Spuren der hessischen Zeitperiode von 1802/03 – 1951/52 in Wimpfen

Bad Wimpfen preist sich im Internet als Anziehungspunkt doppelter Art, als „Romantischer Ferienort“ und gleichzeitig als „Modernes Heilbad“. Somit stellt dieses eine der seltenen Kleinstädte dar, denen ein Doppelgesicht mit Doppelfunktion zu eigen ist:

  • Zum einen werden von dieser in der Hauptreisezeit vor allem Touristen und sonstige Ausflügler wegen seiner vielen Kunstdenkmäler und seines mittelalterlichen Flairs angezogen, von den im Jahreslauf veranstalteten viel besuchten traditionellen Wimpfener Veranstaltungen und Festen wie der „Fassänacht“, dem Zunftmarkt, dem Talmarkt sowie dem Weihnachtsmarkt u. a. m. hier nicht zu reden.
  • Zum anderen finden in dieser aber auch Kranke und Kurbedürftige Heilung und Erholung. (Nebenbei: Über die Arbeit des neuen klinischen Reha-Zentrums / SRH Gesundheitszentrums hört man bis jetzt nur Gutes bis Bestes.)

Damit stehen wir bereits mitten im Thema. Denn die Hinentwicklung zum heutigen Bade- und Fremdenverkehrsort hat sich in diesen 150 Jahren der „hessischen Exklavenzeit“ vollzogen. Und eben jener jungen Geschichtsepoche, die von den betroffenen Zeitgenossen im Wechsel der Geschehnisse und Einstellungen einmal ebenso düster beklagt wie ein andermal überschwänglich gelobt worden ist, verdankt Wimpfen die nachfolgend aufgeführten vier „Impulsgebungen“ bzw. Phasen der Hinentwicklung zu dieser heutigen Doppel-Klassifizierung:

  1. 1819, d. h. im Zeitraum, da Wimpfen Bestandteil des Großherzogtums Hessen innerhalb des Deutschen Bundes gewesen ist, wurde der Grundstein für das Werden zum Badeort durch die Inbetriebnahme der Saline Ludwigshall(e) gelegt, welche die dafür notwendige Sole lieferte (siehe die Zeittafel der Zeitperiode II !).
  1. 1832 wurde von hessischen Amtsträgern die Idee der Gründung eines Solebades geboren und diese auch auf Initiative derselben durch das von Salinewerkmeister Friedrich Riedling eingerichtete und 1836 eröffnete „Wimpfener Soolenbad“ (später: „Mathildenbad“) realisiert (siehe die Zeittafel der Zeitperiode III !).
  1. Ab ca. 1895, d. h. in der Zeit, da das Großherzogtum und Wimpfener „Mutterland“ Hessen Bestandteil des Deutschen Kaiserreiches gewesen ist, hat dann der mit der Entwicklung zum Badeort immer mehr oder minder verknüpfte Gedanke des Touristenorts mächtig dadurch Auftrieb bekommen, dass unter dem Großherzog Ernst Ludwig eine gezielte starke Obsorge für die Erforschung und Erhaltung der historischen Kunstdenkmäler Wimpfens eingetreten und Wimpfen zum viel gelobten und gern besuchten „hessischen Rothenburg“ oder „Neckar-Rothenburg“ geworden ist (siehe die Zeittafel der Zeitperiode V !).
  1. 1930 in der Ägide des hessischen demokratischen Volksstaates schließlich erfolgte unter dem ersten Berufsbürgermeister Erich Sailer die Eröffnung des „Kurmittelhauses“ auf dem Allezberg und damit die Zuerkennung des Prädikats „Bad“ Wimpfen durch die hessische Regierung, nachdem im Jahrzehnt davor die Wimpfener Gastronomie sich weitgehend auf wachsenden Fremdenverkehr eingestellt und somit die beschriebene Doppelfunktion Wimpfens allgemein Fuß gefasst hatte (siehe die Zeittafel der Zeitperiode VI !).

Somit könnte beim Lesen dieser Abhandlung der Eindruck entstehen, dass deren Thema eher „Die Entwicklung Wimpfens zum Bade- und Fremdenverkehrsort“ lautet, ein Umstand, der sich auch dem aufdrängt, der meinen nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1958 im Wimpfener Heimatboten als Folge unter diesem Titel veröffentlichten Aufsatz liest, den man umgekehrt fast auch mit der Überschrift dieser Abhandlung versehen könnte.

Es liegt in Anbetracht der Dominanz der vor allem in das Mittelalter weisenden Baudenkmäler Wimpfens auf der Hand, dass die in der Minderzahl befindlichen und weniger augenfälligen Bauzeugen dieser hessischen Exklavenzeit bei den Besuchern Wimpfens weniger Interesse finden und auch bei Stadtführungen sehr viel geringer oder z. T. gar nicht zur Geltung kommen können. Denn es ist vor allem die einmalige mittelalterliche Altstadtsilhouette von Wimpfen am Berg, die schon den Ankommenden fasziniert, ob er dieser vom Neckartal her oder (sehr viel seltener) von den Öläckern bzw., seitdem das Evangelische Gemeindehaus besteht, von den einstigen Frankenäckern her begegnet.

Und die Nummer Eins bei den Besuchern und auch bei den Führungen durch die Stadt ist das sog. Burgviertel mit den Resten ihrer staufischen Königspfalz. In Wimpfen im Tal wendet sich das Interesse der Besucher erstlinig oder meist ausschließlich der ehemaligen Stifts- bzw. Benediktiner-Klosterkirche Wimpfen-Grüssau zu. Dort erschließt sich diesen im Rahmen einer Führung vornehmlich die Geschichte der Christianisierung des unteren Neckarraumes und wird ihnen über die Bedeutung dieses Kirchenbaus für den Einzug der Kathedralgotik Frankreichs im südwestdeutschen Raum berichtet. Außerdem hören sie dort etwas über die noch im Namen der Cornelienkirche sich manifestierende große römerzeitliche Vergangenheit Wimpfens als Kastell-, Vicus- und Brückenort sowie Straßenkreuzungspunkt.

Machen wir jetzt einleitend im Geiste rasch eine fiktive Stadtführung und halten wir dabei einzig und allein die noch an die hessische Zeit erinnernden Bauzeugen einschließlich der gern übersehenen Sinn- und Namenszeugen dieser Geschichtsperiode fest.

Dieser soll als Einordnungs- und Orientierungshilfe eine sog. Reduzierte Zeittafel vorangestellt werden, in der in knapper Form die wesentlichen Punkte der Entwicklung Wimpfens in diesem Zeitraum unter Hervorkehrung der auf Hessen gerichteten Fakten herausgestellt werden: