenen Zwingerturms: Storchstürmchen;
  • des nördlichen der 3 Halbrondelltürmchen (Schalentürme) vor dem Speyrer Tor;
  • sämtlicher offenen Wehrgänge der Stadtmauer und
  • weiter Partien der Stadtmauer, die nunmehr vielfach an Höhe mehr oder minder vermindert bzw. auf der Westseite am langen Schiedgraben völlig beseitigt wird.

Verschont bleiben lediglich:

  • die drei Türme der ehemaligen Königspfalz im Burgviertel: Blauer Turm, Roter Turm, Schwibbogenturm;
  • von den Vortoren und -türmen: das untere Layertor mit seitlichem Rondellturm;
  • von den Stadtmauertürmen: das in den Wimpfener Solbadbau integrierte (1951 leider dem Neubau des Mathildenbades zum Opfer gefallene) Schneckentürmchen und das Nürnberger Türmchen;
  • das Bollwerk mit Seitentürmchen;
  • die zwei Schalentürmchen vor dem ehemaligen Speyrer Tor.

Die aus späterer Sicht durch die Entfestigung erfolgte schwere Beschädigung des mittelalterlichen Antlitzes der Stadt relativiert sich insofern, als manche Türme (siehe die im Plan mit „R“ bezeichneten) sowie gewisse Bereiche des Wehrgangs und der Stadtmauer selbst höchst ruinös und im Laufe der vorausgegangenen Jahrzehnte wegen Einsturzgefährung, wie z. B. der Bierturm und der Schützenturm nach dem großen Brand des Jahres 1788, bereits teildezimiert gewesen sind, so dass 1830 im Gemeinderat die folgende – sicherlich zutreffende – Klage geführt wird: „Ein großer Teil unserer Stadtmauer vor allem an der Schied, am Feuersee und gegen das Ochsenloch geben das Bild einer erst vor kurzem im Sturm eroberten Stadt.“ Überdies dürfte eine Wiederherstellung schon aus finanziellen Gründen in Anbetracht des hohen Grades des Zerfalls und der Zerstörung damals gar nicht mehr leistbar gewesen sein.

Dass hinter dem „Wimpfener Soolenbad“, das spätestens 1838 zu Ehren der hessischen Erbgoßherzogin den Namen „Mathildenbad“ erhält, außer der Saline Ludwigshalle AG vornehmlich aktive und auch pensionierte hohe und höchste hessische Beamte der Justiz, der Verwaltung und des Gesundheitwesens der Residenzstadt Darmstadt und auch Wimpfens stehen, das zeigt der Kaufvertrag, nach dem Friedrich Riedling 1837 zum Kaufpreis von 24.000 fl die Badeanlage an eine Gesellschaft von zwei Dutzend Aktionären verkauft. Diese sind:

  • Geheimer Rat Schenk zu Darmstadt,
  • Oberfinanzrat Schenk daselbst,
  • Oberappellationsgerichtsrat Hesse daselbst,
  • Geheimer Rat Kekule daselbst,
  • Medizinalrat Dr. Hut daselbst,
  • Medizinalrat Dr. Stegmaier daselbst,
  • Medizinalrat Dr. Leidhecker daselbst,
  • Hofgerichtsadvokat Volhardt daselbst,
  • Hofgerichtspräsident Minigerode daselbst,
  • Ministerialrat Hallwachs daselbst,
  • Gräfin von Waldner Freudenstein zu Mannheim,
  • Hofrat Majer zu Wimpfen,
  • Ratsschreiber Speidel von Neckarsulm,
  • Verwaltung der Saline Ludwigshalle dahier,
  • Salineadminstrator Graeser dahier,
  • Kreisrat Freiherr von Stein dahier,
  • Salinekassier Breuning dahier,
  • Gewesener Bürgermeister Christian Langer dahier,
  • Kreisratsaktuar Voerg dahier,
  • Salinesekretär Sell dahier,
  • Großherzogl. Physikatsrat Dr. Walter von hier,
  • Königlich Württemb. Hauptmann N. Hofmann zu Neckarsulm,
  • Kaufmann I. M. Beringer von Heilbronn.

Unter diesen befindet sich u. a. auch der tatkräftige 37-jährige Kreisrat Ferdinand Joseph Freiherr von Stein zu Lausnitz, der nach dem unerwarteten Tod von Kreisrat Hallwachs 1836 das Wimpfen-Kürnbacher Kreisamt übernommen hat und mit ebenso zielgerichteter wie energischer, dirigistischer Hand die von seinem Vorgänger übernommene Entwicklung Wimpfens zum Bade- und Fremdenort weiterführt und die meisten Planziele (außer der wegen der Skepsis und des Widerstands des Gemeinderats nicht zustande gekommenen Arbeitsanstalt sowie dem Ausbau der Forststraße) in weniger als einem Jahrzehnt realisiert.

Dies geschieht in engster Zusammenarbeit und Abstimmung mit Friedrich Riedling, der sich 1836 zusammen mit dem seit 1831 amtierenden Bürgermeister und Rosenwirt Friedrich Reichardt zur Wahl als Bürgermeister stellt, diese zwar mit 322 zu 96 Stimmen verliert, jedoch von der Staatsregierung unter Anwendung ihres Auswahlrechts wider das Votum der Bürgerschaft zum Bürgermeister ernannt wird und ab 1837 für 6 Jahre amtiert. Dies geschieht in solch enger gleichgerichteter Abstimmung mit dem neuen Kreisrat Freiherr von Stein, dass dieser Zeitraum des Zusammenwirkens ins Bewusstsein der Zeitgenossen wie der Epigonen als die Ära „Stein und Riedling“ eingeht.

Nicht nur dass das Bad, wenngleich die Pächter öfters wechseln, bald „in gutem Flor“ steht und es in der Residenz Darmstadt vor allem Mode wird und „zum guten Ton gehört“, dieses im Sommer zu besuchen, und dies auch 1840 in kurzem Abstand zunächst Erbgroßherzog Ludwig und dann Erbgroßherzogin Mathilde, die Namengeberin, allerdings nur durch Kurzbesuche, tun. Sondern das Bad erringt gegenüber den auf der Grundlage ihrer Salinen entstandenen anderen Solbädern der Dreiländerecke Offenau, Rappenau und Jagstfeld nicht zuletzt durch seine exzellente Lage und wegen des von vielen namhaften Reiseschriftstellen (z. B. Gustav Schwab) in dieser Zeit des Spätbiedermeier aufkommenden Neckar-Tourismus’ viel gepriesenen mittelalterlichen Flairs der Stadt die Spitzenposition. Z. B. kommt dies darin zum Ausdruck, dass Bierbrauer Karl Stein (Sohn des früheren Wimpfener Rechtskonsulenten Stein) aus Siegelsbach das Mathildenbad im Titel seines Neckarführers des Jahres 1843 ganz besonders herausstellt: „Der Neckar von Heilbronn bis Heidelberg mit besonderer Rücksicht auf Wimpfen und die übrigen Soolbäder Jagstfeld und Offenau“.

Was dann nach einer über Jahrzehnte gegangenen Stagnation des Neubauwesens in wenigen Jahren an Neu- sowie Umbauten außer dem Mathildenbad (auch zur Schaffung fehlender Arbeit) in dieser Ära entsteht und den Einzug einer neuen Zeit in die Mauern Wimpfens signalisiert, das kann hier nur stichwortartig (teilweise wiederholend) aufgezählt werden:

  • 1838-1843: Die „Neue Stadtanlage“ rechts vor dem Speyrer Tor mit Erschließung durch die (spätere so genannte) Feuerseestraße;
  • 1838/39: das Bezirksgefängnis beim Roten Turm;
  • 1838/39: das neue Rathaus mit Amtswohnung des Kreisrats und großem Gemeinde- und gleichzeitig Landgerichtssaal;
  • ab 1840: Umbau der von der Landesherrschaft erworbenen Klausur des ehem. Dominikanerklosters zur Gewinnung von Schulsälen für die Unterbringung aller räumlich völlig unzureichend ausgestatteten vorhandenen Schulen, so der Evangelischen (deutschen) Schule, der Katholischen (deutschen) Schule und der Lateinschule, der (zur dringend notwendigen Trennung der jüngeren von den älteren Schülern jetzt neu eingerichteten) sog. Elementarschule sowie der nunmehr geschaffenen sog. Industrieschule für die Unterrichtung der Mädchen in Haus- und Handarbeit, außerdem zur Einrichtung von Lehrerwohnungen;
  • 1846/47: die zum Zwinger und Graben an der Schied hin erfolgte „Stadterweiterung“ rechterhand der im Streckenbereich der dort abgebrochenen Stadt- und Zwingermauer geschaffenen „Klostergasse“ (der späteren „Schulstraße“).

Als Negativa wegen der Vernichtung wertvoller historischer Bausubstanz sind über die Entfestigung hinaus anzuführen:

  • 1837/38: der Abriss des alten Fachwerk-Rathauses des Jahres 1562 mit seiner doppelten und z. T. überdachten Freitreppe;
  • 1834 bzw.1837: die Veräußerung der Pfalzkapelle durch die Stadt an einen Privaten und der durch diesen unter weitgehender Zerstörung ihres romanisch-gotischen Äußeren und Inneren erfolgte Umbau zu zwei Bauernanwesen mit Wohnung, Stall und Scheuer;
  • ab ca. 1837: die von Kreisrat Freiherr von Stein zur Verdeckung ihres Alters und aus feuerpolizeilichen Gründen verfügte Anbringung von „Putz und Bewurf“ an den Fachwerkhäusern sowie die Entfernung der „Vorsprünge“ (gemeint: der historischen alemannischen und fränkischen Hauserker) in der Langen Straße (der späteren Hauptstraße);
  • von den ebenfalls zu entfernenden überlangen in die Lange Straße hineinragenden und den Spott der Fremden herausfordernden Dachkandeln weniger zu reden.

Auf der anderen Seite vollziehen sich aber auch bauliche Positiva, so:

  • 1839: Rettung der zerfallenden unbenutzten und ursprünglich für den Abriss und Verwendung als Baumaterial für das Rathaus vorgesehenen Cornelienkirche durch das Eintreten (insbesondere Aufruf für Spenden) des jungen evangelischen Pfarrverwalters Zimmermann;
  • 1840: Um ein Haar wäre der kreisrätliche Befehl realisiert worden, sogar den durch den Bau des Bezirksgefängnisses seines Zweckes verlustig gehenden „Staufersturm“ (Schwibbogenturm) abzureißen, wenn sich der Gefängnisbau nicht verzögert und die Stadt nach dem Rückkauf des Turmes einen Interessenten für den „Kauf auf Abriss“ hätte finden können;
  • 1837/38 oder auch schon etwas früher: die Freilegung der zugemauerten und nicht mehr ausmachbaren Kaiserpfalz-Arkaden auf Veranlassung von Bürgermeister Friedrich Riedling.

Als die wesentlichsten Neuerungen des Verkehrs-, des Armen-, des Zeitungswesens, der Kulturpflege, des Landbaus etc. sind zusammenfassend anzuführen:

  • 1837: die Schaffung eines eigenen „Wochenblatts für Wimpfen und Umgebung und die umliegenden Orte“, das allerdings nach einem halben Jahr wegen zu geringer Abonnentenzahl wieder eingeht, so dass man auf die frühere Lösung der Bekanntgabe der kreis- und gemeindeamtlichen Bekanntmachungen im Heilbronner Amts- und Intelligenzblatt zurückkehrt;
  • 1837/38 ff.: die schrittweise Verbesserung des Vizinalstraßennetzes;
  • 1838: die Gründung eines „Singvereins“ durch den (auf Empfehlung des Erbgroßherzogs eingestellten ehemaligen „Großherzoglichen Hautboisten I. Klasse und Hofchoristen“ aus Darmstadt) Blautürmer und Stadtmusikus Christoph L. Heuerling;
  • 1838: die Einrichtung der Post mit regelmäßigem Postkutschenverkehr Richtung Heilbronn, Heidelberg und Mosbach, bis 1851 geleitet von Postexpeditor Wilhelm Käuffelin, dann bis 1862 von Postverwalter Heinrich Fuldner, bis 1863 von Philipp Graulich, bis 1887 von Wilhelm Schmehl;
  • 1838: die Gründung einer Hospital-Spar- und Leihkasse zur Förderung des Sparens und vor allem auch des Schutzes der Wenigbemittelten vor Wucher;
  • 1839 – 1842: der einer Provinzialstraße gerecht werdende Ausbau der von der Untereisheimer zur Rappenauer Grenze führenden Hauptverbindungsstraße durch Verbreiterung und Neuchaussierung auf Staatskosten (Neupflasterung des durch Wimpfen am Berg führenden Abschnitts etwas später);
  • 1840: Einführung einer ersten bescheidenen auf die Hauptverkehrspunkte beschränkten Straßenbeleuchtung mittels Öllampen;
  • 1840 – 1844: die Neuvermessung der Parzellen durch den hessischen Geometer Philipp Zaubitz und Schaffung neuer sog. Grundbücher;
  • vor und nach 1840: die Anpflanzung von Schatten spendenden Bäumen an vielen Straßen, Wegen und auf Plätzen;
  • 1842: der Bau einer Landungsbrücke unterhalb des Mathildenbades als Anlegemöglichkeit für die in diesem Jahr auf dem Neckar zwischen Heilbronn und Heidelberg/Mannheim eröffnete regelmäßige Räderdampfboot-Schifffahrt, wobei die Stadt Wimpfen von der Betreibergesellschaft angebotene Aktien zeichnet;
  • 1842 – 1844 ff.: die Ablösung der staatlichen sowie dieser folgenden kommunalen und kirchlichen sowie anderen Natural- und Geldgrundrenten durch Abkauf in mit Zinsen von 4 – 6 % belasteten Raten als Grundvoraussetzung für eine freiere Bewirtschaftung des Bodens mit der Lösung vom herrschenden Flurzwang und der einengenden (verbesserten) Dreifelder(wechsel)wirtschaft;
  • 1845 oder 1846: Gründung eines „Turnvereins“, der an dem großen „Allgemeinen Deutschen Turnfest“ des Jahres 1846 in Heilbronn teilnimmt, durch Friedrich Riedling;
  • 1846: die Ausstattung der bislang nur per Ruder hin- und herbewegten „Fahrnähe“ (Kahnfähre) unter dem Eulenberg mit einem Kettenwerk sowie deren Vergrößerung zur Verbesserung des Verkehrs zwischen beiden Ufern.

Das veränderte Gesicht der Stadt nach der Teilentfestigung der 2. Hälfte der 1830er Jahre sowie nach Schaffung der Vorstadt im Nordwesten vor dem einstigen Speyrer Tor in den beginnenden 1840er Jahren sowie die in Planung befindliche Teilbebauung des Schiedgrabens gibt die

  • Abbildung 16: Wimpfen am Berg. Erster maßstäblicher Stadtplan nach den Parzellenbrouillons von 1840 – 43/44 (Verkleinerte Darstellung im Maßstab 1 : 3 000 – Grundstücks- und Gebäudebestand des nördlichen Abschnitts des Schiedgrabens, lediglich den damaligen Planungsstand darstellend)

wieder, wo die verschont gebliebenen Teile der Stadt- und Burgbefestigung schwarz herausgehoben sind.

Was über die dem Votum der Bürger hohnsprechende Einsetzung von Friedrich Riedling als Bürgermeister sowie den Zwang der Verputzung der Fachwerkhäuser und Erker-Beseitigung in der hinteren und vorderen Langgasse hinaus insbesondere den mit Ackerbau und Viehzucht befassten Einwohnern missfällt und diese immer wieder enorm verärgert, das ist die Kette kreisamtlicher und vom Bürgermeister unterstützter Verfügungen, die nie abreißen, hauptsächlich in Verbote und Gebote gekleidet, mit Strafandrohungen und -maßnahmen verbunden sind und die als „Publikandum“ über Büttel und Aushang am Rathaus bekannt gemacht werden. Diese dienen in den Augen der Bevölkerung vornehmlich den Interessen des Mathildenbades und der Wimpfen nunmehr wachsend bevölkernden „Fremden“ und beziehen sich hauptsächlich auf die Problembereiche der Sauberhaltung, der Ordnung, der Ruhe, der freien ungestörten Passage, der Sicherheit in den Straßen und Gassen der Stadt und umfassen vor allem:

  • Die Entfernung oder zumindest die Schließung der Dung- und Jauchegruben sowie das Verbot ihrer Leerung und der Abführung von Dung und Jauche untertags;
  • die Freihaltung der Gassen und Plätze von Unrat, Schutt, Bauernwägen und anderen landwirtschaftlichen Gerätschaften sowie sperrigen Dingen wie Holz u. a. m.;
  • das regelmäßige Säubern und Freihalten der Gassen von Schnee und Eis;
  • das Verbot des freien Umherlaufenlassens von Federvieh, Hunden, Vieh und Pferden zum Tränken an die Brunnen, des übermäßigen Peitschenknallens, des nächtlichen Lärmens, des Unfugs und Lärmens auf den Wegen und in den Anlagen des Bads, des Steine- und Schneeballwerfens;
  • die Heranziehung der Grundstückseigentümer zur Herstellung von Spazierwegen;
  • die kostenträchtige Bepflanzung der Wege mit Schatten spendenden Bäumen;
  • des unregistrierten Beherbergens von Fremden in Wirtschaften und u. v. a. m.

Auf Missfallen und auch Konkurrenzneid stößt das Mathildenbad auch bei den Wimpfener „Gastgebern“ (Wirten, die Möglichkeiten der Übernachtung bieten), darunter insbesondere solchen mit in den 1830er Jahren geschaffenen größerem Saal für Gastlichkeiten, so dem Ritterwirt Schlegel und dem vom Bürgermeisteramt relegierten Rosenwirt Reichardt. Nur so ist es zu verstehen, dass bei der 1842 anstehenden Bürgermeisterwahl Friedrich Riedling, der weiterhin unternehmungsfreudig in der Erbach eine großartige Bleichanstalt in der Nachfolge der als „Heilbronner Bleichanstalt“ berühmten dortigen Blaeß’schen Bleiche eingerichtet hat, nicht mehr zum Zug kommt und durch den Buchbinder Christian Bischoff abgelöst wird.

Doch scheint dies dem jungen Bad, gestützt insbesondere durch die im Jahr 1842 eröffnete Neckardampfschifffahrt, noch keinen großen Abbruch zu tun, zumal der Dampfbootverkehr für ein Jahrzehnt die noch fehlende Eisenbahnverbindung zwischen Stuttgart/Ludwigsburg und Heidelberg/Mannheim über das 1848 zudem an die Bahn angeschlossene Heilbronn ersetzt und den in dieser Zeit des aufkommenden burgen-, geschichts- und reiseschwärmerischen Tourismus der Spätbiedermeierzeit vom bereits „entdeckten“ Heidelberg her in das untere bis mittlere Neckartal schlagartig mächtig befördern hilft. Hierzu sei aus der Flut der jetzt entstehenden und sich hauptsächlich der neuen bildnerischen Techniken der Lithografie und des Stahlstichs bedienenden Darstellungen der Wimpfener Stadtsilhouette, die wachsend viele Bewunderer findet, wiederum eine solche von Fritz Wolff herausgegriffen:

  • Abbildung 17: Wimpfen am Berg mit dem Mathildenbad und auf dem Neckar anlegendem Räderdampfschiff im Vorder- sowie der Saline und Wimpfen im Tal im Hintergrund (frühestens 1842).

Ein Rückgang des Zuspruches von Gästen bahnt sich für das Mathildenbad 1845/46 jedoch mit dem Einbruch der schlimmen Kartoffelkrankheit (Kartoffelknollenfäule) und auch sonstigen neuerlichen Misserntejahren an, wodurch wiederum eine schwere allgemeine wirtschaftliche Depression mit allen schon geschilderten Begleiterscheinungen eintritt und in Wimpfen im Jahr 1847 „große allgemeine Unzufriedenheit“ herrscht und sich „hässliche Auftritte“ im Gemeinderat ereignen. Die Hauptursachen: Die Schulden der Stadt sind nicht nur durch die nunmehr wieder explodierenden Armenlasten, sondern auch durch die hessischen Reformmaßnahmen auf das Dreifache (1833: 20.000 fl – 1843: 62.000 fl) vor dem Beginn derselben gestiegen. Und zum Ausgleich fordert das Kreisamt nunmehr mit 4.500 fl fast das Vierfache der zuvor üblich und immer verhasst gewesenen 1.200 fl jährlichen „Ausschläge“ (von den Bürgern zu leistende Umlagen), währenddem die hessischen Forstbehörden sich gegenüber dem dauernden Drängen der Räte auf Extrafällungen in den Waldungen als Äquivalent für die finanziellen besonderen Anforderungen sowie die Befriedigung der vielfach aus Holzmangel mit Geld abgefundenen „Losholzberechtigten“ fast immer unnachgiebig zeigen.

Wir kommen nunmehr zur Zeitperiode IV: