Zeitperiode IV (1848 – 1870)

Rückschlage für die Reformen Hessens durch die Revolutionsereignisse und Rückzug auf die weitere Intensivierung der von der großen fruchtbaren Gemarkung her sich bietenden Grundgegebenheiten des Ackerbaus und der Viehzucht.

Ausführliche Zeittafel

1848 Ein Großbrand in der Nacht vom 11. zum 12. Januar im Nordwestbereich des Burgviertels vernichtet 11 Wohnhäuser, 5 Scheuern sowie den barocken Dachaufbau und die Innenstruktur des Blauen Turms (Wiederaufbau erst 1851/52). Praktischer Arzt Dr. Heinrich Walter: Das Mathildenbad in Wimpfen am Neckar. Auseinandersetzungen der Stadt mit dem Mathildenbad zur Verlegung der Schiffsanlände lauerwärts zugunsten des Ritterwirts. Stadt- und Hospitaleinnehmer Friedrich Vörg wird Opfer der Volkswut und zum Rücktritt gezwungen. Kreisrat Freiherr von Stein sieht sich im Zuge der Revolutionsereignisse veranlasst, von Wimpfen zu scheiden. Der Bezirk Wimpfen wird im Zuge einer Umstrukturierung der Verwaltungsbehörden der von Dr. Peter Camesasca geleiteten Regierungskommission Erbach unterstellt.
1849 Badische und württembergische Radikale versuchen im Juli vergebens, durch die Vereinigung badischer Freischarenverbände mit württembergischen Volks- und Turnerwehren in Wimpfen von dort die badische Mairevolution nach Württemberg zu tragen.
1849/50 Friedrich Riedling, der Protagonist des Mathildenbades und frühere Bürgermeister und jetzt Betreiber der Bleichanstalt in der Erbach, entweicht schuldenhalber nach Amerika.
1851 Die Regierung erlässt, nachdem 1848 die Domänenverwaltung den Abbruch des „nutzlosen“ Kreuzgangs beantragt hat, das Verbot, diesen zu demolieren, da er die Stiftskirche gegen Fluten und Eis des Neckars schütze.
1852 Die Neuordnung der hessischen Regierungs- und Verwaltungsbehörden lässt den selbstständigen Kreisbezirk Wimpfen trotz des Votums des Gemeinderats für den Anschluss an den Kreis Heppenheim/Bergstraße bestehen (Kreisrat Dr. Friedrich Gustav Spamer). Schwerer Rückschlag für die Pläne der Hinentwicklung zum Bade- und Fremdenort durch den Verkauf des Mathildenbads durch die vorwiegend hessischen Aktionäre an Karl Friedrich Häberlen für nur 14.500 fl.
1854 Aufsehen erregende Großaktion der Expedierung von 162 Ortsarmen und Unterstützungsempfängern nach Nordamerika (nach New York und insbesondere nach New Orleans) unter Bürgermeister Dietrich Barth auf Gemeindekosten
1855 Weiterverkauf des Mathildenbades für 12.000 fl an den früheren Pächter Gastwirt Anton Müller aus Heidelberg, der dieses allmählich wieder zu Ansehen und zur Steigerung seines inneren Wertes bringt.
1855 Großherzoglicher Physikatsrat Dr. Karl Weigand: Beschreibung des Mathildenbades zu Wimpfen am Neckar
1856 Abhaltung eines großen landwirtschaftlichen Festes mit Preispflügen und Viehprämierung zur Förderung der Landwirtschaft
1857 Beginn der Renovierung des immer wieder nur notdürftig da und dort teilsanierten Stiftskirchenkomplexes
1857 Die großherzogliche Anordnung der Führung von Ortschroniken durch die Geistlichen beider Konfessionen ruft eine wichtige zusätzliche Geschichtsquelle ins Leben.
1860 ff Stetige Konsolidierung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse insbesondere auch durch die Einführung der landwirtschaftlichen Sonderkulturen des Tabak- und Zuckerrübenanbaus
1863 Dauerhafte Lösung der in hessischer Zeit durch Einschränkung des Holzhiebkontingents im Zuge der Hochwaldwirtschaft sowie die gestiegene Zahl der Bürger immer wieder mit dem Fiskus heftig umstrittenen Losholzfrage durch die abermalige Einschränkung der Zahl der Losholzberechtigten auf 475
1864 Im September hält sich der große Maler von Szenen der kleinstädtisch-spätbiedermeierlichen Idylle Carl Spitzweg in Wimpfen auf.
1865 Die Veröffentlichung der volkskundlichen Charakterskizze von Wilhelm Heinrich Riehl „Ein Gang durchs Taubertal“ leitet die „Entdeckung“ von Rothenburg ob der Tauber ein und befördert auch die allgemeine Wertschätzung und das Bekanntwerden von Wimpfen als geschichts- und kunstgeschichtsträchtiger Ort.
1866 Eduard Paulus: „Ein Gang durch Wimpfen“ als wegweisender Aufsatz in den „Schriften des Württembergischen Altertumsvereins“
1868 Gründung eines – allerdings nur kurze Zeit tätigen – „Verschönerungsvereins“ zur Förderung Wimpfens als Bade- und Fremdenort
1869 Eröffnung der Eisenbahn Meckesheim-Jagstfeld mit dem historistisch-neugotischen Bahnhof, dem Eisenbahnviadukt über den Ausgang des Morschbachtals und der Jagstfelder Eisenbahnbrücke
1869 Verkauf des Mathildenbades an Theodor Hammer aus Buchen (Restgrundstücke 1878) für 24.000 fl
1870 Pfarrverwalter Ludwig Frohnhäuser: „Geschichte der Reichsstadt Wimpfen …“, erste wissenschaftliche Be- arbeitung der Stadtgeschichte; Großherzog Ludwig III. gewidmet
1870 Dr. August von Lorent: „Wimpfen am Neckar. Geschichtlich und topographisch … dargestellt“, schafft eine erste Kunstgeschichte Wimpfens; dazu ein Fotoalbum und darüber hinaus eine umfassende fotografische Dokumentation der Stadtvedute und „pittoresken“ Bauwerke und Bauensembles der Berg- und der Talstadt.
1870 Nach dem Tod von Dr. Gustav Spamer übernimmt die Leitung des Kreises Wimpfen Regierungsrat Carl Fuhr.

Und so mutet im Nachhinein der in der eiskalten Nacht vom 11. auf 12. Januar 1848 im Nordwestbereich des Burgviertels wütende Großbrand, bei dem 11 Wohnhäuser und 5 Scheuern sowie der barocke Dachaufbau des Blauen Turmes samt seiner Innenstruktur ein Opfer der Flammen werden, wie ein Menetekel der in diesem Jahr in den Ländern des Deutschen Bundes ausgebrochenen Revolution an. Zunächst kommt es im Frühjahr dieses Jahres in Wimpfen zu so etwas wie einer Kampfansage gegen das Mathildenbad, deren Verantwortliche den Gemeinderat wiederholt vergeblich bitten, den maroden Häldenweg und den zur Schiffsanlegestelle unterhalb des Mathildenbades führenden Häldenpfad sowie den schlechten Zustand der vor allem die zarten Damenfüße nicht vor Nässe schützenden Dampfschiff-Landungsbrücke zu verbessern. Stattdessen kommt der Gemeinderat beim Kreisamt um die Genehmigung ein, die Landungsbrücke weiter aufwärts zum Lauer hin verlegen zu dürfen, und gibt als Begründung an, nicht allein den Interessen des Bades, sondern auch denen des Ritterwirts Schlegel dienen zu müssen. Dieses führt zu dem kuriosen Zustand, dass nunmehr zeitweise zwei Landungsbrücken bestehen, das Räderdampfschiff „Wilhelm“ beim Anlanden an die unzureichende neue Brücke ein Leck bekommt und schließlich die Stadt ihre Brücke wieder abbaut.

Das Ende vom Lied ist, dass mit dem Ausbruch der Revolutionsunruhen Kreisrat Freiherr von Stein, um Schlimmerem als den veranstalteten nächtlichen „Katzenmusiken“ und Drohgebärden zu entgehen, es im Mai 1848 vorzieht, „von Wimpfen zu scheiden“ und sich nach Darmstadt in Sicherheit zu begeben. Da wohl keiner der hessischen Kreisbeamten vor und nach ihm tiefer mit der Fortentwicklung Wimpfens verbunden ist als dieser, sei in der

  • Abbildung 18: Freiherr von Stein (1800 – 1875), Kreisrat in Wimpfen von 1836 – 1848,

dessen fotografisches Konterfei gezeigt, das wohl als frühestes Beispiel der auf Wimpfen bezogenen Personenfotografie anzusehen ist.

Wenngleich bei der Masse der Bevölkerung sicherlich nicht beliebt, eher mehr oder minder gehasst, bleibt in der Honoratioren- und Beamtenschicht Wimpfens sein Andenken bis weit über seinen Tod im Jahre 1875 in Darmstadt hinaus erhalten. Und in deren Erinnerung gilt von Stein nichtsdestotrotz als ein „beliebter“ hessischer Beamter, dem durch seine unermüdliche und segensreiches Tätigkeit zum Wohle der Stadt, so für die Volkswohlfahrt (Gründung der Post und der Sparkasse), für den Fortschritt durch die Schaffung von Licht und Luft, Ordnung und Reinlichkeit, auch für die Verdienste um die Gründung des Mathildenbades, trotz der vielen Anfechtungen und Anfeindungen Anerkennung und Dank gebühre.

Jetzt – im August 1848 -, nachdem die Volkswut den Eintreiber der Steuern und Ausstände, den Stadt- und Hospitaleinnehmer Friedrich Vörg, aus dem Amt befördert hat, wagt es der Gemeinderat, an die nunmehr für Wimpfen (nach kurzem Gastspiel von Kreisratsvikar Melior) zuständige – unter der Leitung des liberaleren Direktors Dr. Camesasca stehenden – Regierungskommission Erbach/Odenwald eine „Beschwerde eines großen Teils der Einwohner zu Wimpfen gegen die Geschäftsführung des vorherigen Kreisrats Freiherr von Stein und des ehemaligen Großherzoglichen Bürgermeisters Riedling“ abzuschicken. Ob zu Recht oder zu Unrecht beschuldigt, jedenfalls kann diese Beschwerde gegen die beiden mehr oder minder verhassten Männer im Nachhinein nichts mehr bewirken. Mit dem Abgang von Kreisrat von Stein in Verbindung mit der vorausgegangenen Ausschaltung Riedlings ist das Mathildenbad jedoch ihrer besten Protektoren beraubt. Und so kommt es 1852 dazu, dass die Aktiengesellschaft hoher hessischer Beamter sowie der Saline angehörender Amtsträger das Mathildenbad um sage und schreibe nur 14.500 fl an Karl Friedrich Häberlen zu Kleingartach veräußert, aus dessen Händen es 1855 um nur noch 12.000 fl – Zeichen des Abstiegs – auf Gastwirt Anton Müller aus Heidelberg übergeht.

Mitverantwortlich oder gar erstrangig maßgeblich für diesen in Anbetracht der früheren Kaufsumme von 20.000 fl miserablen Verkauf erscheint freilich die Tatsache, dass als Folge der vieljährigen wirtschaftlichen Depression, gesteigert durch die Ereignisse der gescheiterten 1848/49er Revolution, die Geschäfte zurückgegangen und die Konkurse auf ein nie gekanntes Maß angestiegen sind. Selbst mancher der bislang besonders erfolgreichen Geschäftsinhaber – wie zum Beispiel der Heilbronner Kunstgärtner und Gestalter der Anlagen des Mathildenbades Philipp Pfau – wird in den Ruin getrieben. Sicherlich war auch der am 13. Juni 1849 auf Wimpfen am Berg so plötzlich hereingebrochene (um die Worte des samt dem Gemeinderat in dieser Unruhezeit neu gewählten Bürgermeisters Tierarzt Johann Dietrich Barth zu gebrauchen) „Überfall“ badischer revolutionärer Freischaren sowie württembergischen Bürger- und Turnerwehren des Neckar-Unterlandes unter dem Pfälzer Prediger Heinrich Loose und dem polnischen Oberst Kapicky, der das hessische Wimpfen als Ausgangspunkt des Hineintragens der badischen Mairevolution ins Württembergische zum Ziele hat, alles andere als geeignet, den unter dem Pächter Badwirt Gottfried Daeffler immer schleppender werdenden Geschäftsgang des Bades verbessern zu helfen. Immerhin lässt es sich der 1848 zunächst zum Mitregenten und nach dem baldigen Tod des Wimpfen nie seines Besuches beehrenden Vaters zum Großherzog Ludwig III. gewordene frühere Erbgroßherzog nach dem Ausklang der Revolution 1849 nicht nehmen, der Stadt und dem Bad einen Besuch abzustatten und dort nach dem Rechten zu sehen, d. h. sich der Akzeptanz der hessischen und landesherrlichen Regentschaft zu versichern.

Wenn dann nach den Revolutionsjahren aber die Wimpfener beim Fasnachtstreiben den – wie so viele in Not gekommene Menschen damals – schuldenhalber angeblich nach Amerika geflüchteten und ebenfalls in den (formell im Frühjahr 1851) Konkurs (wegen angeblich auch zu aufwendigem Lebensstil und aus welchen anderen Gründen auch immer) geratenen Friedrich Riedling als Figur im Sarg durch die Stadt tragen, so steht dieses makabre Spiel der Volkshäme eigentlich symbolisch dafür, dass die Entwicklungspläne der Landesmutter Hessen zu Grabe getragen sind. Dass die Reformen die in Wimpfen herrschende Not an Arbeit und Verdienst sowie die vom Besitzbürgertum als bedrohend empfundene weiter wachsende Schar der Armen bzw. Verarmten nicht zu beseitigen vermocht haben, das zeigt die 1854/55 von der Stadt mit einem Kostenaufwand von 12.290 fl durchgeführte Massenaktion der Expedierung von 162 Einwohnern nach Nordamerika (29 nach New York, 133 nach New Orleans), die den Wimpfenern wiederum – ähnlich wie bei ihrer „Holzrevolution“ des Jahres 1783 unrühmlichen Angedenkens – manchen Tadel und Spott der Presse einträgt. Näheres darüber lässt sich nachlesen in: Erich Scheible, Wimpfen in der Revolution 1848/49, Band 8 (Sonderband) der Reihe Regia Wimpina. Beiträge zur Wimpfener Geschichte, Bad Wimpfen 1998.

Aus heutiger Sicht etwas grotesk mutet auch die Tatsache an, dass bei der – wie 1815 – nunmehr wiederum der Reaktion huldigenden Neuordnung der Regierungs- und Verwaltungsbehörden, die dem Exklavenbezirk Wimpfen-Kürnbach weiterhin die Eigenschaft eines selbständigen Kreises unter der Leitung von Kreisrat Dr. Gustav Spamer (seit Mai 1852) und des Landrichters Dr. Konrad Heyer (ab 1853 für den im Vorjahr verstorbenen Landrichter Eigenbrodt) zuerkennt, der Gemeinderat sich jedoch, allerdings vergeblich, für den Anschluss an den Kreis Heppenheim an der Bergstraße ausspricht. Dahinter steht freilich der Wunsch, anders als in der Ära Hallwachs und von Stein (man denke an die Amtswohnung des Kreisrates über dem Gemeinderatssaal !), den vorgesetzten hessischen Kreisbeamten möglichst weit von sich zu haben und damit seiner direkten tagtäglichen Aufsicht entzogen zu sein.

Unter den Bemühungen seines neuen sehr rührigen und strebsamen Besitzers Anton Müller gelangt das Mathildenbad mit Unterstützung des Kreis- und Badearztes Physikatsrat Dr. med. Karl Theodor Weigand, der 1849 den verstorbenen ehemaligen Mitaktionär des Mathildenbades Dr. med. Karl Walter abgelöst hat, in den ausgehenden 1850er sowie 1860er Jahren wieder zu einigem Ruf und erhöht sich dessen innerer Wert. Dazu trägt die allgemein sowie auch in Wimpfen (nicht zuletzt auch wegen des Abklingens der Kartoffelkrankheit) langsam sich einstellende stetige wirtschaftliche Konsolidierung bei, die sich auch in einer kontinuierlichen Abnahme der Schulden (1853: 48.500 fl – 1867: 27.100 fl) sowie dem leichten Wiederansteigen des Hospitalfonds (1856: 27.268 fl – 1863: 35.660 fl) manifestiert. Nach langem Hin und Her und vielem emotional geführtem Streit zwischen den Interessengruppen gelingt es 1863 endlich, eine durch die knappe Mehrheit von Bürger-Unterschriften dauerhafte und einigermaßen zufrieden stellende Lösung der Dauerproblematik der Reichung der Bürgergabe zu finden, nachdem die Zahl der Bürger von 630 des Jahres 1866 kaum noch zu wachsen verspricht, da die Gesamteinwohnerzahl seit langem stagniert und stetig nicht mehr als um die 3.000 beträgt. Eine neue „Losholzordnung“ greift auf die nach der Eingliederung der Schutzverwandten in den frühen 1820er Jahren eingeführte Begrenzung auf 475 Losholzberechtigte zurück, wobei den damals nur noch ca. 70 Bürgern der „engeren Gemeinde“ weiterhin 200 statt der üblichen 100 Büschel Reisig zugebilligt werden. Neue Versuche einer Erhöhung der Zahl auf 500 der Jahre 1879 und 1882 stoßen auf die strikte Ablehnung der hessischen Behörden.

Der Gemeinderat und Bürgermeister (Tierarzt) Dietrich Barth sowie auch der diesem 1861 nachfolgende Bürgermeister (Kaufmann) Adolf Friedrich Ernst suchen den Fortschritt erstrangig in der Verbesserung der Landwirtschaft und der Viehzucht. So ist es kein Zufall, dass Ende August 1856 ein Komitee ein großes landwirtschaftliches Fest mit Preispflügen und Viehprämierung und allerlei Lustbarkeiten für Alt bis Jung ausrichtet, zu dem in der Zeitung und durch ein in der

  • Abbildung 19: Bekanntmachung der Abhaltung eines landwirtschaftlichen Festes vom 10. August 1856

wiedergegebenes verziertes Druckblatt eingeladen wird. Vor allem aber sieht man im Fortgang der nächsten Jahre im Einvernehmen mit den hessischen landwirtschaftlichen sowie Kreisbehörden die beste Zukunft in der nach der Ablösung der Getreide-Grundrenten nunmehr offen stehenden Einführung des Zuckerrüben- und noch mehr des Tabakanbaus. Die letztgenannte dieser viel gutes Geld nach Wimpfen bringenden beiden Sonder- oder Intensivkulturen betreiben ab den 1865er Jahren mindestens an die 300 Erzeuger und somit nicht nur die Bauern, sondern auch viele andere Angehörige der Ackergrund besitzenden oder nach solchem durch Pachtung strebenden Einwohner. Als Abnehmer finden sich die Tabakfabrik Hockenheim bzw. die Zuckerfabrik Waghäusel, die auf dem Wasserwege beliefert werden. Liest man in der Pfarrchronik der evangelischen Kirchengemeinde, deren Führung 1857 auf Anordnung des Großherzogs den Geistlichen beider Konfessionen zur Pflicht gemacht und nunmehr neben den Gemeinderatsprotokollen eine wichtige zusätzliche Quelle der Ortsgeschichte wird, die jährlichen Eintragungen der Pfarrer, so spiegelt sich die vornehmliche Ausrichtung auf die Landwirtschaft in der wachsenden Dominanz der Angaben über das Wetter und die Ernteergebnisse wieder. Z. B. heißt es:

  • 1858 (nach längeren Angaben über die Besetzung der Pfarrer- und Lehrerstellen sowie der Schülerzahlen) wie folgt: „Es erfreute sich die Stadt Wimpfen noch nie eines längeren Aufenthalts eines Gliedes unseres erlauchten Regentenhauses. Der Sommer war ungewöhnlich trocken, in 4 Monaten fast kein Regen, Quellen versiegten, Bäume verdorrten, doch war die Ernte reich, es gab namentlich vielen Wein, die Früchte erzielten einen mittelmäßigen Preis. Am Anfang des Jahres herrschte die Grippe, fast kein Haus blieb verschont, selbst ganze Familien lagen krank danieder, die Sterblichkeit war gering.“
  • 1860 (nach einigen Auslassungen über die internationale und nationale Politik): „Das ganze Jahr war sehr nass, fast kein Tag war ohne Regen; der Neckar konnte zu jeder Zeit mit Schiffen befahren werde, namentlich die Dampfschifffahrt hatte von Frühjahr bis Herbst geregelten Verkehr. Trotzdem gab es eine gute Getreide- und überreiche Obsternte. Die Bäume brachen trotz Stützen, viel Apfel- und Birnenmost; im Herbst Regen, dann Schnee, dann wieder Regen; am Silvesterabend so viel Schnee, dass Weg zur Kirche kaum begehbar.“
  • 1864 (u. a.): „Zu den hauptsächlichsten Erzeugnissen Wimpfens, welche zugleich Handelsgewächse sind, gehören Tabak und Zuckerrüben; Tabak 1864 rund 2 000 Zentner à 22 fl, Zuckerrüben rund 40 000 Zentner à 26 kr.“
  • 1867: „Am 8. April nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr brannten 2 Scheunen nieder, sie gehörten dem Rosenwirt Klenk und dem Ackersmann Ludwig Neff. Am 25. 6. starkes Gewitter unter ungemein starken Regenfällen von ½ 2 bis gegen 6 Uhr, richtete nur im Deutschordensland große Verheerungen an. Das Frühjahr war sehr feucht und stürmisch, lange nicht gesehene Quellen kamen wieder, der Neckar war sehr groß. Überschwemmungen drohten nun. Dann war es heiter, Ende Mai sehr kühl; Ernte mittelmäßig, darum auch sehr große Not unter den kleinen Leuten. Bettler übergenug. Winter 1867/68 nur kurze Zeit sehr streng, doch hatten die Armen viel darunter zu leiden; der Wein ist unter Erwarten ausgefallen.“

Im Vordergrund des Bemühens der Stadtverwaltung der 1860er Jahre steht außer der intensiven Förderung des Tabak- und Zuckerrübenanbaus und deren Absetzung zu gangbaren Preisen an die Abnehmer in der Rheinebene in erster Linie der Anschluss an das Eisenbahnnetz. Die Stadt tut mit Unterstützung der Saline im Benehmen mit den hessischen Behörden sowie den anderen zwei tangierten Staaten der „Dreiländerecke“ alles, damit eine ins Auge gefasste Eisenbahnverbindung zwischen Heilbronn und Meckesheim, das 1862 im Zuge der Eröffnung der „Badischen Odenwaldbahn” Heidelberg–Mosbach an die Bahn angeschlossen ist, nicht – wie ursprünglich geplant – über Rappenau, Bonfeld, Biberach, Neckargartach, sondern über das hessische Wimpfen geführt wird. Dies wird denn auch durch Bittschriften und das große Opfer eines Beitrags der Stadt Wimpfen von 25.000 fl erreicht. Die Eröffnung des letzten fertigen Streckenabschnitts Rappenau–Wimpfen–Jagstfeld kann am 5. August 1869 erfolgen. Der im Stil des herrschenden Historismus und in Anpassung an die historischen Bauten der Stadt merkwürdigerweise in die Gestalt einer Kirche gekleidete Bahnhof wird als „Prachtgebäude“ empfunden und, wie das Schrägbalken-Wappen des Ostgiebels ausweist, zusammen mit dem Wimpfener Streckenabschnitt der auch nach der Reichsgründung autonom bleibenden badischen Eisenbahnverwaltung unterstellt.

Wenn in späteren Jahrzehnten die Lage des Bahnhofs fern des Orts auf engem abschüssigem Raum am Hang des Eulenbergs an der steilen (bergseits verlegten) steilen Steige im Hinblick auf die mangelnde Möglichkeit der Industrieansiedlung immer wieder kritisiert und der eifrig für den Bahnbau bemühte neue Ritterwirt Wilhelm Ludwig Vörg für die Errichtung des Bahnhofes in nächster Nähe seines als eine Art zweites Wimpfener Badhotel eingerichteten Betriebes verantwortlich gemacht wird, so erscheint dies im Blick auf die topografischen Verhältnisse ungerecht. Denn in Anbetracht der ganz erheblichen Niveauunterschiede zwischen den Nachbarbahnhöfen Rappenau (210 m NN) und Jagstfeld (155 m NN) gab es nämlich wohl nichts anderes als die Möglichkeit, die Strecke in Anpassung an die natürlichen Gegebenheiten und in aufwendigster Weise durch Wechsel von

  • einerseits mächtigen Dammbauten (Überquerung des Erbachtales, Plateauaufschüttung für den Bahnhofbereich, Durchquerung des Neckartales) und Brücken (Viadukt an der Steige und Eisenbahnbrücke über den Neckar mit Fußgängerübergang) sowie
  • andererseits gewaltigen Geländeeinschnitten mit teils hohen Stützmauern (Hälde und Haag, Kopfmauern am Viadukt beim Ausgang des Morschbachbachtales, Altenberg)

einzurichten und dazwischen den Wimpfener Bahnhof (169 m NN) und diesen nirgendwo anders als an diesen für eine Industrieansiedlung denkbar ungünstigen Platz zu setzen. Im Übrigen war die Überwindung des Gefälles von ca. 55 m nicht anders als durch eine Dehnung des Streckenabschnitts mittels Einlegung eines Bogens über Hohenstadt unter Nützung der sich anbietenden Talungen des Rappenauer Baches und des Erbaches sowie des Neckars möglich gewesen, wobei es dennoch nicht zu vermeiden war, dass an Hälde und Haag ein für Eisenbahnverhältnisse beträchtliches Fallen bzw. Steigen der Geleise bestand.

Welch gewaltige Eingriffe in die Naturlandschaft dieser relativ spät erfolgende Eisenbahn-Nebenstreckenanschluss für Wimpfen bringt, kann im Einzelnen hier nicht klargelegt werden. Eine gewisse Vorstellung deren Ausmaßes geben die beiden in der Zeit des Bahnbaus bzw. unmittelbar nach der Beendigung desselben gefertigten Fotografien des Chronisten Wimpfens in Wort und Bild August von Lorent:

  • Abbildung 20: Wimpfen am Berg von Wimpfen im Tal her zur Zeit des Bahnbaus mit dem im Entstehen begriffenen Bahnhof (Fotografie aus dem Album von August von Lorent – ca. 1868) und

  • Abbildung 21: Wimpfen am Berg vom Altenberghang her mit Blick über das „Salinedörfle“ und das Bahngelände mit Bahnhof und Güterbahnhof hinweg zum Eulenberg hin (Fotografie aus dem Album von August von Lorent – 1869).

Die Einkehr des Eisenbahnzeitalters in Wimpfen gibt auch die

  • Abbildung 22: „Panorama des Jagstfeld-Wimpfen-Neckar-Thales & der Eisenbahn-Brücke“, Lithografie, 1868 von Th. Weber und A. Oesterlein,

wieder. Die Folge des Eisenbahnbaus ist, dass die antiquierte Treidelschiffahrt auf dem Neckar (siehe das von einem Pferdegespann aufwärts gezogene segelbesetzte Treidelschiff!) eine weitere starke Beeinträchtigung erleidet und nach der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Bietigheim-Bruchsal-Mannheim des Jahres 1853 der nur mit Staatsmitteln am Leben gehaltene Dampfräderbootverkehr (siehe das talwärts fahrende Dampfräderboot!) nunmehr endgültig zum Erliegen kommt.

Wichtig ist, dass der Bahnbau aus der Sicht des Fremdenverkehrs und der Beförderung der Zuckerrüben und des Tabaks zu den Abnehmern der Oberrheinischen Tiefebene sowie des Salzes und der benötigten Kohle der Saline bedeutsam ist und wird, obgleich die Saline noch über 3 ½ Jahrzehnte hinweg ihr Salz und die benötigte Kohle, so weit diese jetzt überhaupt mit der Bahn statt mit dem Schiff befördert werden, „per Achse“ die steile Steige hoch zum Bahnhof hin bzw. vom Bahnhof her diese hinab transportieren lässt und erst 1904 einen eigenen Bahnanschluss schafft. Bedeutsam ist auch, dass jetzt eine wesentlich verbesserte Verbindung mit den württembergischen Orten jenseits des Neckars hergestellt ist, wo die Einwohnerschaft Wimpfens vermehrt Arbeit in den sich rasant entwickelnden Fabrikbetrieben von Neckarsulm und Heilbronn sucht und auch findet. Darüber später mehr! Anzumerken jedoch, dass Wimpfen gerade durch die unglückselige Lage des Bahnhofes von der im Unterländer Raum mit der Vollendung der Hauptdurchgangsstrecken des Bahnbaus immer stärker werdenden Welle der Industrialisierung so gut wie ausgeschlossen bleibt, was jedoch sowohl den Bauern als auch der Saline und den Badbetreibern zur Erhaltung genügend billiger Arbeitskräfte sowie der Besitzbürgerschaft im Blick auf deren Berührungsängste mit der von der „Sozialistenseuche“ angekränkelten „Arbeiterklasse“ alles andere als missfällt. Das Wenige, was sich an Fabrikbetrieben in Wimpfen, einige Jahrzehnte bleibend, ansiedelt, das ist die Papierfabrik Link/Vörg in den Gebäuden der nahen ehemaligen Herrnmühle und wechsende kleine Tabakfabrikationen wie die von Betz, später Stecher, im Wormser Hof bzw. im Tal, außerdem die Klosettpapierfabrikation Breuninger.

Gerade im Blick auf den im Gang befindlichen Bahnbau und den Betrieb des „Mathildenbades“ sowie des „Ritter“ wird 1868 ein „Verschönerungsverein“ gegründet und damit erneut ein Impuls in Richtung der Bade- und Fremdenort-Entwicklung zu geben versucht. Dieser Verein will vor allem die Herrichtung von Spazierwegen, Pflanzung Schatten spendender Bäume sowie Schaffung von Ausruhmöglichkeiten durch die Aufstellung von Bänken sowie die Sauberkeit und Ordnung fördern. Der Umstand, dass dieser jedoch bald wieder eingeht, zeigt das fortbestehende mangelnde Interesse der breiten Bevölkerung an diesem Zweig der Stadtentwicklung sowie auch der auf die Förderung der Landwirtschaft fixierten Stadtverwaltung. Wenigstens ist die hessische Landesherrschaft auch weiterhin bemüht, die Stiftskirche mit Kreuzgang, die aus der Sicht der Einwohnerschaft nur noch als „Diätenkirche“ für den dort sein Gnadenbrot empfangenden Benefiziaten angesehen wird, zu erhalten. Denn nachdem 1851 die Regierung ein Verbot des von den Baubehörden ins Auge gefassten Abrisses des Kreuzgangkomplexes zum Schutz der Kirche vor Hochwässern ausgesprochen und davor und danach immer wieder kleine Schäden beseitigt hat, setzt 1857 eine bis 1862 gehende Kette dringend notwendiger einzelner Erhaltungsmaßnahmen des Äußeren (insbesondere die weitere Sicherung der Statik durch den Einbau der fehlenden Strebebogen über dem südwärtigen Seitenschiff) und Inneren (Ausstattung) ein.

Wenngleich die Bedeutung Wimpfens als Ort wichtiger Bauzeugen deutscher Geschichte und vor allem auch der Kunstgeschichte noch nicht so recht ins Bewusstsein der Einwohnerschaft sowie der Gemeindeorgane gedrungen ist, hat sich in den 1860er Jahren zumindest der Blick der Fachwelt vermehrt dorthin gerichtet, ein Umstand, der vor allen Dingen im Zuge der „Entdeckung“ der reichen Geschichtszeugen des Mittelalters der ehemaligen Freien Reichsstadt Rothenburg ob der Tauber durch den „Vater der deutschen Volkskunde“ Wilhelm Heinrich Riehl (1823 – 1897) befördert wird. Im Umfeld dessen erstmals im Jahre 1865 herausgebrachten großes Aufsehen erregenden „Klassikers“ der volkskundlichen Literatur, nämlich der Charakterskizze „Ein Gang durch das Taubertal“, hebt überall ein Suchen nach historischen Plätzen an und wenden sich Fachschriftsteller, Maler und historische Vereine verstärkt auch Wimpfen am Berg und im Tal zu. Wegbereiter für das Bekanntwerden dieses Riehl’schen Stadt- und Landschaftsportraits ist die Zeitschrift des Historischen Verein für das württembergische Franken. In dieser finden sich öfters längere Aufsätze über die Geschichte und die historischen Bauwerke Wimpfens, so 1861, 1863, 1865, 1866, 1867.

Zu diesen gesellt sich ein Aufsatz des studierten Architekten, Kunsthistorikers und Archäologen sowie Mitarbeiters beim Württembergischen Statistischen Landesamt und kulturhistorischen Schilderers von Land und Leuten Eduard Paulus (1837 – 1907) in den Schriften des Württembergischen Altertumsvereins des Jahres 1866, Heft 7, S. 37 – 39, unter dem Titel „Ein Ausflug nach Wimpfen“. In diesem wird „die Fülle der edelster mittelalterlichen Denkmäler, welche Wimpfen enthält“, einer sachverständigen Betrachtung unterzogen und konstatiert, dass diese „weit umher in der Umgegend auf die Entwicklung anderweitiger Kunstwerke von großem Einfluss waren“. So ist es sicher kein Zufall, dass im September 1864 auch der berühmte Schilderer mit Zeichenstift und Pinsel der kleinstädtisch-biedermeierlichen Idylle Carl Spitzweg (1808 – 1885) seinen Weg nach Wimpfen findet, wovon allerdings Skizzen oder Gemälde nicht bekannt geworden sind. Dafür hat der herausragende badische Landschafts- und Architekturmaler und Zeichner mit Vorliebe traulicher Plätze, Winkel und Straßenpartien romantischer süddeutscher Städtchen Karl Weysser (1833 – 1904) im selben Jahr Spuren seines Besuchs in Form von 6 qualitätvollen Feder- und Bleistiftzeichnungen von Wimpfen am Berg hinterlassen: Gesamtansicht von Osten her, Blick über die Dächer zum Blauen Turm, Kaiserpfalz, Bürgermeister-Elseeser-Haus, Kalvarienberg, Fachwerkhaus. Davon soll hier die erstgenannte in

  • Abbildung 23: Gesamtansicht von Wimpfen am Berg von Osten her, Federzeichnung von Karl Weysser (1864),

gezeigt werden. Von den ausgehenden 1850er sowie den 1860er Jahren ist des Weiteren eine längere Reihe von Gesamt- und Teilansichten Wimpfens erhalten, die das Interesse renommierter Maler, Zeichner und Stecher an Wimpfen dieses Zeitraums dokumentieren, nämlich von  (angefügt die Datierung und die Zahl der Arbeiten):

  • dem von Spitzweg beeinflussten Maler Karl Happel (1819 – 1914) – um 1855/60: 2;
  • Aquarellmaler von Stadt- und Detailansichten August de Peellaert (1797 – 1876) – 1858: 2;
  • Architekt und Kunstgewerbler in Karlsruhe Gustav Kachel (1843 – 1882) –  1859: 1;
  • Zeichner, Maler, Graphiker und Illustrator Wilhelm Freiherr von Breitschwert (um 1828 – 1875) zusammen mit dem
  • Lithografen und Verleger Baruch Levy († 1864) – um 1860: 1;
  • Architekt und Fachschriftsteller in Karlsruhe Josef Durm (1837 – 1919) – 1861: 2;
  • Historien-, Genre- Bildnismaler, Illustrator, Radierer und Lithograf Theodor Pixis (1831 – 1907) – 1863: 1;
  • Holzschneider, Maler und Illustrator Adolf Clohs (1840 – 1894) – um 1865: 1;
  • Architekt, Oberbaurat und Hofbaumeister in Stuttgart Joseph (von) Egle (1818 – 1899) – 1867: 1.

Diese Zusammenstellung kann natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Aus dieser sei wenigstens noch in

  • Abbildung 24: Wimpfen am Berg von Osten her, Holzschnitt von Adolf Clohs (vor 1869)

eine Arbeit vorgestellt, die den Zustand des Stadtprospekts vor dem Bahnbau wiedergibt und deren Schöpfer noch in späteren Jahrzehnten eine Reihe von Wimpfener Detailansichten geschaffen hat.

Als kostbares „Geschenk“ des Hessenlandes der ausgehenden 1860er Jahre ist die über nur 2 Jahre von Sommer 1866 bis Sommer 1868 gehende Tätigkeit des 1840 in Butzbach/Oberhessen geborenen Pfarrverwalters Ludwig Frohnhäuser anzusehen. Die hervorstechende Leistung dieses überaus tüchtigen und beliebten jungen Geistlichen ist nicht nur die Gründung einer Fortbildungsschule für Jungen und Mädchen sowie die mustergültige aufschlussreiche Führung der Pfarrchronik dieser Jahre, sondern die auf der Basis seiner umfangreichen Wimpfener und sonstigen Quellenstudien 1870 herausgegebene und dem Großherzog Ludwig III. gewidmete „Geschichte der Reichsstadt Wimpfen, des Ritterstifts Sankt Peter zu Wimpfen im Thal, des Dominicanerklosters und des Hospitals zum hl. Geist zu Wimpfen am Berg. Nach Urkunden zusammengestellt von Ludwig Frohnhäuser, Pfarrverwalter. Darmstadt, 1870. Gedruckt auf Kosten des historischen Vereins“. Mit Wimpfen auch weiterhin bis zu seinem Tod im Jahre 1912 in Mainz als gerade in den Ruhestand tretender erster evangelischer Pfarrer und Dekan vor allem auch durch die Heirat mit der Schwanenwirtstochter Jakobine Johanna Klenck bleibend sehr verbunden und zum viel gelesenen „Volksschriftsteller“ geworden, erscheinen später unter seinem Pseudonym Konrad Fron noch drei, wichtige Epochen der Wimpfener Geschichte darstellende, kleine Erzählbände, die alle mehrfache Auflagen erreichen und den Namen Wimpfen weithin bekannt werden lassen:

  • 1885: „Das Kräuterweible von Wimpfen. Eine Geschichte aus dem Ende des 30-jährigen Krieges“;
  • 1893: „Der Rosenwirt von Wimpfen. Eine Geschichte aus einer alten Stadt“ („Holzrevolution“ des Jahres 1783);
  • 1902: „Das Weltgericht. Eine Erzählung aus dem großen Bauernkrieg (1525)“.

Den durch sein bleibend wertvolles Geschichtswerk in Wimpfen der Jetztzeit Unvergessenen und vielfältig mit Verdienstorden Ausgezeichneten stellt die

  • Abbildung 25: Ludwig Frohnhäuser (*  1840 zu Butzbach – † 1912 in Mainz) in seiner Mainzer Zeit als Erster Pfarrer und Dekan

dar.

Zu gleicher Zeit befasst sich mit der Geschichte Wimpfens auch der in Mannheim ansässige vermögende Naturwissenschaftler, Privatgelehrte, Weltreisende und hochdekorierte frühe Meister- und Reisefotograf Dr. Jakob August von Lorent (*1813 in Charleston South Carolina – † 1884 in Meran) sowohl mit der Geschichte Wimpfens als auch mit der Dokumentation seiner Gegenwart in Wort und Bild. Somit erscheint kurz vor Frohnhäusers Werk im gleichen Jahr dessen nicht minder wertvolle Buch-Veröffentlichung: „Wimpfen am Neckar. Geschichtlich und topographisch nach historischen Mittheilungen und archäologischen Studien dargestellt von Dr. A. von Lorent, Ritter des Großherzoglich Badischen Zähringer Löwenordens mit Eichenlaub und der Königlich Württembergischen Kronen- und Friedrichs-Orden. Stuttgart. Verlag von A. Werther, 1870“. Mag auch der Teil I des ebenfalls Großherzog Ludwig III. gewidmeten Werks (mit den beiden Hauptkapiteln „Politische Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Wimpfen“ und „Rückblick auf das innere Leben der ehemaligen Reichsstadt Wimpfen“) allein schon vom Umfang her weniger hergeben als Frohnhäusers Arbeit; dennoch bietet Lorent in den insgesamt umfänglicheren Teilen II und III je eine detaillierte „Beschreibung von Wimpfen am Berg“ sowie „Wimpfen im Thale“, die nicht nur eine hervorragende Dokumentation der Verhältnisse Wimpfens um 1870, sondern darüber hinaus eine akribische Beschreibung sämtlicher Baudenkmäler der Stadt und damit gleichzeitig eine erste Kunstgeschichte Wimpfens darstellt. Und er setzt seinem Werk die Krone dadurch auf, dass er die Kunstdenkmäler, die Gassen und Plätze sowie die Gesamtsichten der beiden Wimpfen fotografisch festhält und in einem Album gesondert herausbringt, so dass der Gegenwart ein umfassendes fotografisches Orts- und Denkmäler-Bild Wimpfens der Zeit unmittelbar vor 1870 mit insgesamt 79 – gemessen am damaligen Standard – höchst qualitätvollen im Negativ-Positiv-Verfahren hergestellten Aufnahmen erhalten ist, wie es ihresgleichen kein Städtchen von kaum 3000 Einwohnern besitzt. Hierzu sei auf die Abb. 20 und 21 sowie 31 verwiesen und hier noch die 

  • Abbildung 26: Die Obere Lange Gasse (Hauptstraße) mit Blick zur Salzgasse und dem Adlerbrunnen im Mittelpunkt (Fotografie aus dem Album von August von Lorent – ca. 1868)

beigefügt. Letztere lässt erkennen, dass, Ergebnis der Anordnungen des Kreisrates Freiherr von Stein von um 1840, sämtliches Fachwerk damals noch unter Putz versteckt gewesen ist.

Die Gründe für seine Wimpfen in diesem besonderen Maße zuteil werdende Zuwendung legt Lorent in der dem Großherzog geltenden Widmung dar: „Zu dieser Arbeit wurde ich beseelt durch die Schönheit des Ortes mit seinen Resten vergangener Herrlichkeit, welche im allgemeinen weniger, als sie es verdienen, bekannt sind.“ Und die Wertung dieses welterfahrenen Gelehrten erfährt noch ihre besondere Gewichtung und Steigerung durch die im Schlussabschnitt seines Buches erfolgte Liebeserklärung: „Den Verfasser vorliegenden Werkes haben seine Wanderungen über einen großen Theil der Erde geführt, nach dem ernsten Spanien mit seinen maurischen Erinnerungen, dem hochgepriesenen Neapel, dem poetischen Sicilien, nach Konstantinopel, der schönen Perle um welche Morgen- und Abendland sich streiten, ebenso nach Afrika`s weiten Sandwüsten und dem von den Märchen des 1001 Nacht verklärten Oriente; doch alle diese Erinnerungen, so großartig sie auch sind, vermögen nicht das schöne stille Wimpfen in den Hintergrund zu drängen.“ Offenbar erkennt der damalige Wimpfener Gemeinderat das hohe Gewicht des Urteils und die Bedeutung der Arbeit Lorents nicht oder will es nicht erkennen; denn dieser legt dessen Bemühen manche Hindernisse wie die Verwehrung des Einblicks in die Archivakten mit dem Argument in den Weg, dass Ludwig Frohnhäuser bereits mit der Schaffung einer Geschichte Wimpfens befasst sei. Diese werden aber glücklicherweise durch ein Machtwort des hessischen Regierung beseitigt.

Impulsgebend auf dem Gebiet vor allem der Kultur-, Nachrichten- und Nachbarschaftspflege sowie letztlich auch dem Bade- und Fremdenbetrieb dienlich ist der ab ca. April 1869 vom Buchdrucker und Verleger Carl Rapp, Heilbronn, herausgebrachte und dreimal in der Woche erscheinende „Wimpfener Bote. Intelligenz- und Unterhaltungsblatt für den Kreis Wimpfen und die Badeorte Jagstfeld, Offenau und Rappenau“. Nach dem Tod desselben wird das Blatt von dessen Witwe Anfang 1873 unter dem verkürztem Titel (ohne Nennung der drei benachbarten Badeorte) herausgegeben, doch bald vom Käufer deren Buchdruckerei-Geschäfts des Jahres 1874 Carl Dieterich, 1877 in „Wimpfener Zeitung“ verändert, 1888 von Siegfried Dohany, schließlich 1893 von Christian Elser übernommen.

Damit sind wir hingelangt zur Zeitperiode V: