Wie der Plan der beginnenden 1870er Jahre der Kusine des Emmanuel Félix de Wimpffen und älteren Tochter des Friedrich Wilhelm von Wimpffen KATHARINE VON WIMPFFEN (1818 – 1875) der Generation 13, in Wimpfen größere Baulichkeiten zu erstellen und ein arrondiertes Gut zu gründen, sich durch deren frühen Tod zerschlägt, jedoch der ältere ihrer beiden Brüder und ehemalige WÜRTTEMBERGISCHE KAMMERHERR UND RITTMEISTER BARON WILHELM VON WIMPFFEN (1820 – 1879) Wimpfen am Neckar zu seinem Alterssitz wählt und dort nach seinem plötzlichen Tod sein Grab findet sowie im Jahr danach die Hochzeit seiner Tochter SOPHIE CHARLOTTE VON WIMPFFEN (1861 – 1907) der Generation 14 mit dem baltischen BARON THEODOR LEONHARD VON UNGERN-STERNBERG (1857 – 1918/23) namhafte Vertreter sowohl der gräflich-österreichischen Hauptlinie wie des französischen Von Wimpffen-Nebenzweiges nach dorthin führt.
a. Die in München lebende St. Annen-Ehrenstiftsdame Katharine von Wimpfen erwirbt 1870 – 1873 eine Reihe von unmittelbar beim Roten Turm gelegenen Gärten sowie ein dort vor dem Bering sich anfügendes Weinberg-Hainbuchenwald-Grundstück, außerdem das am Beginn des Burgviertels zwischen dem Rathaus und der Stadtmauer gelegene geräumige ehemalige Usingersche Wohnhaus mit Hof- und Gartenteil.
Es dürfte überraschen, wenn hier nun einleitend in
- Abb. W 1: Meldung im „Wimpfener Bote” vom 17. April 1873 über einen von Graf Helmuth von Moltke geplanten Sommeraufenthalt in Wimpfen
ausgerechnet der große Widersacher des „Sedangenerals” der vorbeschriebenen Nacht der Kapitulationsverhandlungen von Donchery GRAF HELMUTH VON MOLTKE mit dem kleinen unbedeutenden ehemaligen Reichsstädtchen Wimpfen am Neckar in Zusammenhang gebracht wird. Leider findet sich in den Folgenummern der Sommermonate 1873 und auch sonst nichts, was auf eine Realisierung des hier bekannt gemachten Aufenthalts-Planes dieses damals in aller Munde stehenden Großen des neugegründeten Deutschen Kaiserreiches hindeutet. Allerdings führt Helm Wienkötter in seiner Geschichte des Mathildenbades des Jahres 1928 unter den Namen berühmter Gäste desselben auch „Moltke” auf, so dass es denn doch möglich erscheint, dass dieser damals dort kürzer oder länger Gast desselben gewesen ist. Der angekündigte Aufenthalt Moltkes könnte, wenn er wirklich zur Tat geworden sein sollte, durch das bereits angesprochene Verwandtschaftsverhältnis desselben zu der in den 1870er Jahren mit Wimpfen durch Güterkäufe und Zuzug in engste Berührung gekommenen Württembergischen Nebenlinie der Freiherren von Wimpffen induziert worden sein. Der engere Kontakt derselben mit der Stadt Wimpfen beginnt folgendermaßen: Unter dem 17. 11. 1870 kauft laut Eintragung im Supplement-Band zum Grundbuch Wimpfen am Berg die ST. ANNEN-EHRENSTIFTSDAME BARONIN KATHARINE VON WIMPFFEN, wohnhaft in MÜNCHEN, von dem im Frühjahr dieses Jahres als Lehrer in Wimpfen am Berg in den Ruhestand getretenen LUDWIG FRIEDRICH USINGER und dessen Sohn JULIUS USINGER zu LAMPERTHEIM das am Eulenberghang zwischen der Stadtmauer beim Roten Turm und dem Eulenbergweg gelegene und als Weinberg und Hainbuchenwald ausgewiesene Grundstück Nr. 746 mit darauf stehendem Gartenhaus mit einer Fläche von zusammen 895 m2. Dieses war an Usinger 1848 durch Kauf aus der Hand von ASSESSOR HEID zu DARMSTADT gekommen gewesen. Ungefähr zum selben Zeitpunkt (1. 12. 1870) erwirbt die Genannte noch die diesseits der Stadtmauer den Roten Turm ost- bis südwestwärtig umschließenden Grabgärten Nr. 582 und 580 mit 244 m2 + 175 m2 = 419 m2 (Besitzer ebenfalls L. F. USINGER UND SOHN). Ein knappes Jahr später am 20. 10. 1871 folgt der Kauf vom Garten Nr. 585 (Besitzer: JOHANN PHILIPP BORNHÄUßER) mit einer Fläche von 173 m2, der sich ostwärtig vom Hausanwesen des POSTVERWALTERS WILHELM SCHMEHL (ehemaliges Anwesen Von Gemmingen) anschließt. Weitere anderthalb Jahre später am 22. 04. 1873 kauft diese noch das kleine dreieckige Gartenstück Nr. 584 mit einer Fläche von 56 m2 (Besitzer: DIETRICH GLÄßER UND FRAU), dessen stumpfe Spitze der Knickstelle der Stadtmauer am Nürnberger Türmchen anliegt. Die erworbenen Grundstücke finden sich in der Planzeichnung der nachfolgenden
- Abb. W 2: Auf der Basis des Parzellenbroulilon-Kartenwerkes von 1840/43 gefertigter Lageplan der beim Roten Turm gelegenen Grundstücke mit Kennzeichnung des von der Baronin Katharine von Wimpffen 1870, 1871 und 1873 dort innerhalb- und außerhalb der Stadtmauer erworbenen Garten-, Weinberg- und Hainbuchenwald-Geländes.
Dazuhin erwirbt diese am 17. 11. 1870 laut Supplementband zum Grundbuch Wimpfen am Berg (Besitzrecht zunächst beschränkt) bzw. 1. 12. 1871 (Besitzrecht uneingeschränkt) von L. F. USINGER UND SOHN die der Nordfront des Rathauses jenseits der Burggasse schräg gegenüber gelegene und nach dem Großbrand von 1848 neu erbaute geräumige sog. Hofraithe Nr. 540,5 mit Wohnhaus sowie die nordwärts zur Stadtmauer hin sowie auch ostwärtig sich anschließenden Grabgärten Nr. 541,5 und 542,5 und Gartenhaus. In Ermangelung eines historischen Bildes sowie Planes sei auf die in Band 2, S. 327/328, gezeigte (den Zustand vor der Brandvernichtung darstellende) Planzeichnung und Übersicht der Hofraithen 540, 541 und 542 von 1840/43 verwiesen, dazu auf das Foto des Gebäudes der Gegenwart in der nachfolgenden
- Abb. W 3: Das von Baronin Katharine von Wimpffen 1870 erworbenen Haus, heute Burgviertel 1 (Foto vom 23. 08. 2016).
Obgleich das in den Grundrissform in etwa quadratische und aus einem hüfthohen Sockel wachsende zweistockige Gebäude mit Walmdach nicht gerade den Eindruck eines Adelspalais machte, ragte es durch seine, gemessen an der eher kleinbürgerhaften Ortsnorm Wimpfens, übergroße Stockwerkshöhe und Überhöhe der zweifachen jeweils fünfteiligen Fensterreihe, außerdem durch die Verputzung sowie das unter der oberen Fensterreihe durchlaufende Steingesims und die über den Stürzen der oberen Fenster heraustretenden steinernen Gesimsabschnitte durchaus heraus. Dazu kam, von der Straße her nicht sichtbar, auf der Gegenseite zur Stadtmauer hin ein durch einen die Dachzone einschließenden Mittelrisaliten repräsentativ gestalteter Eingangsbereich, wo sich neckartalwärts ein lauschiger Hof und Garten anschlossen.
Wie bereits in Kapitel T. Württembergische Nebenlinien und in Kapitel U. Verwandtschaftliche Verknüpfungen bereits angesprochen sowie dort in der Abb. U 1 und in der mit dieser übereinstimmenden
- Abb. W 4a: Die Württembergische Nebenlinie und Teile der Gräflichen Linie der Von Wimpffen, entnommen der mit Ergänzungen versehenen II. Stammtafel des Constantin von Wurzbach,
abermals gezeigt, stammte die vorgenannte KATHARINE oder auch KATHARINA VON WIMPFFEN der dem Franzens-Zweig entwachsenen sog. Württembergischen Nebenlinie der Von Wimpffen. Diese Nebenlinie hatte sichm über deren in jungen Jahren im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts als aus Frankreich stammender Militär angesiedelten Vater FRIEDRICH WILHELM VON WIMPFFEN in der Hauptstadt des Herzogtums bzw. ab 1806 Königreiches Württemberg Stuttgart angesiedelt. Aus der vorstehenden Abb. W 4a ist auch unschwer ablesbar, was bereits an früherer Stelle, so vor allem in Vorkapitel V. Sedangeneral, ausgebreitet worden ist: Nämlich der Umstand, dass KATHARINE und ihre drei jüngeren Geschwister WILHELM, DAGOBERT und PAULINE Vettern bzw. Kusinen dieses Sedangenerals EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN über ihren vorgenannten Vater FRIEDRICH WILHELM VON WIMPFFEN, der ein Bruder dessen Vaters FÉLIX (VICTOR CHARLES EMMANUEL) DE WIMPFFEN war, gewesen sind. Überdies deutet sich an, dass, die vorgenannten vier Von Wimpffen-Geschwister über ihre Mutter ELISE, die eine Geborene FREIIN VON MOLTKE und Kusine des vielgerühmten PREUßISCHEN GENERALSTABSCHEFS GRAF HELMUTH VON MOLTKE gewesen ist, dessen Großkusinen bzw. Großvettern gewesen sind.
Zur genaueren Bestimmung dieses besonderen Verwandtschaftsverhältnisses sowie Vermittlung eines verlässlichen die Württembergische Nebenlinie der Von Wimpffen lückenlos beschreibenden genealogischen Gerüstes sei hinzugefügt:
- Abb. W 4b: Genealogische Übersicht: Herkunft, Zusammensetzung, Nachkommenschaft der Württembergischen Nebenlinie des Franzens-Zweiges bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts … .
b. Der frühe Tod der Katharine von Wimpffen zerschlägt zwar deren auf Wimpfen bezogenen Baupläne, doch bezieht um die Zeit ihres Todes der ältere ihrer beiden Brüder, der ehemalige württembergische Kammerherr und Rittmeister a. D. Wilhelm von Wimpffen, mit seiner Familie das von dieser in Wimpfen am Berg erworbene Wohnhaus, wo ihm im Herbst 1876 – für das hessische Exklavenstädtchen Wimpfen ein Großereignis – der Vetter dessen verstorbener Mutter Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke einen Besuch abstattet.
Nunmehr sei, vor allem infolge der vorbeschriebenen ungeklärten Gegebenheiten wegen einen sich ergebenden Zeitsprung machend, in der nachfolgenden
- Abb. W 5: Die Todesanzeige vom 21. Februar 1875 der Freifrau Katharine von Wimpffen, St. Annen-Ehrenstiftsdame, im „Wimpfener Bote”
auf den wenige Jahre nach dem Grund- und Hauserwerb erfolgten Tod der adligen Dame hingewiesen. Dadurch kommen wir jetzt eingehend zu jenen Ereignissen, die sich unmittelbar im Städtchen Wimpfen selbst im Zusammenhang mit der bereits dargelegten Zuwendung und dem Zuzug von Abkömmlingen des Geschlechtes der Von Wimpffen ab ca. Beginn der 1870er bis in die beginnenden 1880er Jahre hinein abgespielt haben. Der Umstand, dass die Traueranzeige im „Wimpfener Boten” erschien, obgleich die Verstorbene das von ihr bereits 1870/73 erworbene Anwesen neben dem Rathaus am Beginn des Burgviertels vermutlich wegen langer leidenserfüllter Krankheit nicht bezogen und weiterhin in München gelebt hatte, weist deren und ihrer Angehörigen bereits bestehende Verbundenheit mit Wimpfen aus. Es finden sich diese in der Traueranzeige in der Abfolge von Alt zu Jung wie folgt genannt (siehe dazu vor allem auch die obige Genealogische Übersicht der Abb. W 4b):
– Zuoberst die Tante FREIFRAU SÉVÉRINE, bezeichnet als Russische Catharinen- und Bayrische Theresien-Ordensdame, Schwester der schon 1832 verstorbenen Mutter ELISA(BETH) VON WIMPFFEN GEB. VON MOLTKE, beide Kusinen von Generalfeldmarschall Helmuth Graf Moltke;
– dann die als königlich württembergische Kammerherren titulierten beiden Brüder FREIHERR WILHELM und FREIHERR DAGOBERT VON WIMPFFEN;
– dann die durch die Heirat mit ihrem Vetter im Adelsrang höhergestiegene jüngere Schwester GRÄFIN PAULINE WIMPFFEN, GEB. FREIIN VON WIMPFFEN, bezeichnet als Theresien-Ordensdame;
– dann die (nicht aus dem Adel stammende) Schwägerin BARONIN LOUISE WIMPFFEN (Gattin von Dagobert);
– dann der Schwager (Gatte der Pauline) GRAF GUSTAV (ADOLF FELIX), bezeichnet als k. u. k. Kämmerer und Feldmarschall-Lieutenant. Den Schluss bilden die 2 x 3 = 6 Neffen und Nichten; und zwar zunächst die schon erwachsenen Kinder des Grafen und der Gräfin Wimpffen:
– GRAF FRANZ WIMPFFEN, Oberlieutenant (damals 24 Jahre alt), und
– GRÄFIN ELISABETH WIMPFFEN (21 Jahre alt);
schließlich noch die beiden Kinder von Wilhelm und Amalie von Wimpffen:
– SOPHIE WIMPFFEN (13 Jahre alt) und
– MAX WIMPFFEN (11 Jahre alt);
zum Schluss die Kinder von Dagobert und Louise von Wimpffen:
– CATHARINE WIMPFFEN (10 Jahre alt) und
– WILHELM WIMPFFEN (9 Jahre alt).
Im Blick darauf, dass Louise, die Gattin des Dagobert, wenngleich ohne das „von”, in der Reihe der Trauernden nicht, jedoch die andere Schwägerin Amelie, die Frau des Wilhelm, aufgeführt ist, legt den (freilich unbewiesenen) Gedanken nahe, dass diese evtl. keinen Wert darauf gelegt oder sich gar gesperrt hat, in der Traueranzeige neben der nicht dem Adel entsprossenen Schwägerin Louise zu erscheinen.
Die durch ihren Tod im Alter von nicht mehr als 56 Jahren vereitelten Pläne der Katharine von Wimpffen offenbaren sich in der bereits angesprochenen Meldung im „Wimpfener Bote” folgendermaßen:
„Locale Nachrichten. Wimpfen, 6. März (1875). Wohl manchem unserer geehrten Leser und Leserinnen wird die Nachricht von dem unerwartet frühen Tode der Freifrau Katharina v. Wimpffen überrascht haben, und erachten wir es im Interesse namentlich des hies. Publikums, der Dahingeschiedenen auch hier an dieser Stelle zu gedenken. (Sie starb nach langem Leiden in München am 21. Februar.) Das so plötzliche Dahinscheiden der hohen Dame ist für hier umsomehr zu bedauern, als dieselbe namentlich in den letzten Jahren sich lebhaft mit dem Plane beschäftigte, in hies. Stadt größere Gebäulichkeiten herzustellen und ein bedeutendes arrondirtes Gut zu gründen. Durch die schon seit längerer Zeit eingetretene Krankheit konnten die weiteren Maßnahmen zu diesem Plane nun leider nicht ausgeführt werden. Möge der Entschlafenen auch hier ein ehrendes Andenken bewahrt bleiben.”
Es drängt sich beim Lesen der vorstehenden Zeitungsnachricht die heute leider nur noch unzureichend klärbare Frage auf, was Katharina von Wimpffen, das älteste der vier Kinder des einstigen bis zum Generalmajor und Generaladjudanten des Königs Wilhelm I. von Württemberg aufgestiegenen Friedrich Wilhelm von Wimpffen, veranlasst haben könnte, gerade in Wimpfen, dazuhin ausgerechnet vielleicht gar auf dem von ihr erworbenen exponierten engen schwer bebaubaren Gelände am Roten Turm und der Mauer der einstigen staufischen Pfalz, einen Baukomplex zu erstellen und woher diese die hierfür notwendigen Mittel gehabt hat. Höchstwahrscheinlich schwebte ihr vor, ihrer Württembergischen Nebenlinie, deren Angehörige in dem in etwa halben Jahrhundert deren Bestehens mit vielerlei und stets Mitbewohner aufweisenden Wohnplätzen hatten vorlieb nehmen müssen, zu einem dessen Adelseigenschaft und erreichten Bedeutung gemäßen festen und auch repräsentativen Wohnsitz zu verhelfen, wozu das den Namen ihres Geschlechts tragende ehemalige Reichsstädtchen Wimpfen ihr und ihren sicherlich ganz hinter ihr stehenden beiden Brüdern sowie vielleicht auch der gräflichen Schwester offenbar ganz besonders geeignet erschien. Gerade dort ansässig zu werden und sich innerhalb einer exponierten bauhistorischen Umgebung einen möglichst herausragenden dauernden Wohnsitz zu schaffen, so war wohl die Grundidee, würde ihrer bislang so gut wie heimatlosen Nebenlinie eine Aufwertung des Ansehens im Allgemeinen wie auch im Besonderen eine Spitzengeltung innerhalb ihres Wohnplatzes bescheren. Was lag in den beginnenden 1870er Jahren, da durch die Tragödie um den „SEDANGENERAL” EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN, der ja der Vetter der KATHARINE VON WIMPFFEN war, das Adelsgeschlecht der Von Wimpffen in Europa und darüber hinaus in aller Welt und damit auch der Name des ehemaligen Reichsstädtchens, jetzt hessischen Städtchens Wimpfen am Neckar in aller Munde gelangt war, näher, als an eine Ansiedlung gerade dort zu denken?
Ob nun bereits schon vor deren Tod geplant und gar schon realisiert oder erst danach, Tatsache ist, dass der ältere ihrer beiden Brüder FREIHERR WILHELM VON WIMPFFEN mit Familie um die Zeit des Ablebens der älteren Schwester seinen Wohnplatz in München aufgegeben hat und nach Wimpfen gezogen ist, um im dortigen von der Schwester erworbenen Anwesen seinen Ruhestand als ehemaliger königlich-württembergischer Kammerherr und Rittmeister sowie Ehrenritter des Johanniterordens zu verbringen. Da aus dieser Zeit Einwohner-Meldelisten noch nicht vorliegen und ursprünglich auch keine anderen Dokumente auffindbar waren, ließ sich der Zeitpunkt des Zuzugs zunächst nur grob über die Wählerlisten zu den Reichstagswahlen bestimmen: Während in der Liste vom 2. Januar 1874 dessen Name noch nicht zu finden ist, steht dieser in derjenigen vom 30. September 1876 unter Nr. 473a mit „Wimpffen v., Wilh.” und in derjenigen vom 20. Juli 1878 unter Nr. 483 mit „v. Wimpffen, Wilhelm, Rentner” verzeichnet. Dessen Zuzug muss also zwischen Januar 1874 und September 1876, d. h. ca. 1875, erfolgt sein. Dies geht denn auch gut zusammen mit der Mitte November 1879 anlässlich des plötzlichen Ablebens des Wilhelm von Wimpffen durch die „Wimpfener Zeitung” getroffenen Feststellung, dass dieser „hier seit mehreren Jahren” gewohnt habe. Damit stimmt auch das zusammen, was bereits im Zusammenhang mit dem Wegzug des WILHELM VON WIMPFFEN nach München in Kapitel T. Württembergischer Nebenlinie teilweise schon angesprochen worden ist: Einerseits bezeichnet sowohl eine die Hinterlassenschaft der am 21. Februar 1875 in München verstorbenen FREIFRAU KATHERINE VON WIMPFFEN ledigen Standes betreffendes Erbschaftszeugnis des Königlichen Stadtgerichts München vom 10. März 1875 als auch eine die Daten 24. Februar und 15. April 1875 tragende Verfügung des Landgerichts Wimpfen die Stadt München als Wohnort desselben. Siehe dazu die
- Abb. W 6: Protokoll des Landgerichts Wimpfen aus der Hand von Landrichter Ceßner „Betr. den Nachlaß der Freifrau Katharine von Wimpfen zu München” vom 15. April 1875.
Andererseits aber trägt eine mit „Erschien Freiherr v. Wimpffen von hier” beginnende und mit dessen Unterschrift schließende Erklärung, welche die Höhe der Versteuerung des Vermögen der verstorbenen Schwester in Höhe mit 20.000 Gulden, darin enthalten zu Wimpfen gelegene Immobilien in Höhe von 9.823 Gulden (letztlich von der Großherzoglich hessischen Obersteuerdirektion taxiert mit 16.840 Mark) beziffert, die Datierung „Wimpfen, den 23ten Juli 1875”. Siehe hierzu die
- Abb . W 7: Protokoll des Landgerichts Wimpfen aus der Hand des Landrichters Ceßner vom 23. Juli 1875 mit der nach dessen Verlesung durch Baron Wilhelm von Wimpffen geleisteten Unterschrift.
Somit muss also der Zuzug des Wilhelm von Wimpffen in Wimpfen zwischen den vorgenannten zwei Datierungen, grob gesagt, im Frühsommer 1875 erfolgt sein. Es ging dem Vorgenannten bei seiner Erklärung darum, dass nach hessischem Steuerrecht von im Inlande gelegenen Immobilien eines Ausländers im Sterbe- und damit Erbfalle eine sog. Collateralsteuer zu entrichten war, deren laut Berechnung des Stadtgerichts München in Bayern bezahlter Betrag in Höhe von 701 Mark und 68 Pfennnig später jedoch von der Großherzoglich-hessischen Obersteuerdirektion und, dieser folgend, vom Großherzoglich-hessischen Landgericht Wimpfen, vertreten durch LANDRICHTER CEßNER, auf 833,58 Mark beziffert wurde, und Wilhelm von Wimpffen nun, vom Landrichter unterstützt, um Nachlass der nunmehr noch verlangten Entrichtung des Differenzbetrages in Höhe von 131 Mark und 90 Pfennig bat. Wie diese Sache beschieden wurde, ließ sich nicht ersehen.
Leider finden sich nur ganz wenige Dokumente, die über die Wimpfener Lebensumstände des Zugezogenen mit Familie Auskunft geben. So sucht man etwa im „Verzeichnis sämtlicher Schüler” der Städtischen Real- bzw. der Höheren Bürgerschule der Jahre 1874/75 ff. nach dem Namen in der Zeit des Zuzugs 12 Jahre alt gewordenen Sohnes MAX(IMILIAN) PAUL vergeblich, was sich vielleicht damit erklärt, dass dieser u. U. in einem Internat untergebracht gewesen ist oder Privatunterricht erhalten hat. Genau so sind Baron Wilhelm von Wimpffens Ehefrau AMALIE (oder auch AMÉLIE, wie diese sich selbst in ihren Unterschriften nennt) und die beim Zuzug rund 14 Jahre alt gewesene Tochter SOPHIE CHARLOTTE leider hinsichtlich etwa ihres täglichen Tuns oder ihrer Kontakte zu Wimpfens Einwohnerschaft u. a. m. nicht mehr zu fassen. Die mangelnde Kenntnis über das Leben und den Umgang der Familie Von Wimpffen in den wenig mehr als ein halbes Dutzend Jahren ihres Wohnens in Wimpfen gilt auch für die eigentlich zu erwartende, doch fehlende Dokumentation des Eigentumswechsels des oben beschriebenen Haus- und Grundstücksbesitzes der Katharina von Wimpffen in den Grundbuch-Supplementbänden, wobei eigentlich davon auszugehen ist, dass deren Brüder Wilhelm und Dagobert und die Schwester Pauline die Erben und damit Mitbesitzer gewesen sind. Drei Eintragungen im Sitzungs-Protokollbuch des Gemeinderates benennen allerdings den ortsansässigen WILHELM VON WIMPFFEN als deren, so man muss man daraus eigentlich annehmen, alleinigen Eigentümer:
– Mai 1876: Der Bürgermeister verliest ein Schreiben des Baron von Wimpffen, wonach derselbe vom Kauf eines aus dem Nachlass des (ehemaligen Kreisrates) Freiherrn von Stein stammendes und von der Gemeinde zu ersteigern beabsichtigtes Grundstücks (beim Steinhaus) Abstand nehmen will, wenn diese ihm ein beim Roten Turm gelegenes und seither an Friedrich Dufais verpachtetes Grundstück zu einem entsprechenden Preis überlassen will.- Beschluss: Der Freiherr soll das fragliche Gelände unter der Bedingung erhalten, dass er eine 10 Fuß breite und im Gemeindeeigentum verbleibende Einfahrt nach dem Roten Turm herstellt und vom Kauf des von Stein’schen Grundes zurücktritt.- Man kann davon ausgehen, dass es sich bei dem der Gemeinde abgekauften Gelände am Roten Turm um den südwestwärtigen Teil des in der nachfolgenden Abb. W 8 rot bezeichneten solchen handelt, womit der diesem Turm anliegende Wimpffen’sche Gartenbesitz ausgedehnt wurde.
– September 1878: Der Verschönerungsverein will den bereits beim Roten Turm (im Norden neckarwärts) angelegten freien Platz vergrößern und bittet die Gemeinde, zu diesem Zweck ein dort gelegenes dem Baron von Wimpffen gehöriges Gärtchen zu erwerben.- Beschluss: Es soll dieses angekauft und dem Verschönerungsverein zu besagtem Zwecke zur Verfügung gestellt werden.
– Anlässlich der – später noch zu schildernden – in Wimpfen ausgangs September 1880 stattgefundenen Vermählung der Tochter SOPHIE ist in der Zeitung vom „elterlichen Wohnhause der Fräulein Braut” die Rede.
Dies alles geschieht, obgleich im Supplementband des Grundbuches von Wimpfen am Berg dieses wie auch die Gärten und der Weinberg beim Roten Turm immer noch als der (schon seit 6 Jahren verstorbenen) Baronin Katharine von Wimpfen gehörig eingetragen ist. Das gilt auch für den in der
- Abb. W 8: Metrischer Plan zu einem Messbrief des Jahres 1882
dargestellten Skizze mit Berechnungsgrundlegen des Geometers Groß vom 30. November 1882, wo die Vorgenannte nach wie vor als die Grundstücksbesitzerin aufgeführt ist. Allerdings ist vor deren Namen „modo (= eben erst): Breuninger, Ludwig” gesetzt, was wohl bedeutet, dass dieser die von Wimpffen’schen Güter verwaltet und die Besitzer vertreten hat, nachdem Wilhelm von Wimpffen zwei Jahre zuvor gestorben und seine Gattin mit Kindern vermutlich damals weggezogen gewesen war. Der Vergleich dieses Planes der Abbildung W 8 mit jenem der Abbildung W 2 zeigt, dass die ursprüngliche Lückenhaftigkeit und damit fehlende Geschlossenheit des Wimpffen’schen Gartenbesitzes, die allerdings eine von der Schwester bzw. Schwägerin laut Angabe der Zeitung im Auge gehabten umfänglichere Bebauung wohl kaum zugelassen hätte, jetzt einer Änderung durch Erweiterung und Zusammenlegung im Benehmen insbesondere mit der Gemeinde Wimpfen unterworfen worden ist, die damit eine Verbesserung des Zugangs und der Freistellung des Roten Turmes durch die Vergrößerung des auf der nordwärtigen Schau- sowie Nordwestseite schon bestehenden Platzes erreichte.
Im Juli 1890 ist im Zusammenhang mit dem jetzt erfolgten Verkauf des gesamten ehemaligen Von Wimpffen’schen Haus- und Grundbesitzes an den vorgenannten ehemaligen kurzzeitigen Besitzer des Mathildenbades LUDWIG BREUNINGER wieder in alter Manier in der Zeitung vom „Haus des Barons von Wimpffen” die Rede. Im Grundbuch-Supplement-Band Wimpfen am Berg ist der Wechsel der Besitzerschaft am gesamten Wimpffen’schen Haus- und Garten/Weinbergbesitz, wie schon gesagt, ohne Eintragung der Nacherben der Katharine von Wimpffen, folgendermaßen ausgewiesen:
01.12. 1870 bzw. 1. 12. 1871 bzw. 22. 04. 1873: | Baronin Katharine von Wimpffen |
22. 12. 1886: | Wilhelm Ludwig Vörg und Ehefrau geb. Schneider durch Kauf |
13. 06. 1888: | Robert Fuldner zu Heilbronn durch Erbschaft |
29. 08. 1890: | Ludwig Breuninger und Ehefrau geb. Link durch Kauf |
Hieraus tut sich – wir eilen hier dem Geschehensverlauf etwas voraus – hinsichtlich der Bewohnung des Von Wimpffen’schen Hauses eine Wissenslücke auf, welche den Zeitraum ab dem durch den frühen Tod des Wilhelm von Wimpffen erfolgten Wegzug seiner Witwe Amalie mit Kindern in den beginnenden 1880er Jahren bis zum Zeitpunkt des Hauskaufs durch WILHELM LUDWIG VÖRG (geb. am 18. April 1833 – gest. am 9. Januar 1888) und Ehefrau ausgangs 1886 umfasst. Wohl wichtig zu wissen, dass es sich bei dem oben ausgewiesenen Käufer des Von Wimpffen’schen Hausanwesens um eine unternehmerisch wie vereins-, gemeinde-, partei- bis landespolitisch enorm und bleibend aktiv gewesene Persönlichkeit Wimpfens gehandelt hat, dessen immenses berufliches Tun und öffentliches Wirken sich wie folgt manifestiert: Zunächst war dieser Inhaber des Gasthofes und Badehotels „Ritter” an der oberen Steige beim „Kalten Loch” und Mitmotor der 1869 erreichten Einbeziehung Wimpfens in das Eisenbahnnetz; auch Mitgründer und Teilhaber der darunter an der Steige in der ehemaligen Herrnmühle eingerichteten Papierfabrik; zeitweise Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, ab 1874 Gemeinderat, auch Rechner der sog. Pfennigsparkasse und entflammter Redner bei nationalen Feiern wie Fahnenweihen und am Sedanstag. Ab 1876 wohnte er nach Übernahme der Pächterschaft des dort neu erbauten großen Gastronomie-Gebäudes „Harmonie” in Heilbronn und war Mitglied der dortigen Freimaurerloge „Karl zum Brunnen des Heils”. Nach der Rückkehr nach Wimpfen gegen Mitte der 1880er Jahre lebte er als „Rentner” oder auch „Privatier”, war aber immer noch politisch tätig. Im August 1887, nachdem er wenige Monate zuvor seine aus Berg bei Stuttgart stammende Frau BERTA, GEB. SCHNEIDER, verloren hatte, wurde er zum Abgeordneten des Hessischen Landtags für den Wahlbezirk 1 (Wimpfen-Neckarsteinach-Hirschhorn-Beerfelden) gewählt. Ein Herzschlag beendete ein knappes halbes Jahr danach im beginnenden Januar 1888 sein reich erfülltes Leben. Dessen plötzlicher Tod nach vermutlich entweder kaum einem Jahr des Wohnens oder auch länger, falls er zuvor dort bereits schon nach seiner Rückkehr aus Heilbronn in Miete gewohnt haben sollte, im ehedem Von Wimpffen’schen Haus erklärt den Umstand, dass dieses im Sommer 1888 auf (ungeklärtem) Erbweg in den Besitz von ROBERT FULDNER zu Heilbronn gelangt ist. Dass damals der älteste Bruder Wilhelm der 1875 verstorbenen Katharina von Wimpffen, obgleich dies aus der Eintragung im Grundbuch-Supplement-Band nicht hervorgeht, faktisch der wirkliche Besitzer all der von dieser hinterlassenen Wimpfener Immobilien gewesen ist, das geht aus dem Text einer Art General-Vollmacht hervor, die von der überlebten jüngsten der vier Von Wimpffen-Geschwister PAULINE GRÄFIN VON WIMPFFEN unter dem 22. August 1886 dem Wimpfener Beigeordneten und ehemaligen Apotheker sowie Freund der Von Wimpffen-Familie DR. EMIL MÖRIKE anlässlich des in Gang gebrachten Verkaufs des einstigen Von Wimpffen’schen Haus- und Grundbesitzes an Wilhelm Ludwig Vörg und Ehefrau erteilt worden ist. Diese lautet folgendermaßen:
„Nachdem bei dem Ableben meiner Schwester, der St. Anna-Stiftsdame, Freiin Catherine v. Wimpffen, zu München eine Erbauseinandersetzung zwischen den hinterbliebenen erbberechtigten Geschwistern, nemlich mir und meinen seither verstorbenen Brüdern Wilhelm und Dagobert längst erfolgt, u. hierbei der Immobilbesitz zu Wimpfen a. Berge auf erstern übergegangen, wobei wie es scheint der grundbücherl. Eintrag unterlassen wurde, u. nachdem nun die Kinder u. Erben desselben seither verstorbenern Bruders Wilhelm die erwähnten Immobilien anderweitig veräußert haben, so erkläre ich, Endes-Unterzeichnete mich hinsichtlich aller mir zugefallenern Erb- u. andern Rechten als längst befriedigt und ganz einverstanden mit der directen Umschreibung des Eigenthumsrechtes von meiner Schwester Katharine auf den neuen Käufer, Herrn Wilhelm Vörg; ermächtige u. bevollmächtige auch den Großh. Hessischen Beigeordneten Dr. Emil Moerike zu Wimpfen a. Berg in meiner Nahmen alle gerichtlichen u. außergerichtlichen Schritte zu thun, sowie Urkunden zu unterschreiben, welche die Beurkundung und Begleichung der directen Umschreibung und meinen Verzicht auf das genannte Eigenthum, respective meine Befriedigung bezüglich aller mir an den fragl. Immobilien früher zugestandenen Rechten jeder Art beurkunden sollen. – Zugleich ertheile ich dem genannten Dr. Moerike hiemit Substitutions-Befugniß.- So geschehen Seggau Steiermark d. 22/8 1886 Pauline Gräfin Wimpffen FeldmschlLieutenants Wittwe geb. Wimpffen.”
Dieser Schriftsatz lässt erkennen, dass Wilhelm von Wimpffen faktisch der Besitzer des Haus- und Grundbesitzes seiner verstorbenern Schwester durch Auszahlung seiner Geschwister Dagobert und Pauline geworden ist. Dazuhin heißt es in einer vorausgegangenen ersten kurzgefassten Erklärung der Pauline, die mit „Graz am 16. Juni 1886” datiert ist, wie folgt:
„Ich … bestätige hiermit, daß ich meinen 3. Antheil des Werthes des Hauses u. Gutes in Wimpfen am Neckar von meinem Bruder Wilhelm Freiherrn von Wimpffen vollständig ausbezahlt erhalten habe.”
Offenbar suchte man im Zuge der Erwerbung des Von Wimpffenschen Hauses des Jahres 1886 durch das Ehepaar Vörg die früheren amtlich-formellen Versäumnisse aufzuarbeiten und damit nachträglich der gesetzlichen Ordnung zu genügen. Das geht auch aus der Tatsache hervor, dass damals über die seitens der jüngeren Schwester der Verstorbenen PAULINE GRÄFIN VON WIMPFFEN an den Großherzoglichen Beigeordneten Dr. Mörike übergebenen Vollmacht hinaus an denselben auch seitens der beiden Gattinnen der erbberechtigt gewesenen zwei Brüder WILHELM und DAGOBERT, nämlich BARONIN AMÉLIE WIMPFFEN GEB. ROUX DE DAMIANI und LOUISE FREIFRAU V. WIMPFFEN, wie diese sich in ihren diesbezüglichen Unterschriftsleistungen nannten, eingeschlossen deren Kinder SOPHIE und MAXIMILIAN bzw. KATHARINE und WILHELM, eine gerichtlich bestätigte „General- und Specialvollmacht” erteilt wurde. In gleicher Weise wurde Dr. Moerike durch diese unter dem 6. September 1886 ermächtigt, diese alle „im Nachlaße der Sct. Anna Ehrenstiftsdame Freiin Katharina von Wimpffen zu München, insbesondere in Betreff des Verkaufs der zu diesem Nachlasse gehörenden Immobilien in der Gemarkung Wimpfen am Berg zu vertreten, indem wir Alles, was unser genannter Bevollmächtigter bereits für uns gethan hat u. noch thun wird, als von uns selbst gethan ansehen, insbesondere soll Derselbe ermächtiget sein, Mo- und Immobilien zu veräußern und zu verpfänden, Erbschaften für uns anzutreten und auszuschlagen, Prozeße zu führen, Vergleiche abzuschließen zu verzichten, Gelder für uns einzunehmen und gültig darüber zu quittieren, alle Urkunden für uns auszustellen und zu unterschreiben, überhaupt alles Namens unser zu thun und zu unterlassen, was ein General- oder Specialbevollmächtigter nach den Gesetzen zum thun berechtigt ist, wenn Solches hier auch nicht speciell gesagt sein sollte.” Auf diesem Wege ist es zum o. a. Eintragung des 22. Dezember 1886 (unter Verzicht auf Nachholung versäumter Einträge) sowie der durch Besitzwechsel entstandenen Fortführung in den Jahren 1888 und 1890 gekommen. Der vorgenannte Gang des Eigentumswechsels wird an späterer Stelle im Zusammenhang mit dem plötzlichen Tod des Wilhelm von Wimpffen noch einmal anzusprechen sein.
Im Zusammenhang mit dem Zuzug des BARONS WILHELM VON WIMPFFEN, um wieder zu dessen Person und damit zur eng dem Zeitgang folgenden Schilderung des Geschehens zurückzukehren, ist über den vom damaligen Landstädtchen Wimpfen als historisches Großereignis empfundenen Besuch des (nunmehr) GENERALFDELDMARSCHALLS HELMUTH VON MOLTKE zu reden. Dieser erfolgte am 25. September 1876 und galt sicherlich allein dem „Vetter”, wie es heißt (genauer: dem Vetter 2. Grades), WILHELM VON WIMPFFEN und dessen Familie. Vom „Wimpfener Boten” ist dieser jedoch zu einem von dem großen Feldherren vorgenommenen Akt der „strategischen Erkundung” Wimpfens hochstilisiert worden:
„Heute erfreuten wir uns eines hohen Besuches. Generalfeldmarschall von Moltke traf mit dem Zug 8 Uhr 30 Min. Vormittags von Heilbronn her kommend hier ein und wurde am Bahnhof von seinem Vetter Herrn Baron von Wimpffen empfangen. Im Laufe des Vormittags besichtigte der hohe Gast die Kirchen und sonstigen Sehenswürdigkeiten unserer Stadt. Zweck seines Besuches war jedenfalls, Wimpfen als strategischen Punkt kennenzulernen. Bei seiner Abfahrt war am Bahnhof eine Anzahl Realschüler mit Trommel und Fahne als Ehrenwache aufgestelllt. Vor dem Einsteigen besichtigte er dieselbe und richtete an die Lehrer und einzelne Schüler einige Fragen. Unter den Hochrufen des zahlreich versammelten Publikums setzte sich der Zug in Bewegung.” In der Chronik der Evangelischen Kirchengemeinde wird dieses denkwürdigen Besuches folgendermaßen Erwähnung getan: „Den 25. September sah Wimpfen eine weltgeschichtliche Person in ihren Mauern, den berühmten Schlachtenlenker Feldmarschall Grafen Moltke, welcher einen Besuch bei seinem (fälschlicherweise!) Neffen, dem hier wohnenden Baron vom Wimpffen, machte.”
Hierzu ein damals in vielen Häusern hängendes Konterfei des vielverehrten Schlachtenlenkers gezeigt:
- Abb. W 9: Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke (1800 – 1891).
Wie aus der Heilbronner Dürr’schen Chronik zu erfahren, kam dieser Besuch im Zuge der Rückreise Moltkes von Heilbronn nach Berlin zustande. Vorausgegangen war die für den bald 76-jährigen Grafen sehr anstrengende Teilnahme an den Herbstmanövern sowie anschließend Besuchstage in Stuttgart sowie dann am 24. September nach Einladung noch die ihm sehr unwillkommene Teilnahme an der Herbstfeier des Veteranenvereins Heilbronn zusammen mit seinem Adjudanten und Schwager Hauptmann von Burt mit dem gräflichen Gast vor dem Gasthof zum Falken gegebener Serenade und anschließender Übernachtung. „Er fühlte sich”, so urteilt Dürr, „ … sehr angegriffen und reiste hierher in der Absicht, hier einige Tage ungestört und unbehelligt auszuruhen. Diese Absicht konnte er aber nicht erreichen, und er reiste deshalb sofort am andern Tag wieder nach Berlin.” Dies geschah jedoch, nicht ohne auf dem angetretenen Weg noch seinen Von-Wimpffen-Verwandten mit Familie zu besuchen, den er genau wie dessen Bruder Dagobert bei seinem in Kapitel T. Württembergische Nebenlinie geschilderten kurzen Stuttgarter Besuch des Jahres 1840 nicht zu sehen bekommen hatte.
c. Nach dem unvermittelten Tod des Freiherren Wilhelm von Wimpffen auf dem Feld bei Hohenstadt während der Jagd im November 1879 zieht dessen Ehefrau Amalie von Wimpffen in den beginnenden 1880er Jahren, nachdem zuvor noch in Wimpfen die zum Stelldichein der freiherrlichen sowie gräflichen Verwandtschaft sowie des kraichgau-neckarunterländischen Adels werdende Vermählung der Tochter Sophie mit dem baltischen Baron Theodor von Ungern-Sternberg vollzogen worden ist, mit ihrem Sohn Maximilian aus Wimpfen weg.
Den Gemeinderatsprotokollen des beginnenden Jahres 1879 ist entnehmbar, dass damals an Baron Wihelm von Wimpffen die Jagd der Gemarkungen Wimpfen am Berg, Wimpfen im Tal und Hohenstadt für jährlich 501 Mark verpachtet wurde, während diejenige der Gemarkung Helmhof mit Forstbezirk für 151 Mark an Christian Wacker I. ging. Den erstgenannten Sachverhalt erfahren wir auch aus den tragischen Begleitumständen des plötzlichen Todes des Barons Wilhelm von Wimpffen im Spätherbst desselben Jahres im Alter von nur 59 Jahren, der in der Chronik der evangelischen Kirchengemeinde für das Jahr 1859 so vermerkt ist: „Am 15. November starb plötzlich am Schlagfluß, auf der Jagd in Hohenstädter Gemarkung der Freiherr Wilhelm von Wimpffen, welchem von seiner Familie auf dem hiesigen Friedhof ein schönes Grabdenkmal errichtet wurde, gleich links am Eingang des Kirchhofes.”
Die Todesumstände lassen sich auch der
- Abb. W 10: Standesamtliche Feststellung des Todes von Baron Wilhelm von Wimpffen vom 15. November 1879
entnehmen. Aus dieser geht auch hervor, dass der als Privatier bezeichnete ehemalige Apotheker und Freund des Hauses Wimpffen DR. EMIL MÖRICKE (oft auch als MÖRIKE/MOERIKE erscheinend), der das am Vormittag um elfeinhalb Uhr eingetretene Ableben seines Jagdkollegen bezeugt, auf dem Felde zu Hohenstadt zugegen gewesen ist. Die seitens des Evangelischen Pfarramtes Wimpfen I im Sterbebuch erfolgte Eintragung des Todes und des Begräbnisses ist gezeigt in der
- Abb. W 11: Feststellung des Todes und der Beerdigung des – wie es heißt – Reichfreiherrn Paul Wilhelm Maria von Wimpffen im Sterbebuch der Evangelischen Kirchengemeinde.
Die „Wimpfener Zeitung” gedachte dieses anrührenden Ereignisses und der Beisetzung des Verstorbenen durch den hier angefügten längeren Bericht vom 18. November 1879 wie folgt:
- Abb. W 12: Bericht der „Wimpfener Zeitung” über die am 18. November 1879 auf dem Friedhof zu Wimpfen am Berg erfolgten Bestattung des Freiherren Wilhelm von Wimpffen mit eingeflochtenem Nachruf.
Bei dem als Freund des Hauses bezeichneten Sprecher des Nachrufs am Grabe handelte es sich um den bereits an früherer Stelle erwähnten JOSEPH FREIHERR VON ELLRICHSHAUSEN ZU ASSUMSTADT (geb. 1832 in Stuttgart – gest. 1906 in Assumstadt), Besitzer der Rittergüter Assumstadt, Maisenhälden, Ernstein bei Züttlingen/Jagst sowie Jagstheim bei Crailsheim. Wie ehedem der Verstorbene hatte dieser in der württembergischen Armee bei der königlichen Leibgarde gedient und war – wie bereits festgehalten – 1862 Nachfolger des Wilhelm von Wimpffen in dessen Funktion als Rittmeister und Kommandant der württembergischen Feldjägerschwadron gewesen. Als solcher hatte er mit dem Dragoner-Regiment „Königin Olga” die Kriege von 1866 und 1870/71 mitgemacht und dafür 1870 das Ritterkreuz 2. Klasse mit Schwertern des Ordens der Württembergischen Krone und das Eiserne Kreuz erhalten und war am Tage der Schlacht von Champigny-sur-Marne zum Major befördert worden. In den letzten Jahren hatte er in der Preußischen Armee beim 13. Ulanen- und 4. Kürassier-Regiment Dienst getan und 1876 dort als Oberstleutnant seinen Abschied genommen. Ellrichshausen war Mitglied der Ersten Kammer des Württembergischen Landtags als Vertreter der Ritterschaft des Neckarkreises. Später (1887) gelangte er sogar nach seinem eindeutigen Sieg über den Demokraten Georg Härle für den Wahlkreis Württemberg 3 (Heilbronn, Besigheim, Brackenheim, Neckarsulm) als Vertreter der rechtsgerichteten Kartellparteien (Deutschkonservative, Deutsche Reichspartei, Nationalliberale) als Abgeordneter in den 7. Deutschen Reichstag. Nach der Neuwahl im Februar 1890 musste er jedoch dem vorgenannten Georg Härle weichen. Will man die am Schluss des vorstehenden Zeitungsberichts gemachte Aussage, Wilhelm von Wimpffen habe „zuletzt die Stellung eines Majors und Kommandanten der damals so beliebten Feldjägerschwadron” innegehabt, so ist aus dieser der folgende den bislang unerhellten Zeitraum von ca. 1865 – 1875 berührende Schluss zu ziehen: Dessen ca. 1864 erfolgtem Ausscheiden als Rittmeister in der Königlichen Garde a. D. könnte später eine kürzere oder längere Wiederaufnahme des Militärdienstes und Beförderung zum Major und Kommandanten der Feldjägerschwadron erfolgt sein, die im Hinblick darauf, dass Joseph von Ellrichshausen das Kommando derselben aber erst nach den Kriegen von 1866 und 1870/71 im Zusammenhang mit dem Wechsel in den Armeedienst Preußens abgegeben hat, erfolgt sein kann. Oder handelt es sich bei dieser Feststellung der Zeitung schlichtweg um nicht mehr als eine irrtümliche Angabe? Jedenfalls ist Wilhelm von Wimpffen im Deutschen Adelslexikon von Kneschke des Jahres 1870 nicht mit Major, sondern mit „k. württemb. Kammerh. und Rittm. a. D.” betitelt. Die im Nachruf gepriesene Wohltätigkeit des Verstorbenen wird in einer Zeitungsnotiz vom 28. Dezember 1880 evident, die besagt, dass „die von dem verstorbenen Freiherrn von Wimpffen testierten Zinsen in Höhe von 80 Mark auch in diesem Jahr zu Christtagsgeschenken für arme Kinder verteilt” worden sind. In ähnlich caritativer Weise bringt sich damals auch dessen Bruder Dagobert von Wimpffen ein, von dem zu dieser Zeit, wie es in der Zeitung heißt, „eine Sendung aus München von Kleidungsstücken und Spielsachen” eingetroffen ist.
Im Folgejahr des Todes des Vaters, nämlich am 25. September 1880, heiratet die 19-jährige Tochter des Verstorbenen SOPHIE CHARLOTTE VON WIMPFFEN (1861 – 1907) den in Kertel in Estland wohnenden 23-jährigen BARON THEODOR LEONHARD RUDOLPH VON UNGERN-STERNBERG (geb. 1853 – gest. zwischen 1918 und 1923). Als Ersatz dafür, dass man wohl damals sich den großen technischen Aufwand und die Kosten für ein Hochzeitsfoto vermutlich auch in Niederadelskreisen nicht geleistet hat oder auch sich nicht leisten konnte, seien hier zwei vorliegende getrennte Fotos der Heiratspartner wiedergegeben, die insofern gar nicht gut zusammenpassen wollen, als die Aufnahme der Braut nur eine Kopf-Schulter-Schrägansicht, wogegen – abgesehen vom anderen Rand- und Größenformat – die des Bräutigams eine bis zur Brust reichende Frontalansicht darstellt. Überdies gewinnt man den Eindruck, dass beim Vergleich das stark vier Jahre höhere Alter des Bräutigams gegenüber der Braut sich hier deshalb verkehrt, weil jener bei der Herstellung der Fotografie noch im ausgehenden Jünglingsalter und jene vergleichweise eher schon in etwas reiferem Alter gestanden erscheint:
- Abb. W 13: Fotografie unbekannten Datums der Baronin Sophie Charlotte von Ungern-Sternberg, geb. von Wimpffen, geb. am 25. Juli 1861 in Stuttgart (sicherlich aus der Zeit nach ihrer Verehelichung mit dem Nachgenannten stammend;
- Abb. W 14: Fotografie unbekannten Datums des Barons Theodor Leonhard Rudolph von Ungern-Sternberg, geb. am 11. April 1857 in Kertel/Estland.
Der Bräutigam konnte einen imponierenden bisherigen Lebensgang vorweisen:
– Geboren am 11. April 1857 in Kertel (Estland),
– Besuch der Domschule der estnischen Hauptstadt Reval,
– Besuch des Gymnasiums in Ahrensburg (Südestland),
– Studium der Geologie und Chemie ab 1876 in Leipzig,
später in Paris, Berlin und Heidelberg,
– Dr. phil. et Mag. bon. art. in Leipzig, Habilitation;
unterbrochen 1877/78 durch die Teilnahme am Russisch-türkischen Krieg
als Freiwilliger (Offizier) des Garde-Ulanen-Regiments.
Wie die
- Abb. W 15: Bericht der „Wimpfener Zeitung” vom 27. September 1880 über die Verehelichung der Sophie Freiin von Wimpffen mit Baron Theodor Leonhard Rudolph von Ungern-Sternberg
ausweist, wurde die in Wimpfen stattgefundene Hochzeit zu einem Aufsehen erregenden Stelldichein von Teilen der weitgespannten Von-Wimpffen-Verwandtschaft einerseits und des unterländisch-kraichgauischen Adels andererseits.
Die in
- Abb. W 16: Urkunde des von Bürgermeister Ernst geführten Standesamtes Wimpfen über die bürgerliche Eheschließung der Freiin Sophie von Wimpffen mit Baron Theodor Leonhard Rudolph von Ungern-Sternberg am 25. September 1880 (verkleinert und von einer Textspalte auf zwei solche gebracht) unter Nr. 10/1880 geführten und
- W 17: Eintragung im Traubuch der Evangelischen Kirchengemeinde Wimpfen am Berg unter Nr. 10/1880 über die am 25. September 1880 in der Evangelischen Stadtkirche Wimpfen am Berg stattgefundene kirchliche Eheschließung der Sophie von Wimpffen mit Theodor Leonhard Rudolph von Ungern-Sternberg Freiherr von Pürkel auf Erras in Estland
gezeigten Dokumente stellen eine lesenswerte instruktive Datensammlung über die Heiratenden und die hochgestellten Eltern des Bräutigams, dazuhin über den oben bereits an zwei Stellen umschriebenen brautseitigen Zeugen Baron Joseph von Ellrichshausen zu Assumstadt dar, der in der standesamtlichen Urkunde seiner Unterschrift den aktuellen Offiziersrang „Oberstlt. a. D.” (Oberstleutnant außer Dienst) beifügt.
Wenngleich im Zeitungsbericht auf die seit 1876 gesetzlich eingeführte Ziviltrauung zuerst und auf die für die beidseits der evangelisch-lutherischen Kirche angehörenden Heiratenden in der „evangelischen Pfarrkirche” stattgefundene kirchliche Trauung erst an zweiter Stelle hingewiesen ist, hat die letztgenannte gesetzesentsprechend natürlich vor der erstgenannten stattgefunden. Dass die, wie es heißt, „Civiltrauung … im elterlichen Wohnhause der Fräulein Braut”, d. h. im oben gezeigten und beschriebenen und keineswegs palastartigen Haus am Anfang des Burgviertels neben dem Rathaus, durchgeführt wurde, stellte sicherlich so etwas wie eine Verbeugung der Stadtbehörde vor der freiherrlichen Familie und ihrer hohen gräflichen und französischen Verwandtschaft dar. Dessen ungeachtet, gibt William Addams Reichwiesner in seiner im Internet zu findenden Genealogischen Zusammenstellung „The Ancestors of Roman, Baron von Ungern Sternberg (1885 – 1921)“ falscherweise (in Verkennung der bescheidenen Einkommens-, Vermögens- und Wohnverhältnisse derselben) an, diese Heirat sowie auch der Tod des Brautvaters des Jahres 1879 sei „im Schloß Wimpffen am Neckar“ erfolgt!
Die im Zeitungsbericht nach der Braut und ihrem verstorbenen Vater sowie dem Bräutigam aus der Gästeschar zuerst aufgeführten
– Eltern des Letztgenannten namens ROBERT (II.) EGINHARD BARON VON UNGERN-STERNBERG (geb. 1813 in Birkas, gest. 1898 in Dägö-Kertel) und BARONIN WILHELMINE HELENE NATALIE VON UNGERN-STERNBERG GEB. RENNENKAMPFF (1823 – 1909) aus Kertel in Estland (estnisch Kärdla), gelegen auf Dagö (estnisch Hiiumaa), der zweitgrößten estnischen Insel, stammten aus namhaften deutsch-baltischen Adelsgeschlechtern, die weitverzweigten UNGERN sogar aus baltischem Uradel. Die Ungern hatten sich zunächst in Estland und Kurland ausgebreitet und führten den Zusatz STERNBERG zuerst seit 1593 in Polen-Litauen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erfolgten schwedische Erhebungen der Ungern-Sternberg in den Freiherrenstand, die dort vor allem hohe Militärstellen bekleideten. Damals wie auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden sich Abkömmlinge derselben mehrfach als Ritterschaftshauptmann der Estländischen Ritterschaft bezeichnet, welche die Politik des Landes autonom auch noch nach der 1721 erfolgten Übernahme der Herrschaft durch das russische Zarenreich bis zum Beginn der Russifizierungspolitik ab 1861 bestimmt hatte. Und in den Jahren 1874 und 1882 erfolgen sogar Bestätigungen bzw. Erhebungen in den russischen Grafenstand und 1885 die russische Anerkennung zur Führung des Barontitels für die Gesamtfamilie.
Der vorgenannte aus der Linie Birkas stammende Vater des Bräutigams hatte in Berlin, Aachen und in Belgien Naturwissenschaften studiert und war Rittergutsbesitzer und aufstrebender Industrieller zugleich, nämlich Besitzer des 1844 gekauften Dorfes Erras (estnisch: Erra) im Nordwesten Estlands und ab 1835 Direktor der Tuchfabrik Dagö-Kertel sowie Begründer der dort 1844 einzurichten begonnenen Arbeiterkolonie, ab 1872 Geschäftsführender Direktor der AG C. u. E. Ungern. Diese so genannte Tuchfabrik, die nach einem Brand des Jahres 1870 von diesem modern wiederaufgebaut worden war, beschäftigte in den 1880er Jahren über 700 Arbeiter, war mit Abstand der größte Arbeitgeber des kleinen Ortes und eine der ältesten und größten in Estland (begründet um 1830), bekannt für ihre hervorragende Qualität. Die geschaffenen zahlreichen in typischer Holzhausarchitektur erstellten Arbeiter-Wohnhäuser der Arbeiterkolonie drückten Kertel fortan ihren Stempel auf.
Hier sei das Wappen dieses Geschlechtes gezeigt, das heute noch u. a. auch in Süddeutschland sowie in der Schweiz zu finden ist:
- Abb. W 18: Das Wappen der von Ungern-Sternberg, in dessen viergeteiltem Schild die Wappenembleme (u. a. zwei Dreiergruppen französischer Lilien) der ursprünglichen von Ungern und im zentralen Beischildchen ein auf die Sternberg bezogener goldener sechszackiger Stern über grüner Rundberg-Landschaft erscheinen.
Der im Zeitungsbericht an späterer Stelle aufgeführte
– BARON VON UNGERN-STERNBERG aus Karlsruhe dürfte in verwandtschaftlichem Zusammenhang mit der Linie SCHWANENBURG stehen, aus der WILHELM (VI.) VON UNGERN-STERNBERG (1777 – 1847) 1819 das badische Indigenat erlangt hat und Badischer Kammerherr und Geheimer Rat wurde und später in Mannheim als Intendant des dortigen Hof- und Nationaltheaters lebte. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Anwesenden um des Vorgenannten Sohn AUGUST (IV.) VON UNGERN-STERNBERG (geb. 1817 in Mannheim) oder Enkel REINHOLD (XVII.) VON UNGERN STERNBERG (geboren 1860). Auf die Nennung weiterer im 19. Jahrhundert im Kaiserreich vor allem als Erzähler, Dichter und Maler bzw. Schriftsteller und Politiker bekannt gewordener Vertreter diese weitverzweigten baltischen Adelsfamilie wird hier verzichtet.
Nach den Eltern des Bräutigams, um nunmehr wieder dem Zeitungsbericht zu folgen, werden die folgenden weiteren Anwesenden genannt, wobei hier jetzt der schwierigen Durchschaubarkeit der Verwandtschaftsverhältnisse wegen im Fortgang neben der obigen Genealogischen Übersicht die II. Stammtafel von Wurzbach zu Hilfe genommen und dort zunächst die „Gräfliche Linie” wie die „Württembergische Nebenlinie”, später auch der „Französische Nebenzweig”, Generationen XIVc bzw. 12c bis XVIIc bzw. 15c, ins Auge gefasst werden sollten:
– die verwitwete Mutter der Braut AMALIE VON WIMPFFEN, GEB. DE ROUX-DAMIANI (1837 – 1925);
– der Bruder der Braut MAX(IMILIAN) VON WIMPFFEN (1861 – 1917);
– GRAF VICTOR VON WIMPFFEN (1834 – 1897), angeblich Feldmarschall aus Wien, doch – wie bereits in Kapitel S. Gräfliche Linie ausführlich dargelegt – in Wirklichkeit, was seinen militärischen Rang betrifft, einstiger österreichischer Corvettenkapitän. Er, der jüngste der drei Söhne des k. u. k. General-Feldzeugmeisters FRANZ EMIL LORENZ VON WIMPFFEN (1797 – 1870), war mit der reichen Erbin ANASTASIA FREIIN VON SINA ZU HODOS UND KIZDIA (1838 – 1889) verheiratet und nach seinem Ausscheiden aus dem Militärdienst in den 1870er Jahren u. a. Präsident des Verwaltungsrates der niederösterreichischen Südwestbahnen und später Hofrat und Generalinspektor der österreichischen Staatstelegraphen im Handelsministerium, schließlich im Zivilstaatsdienste tätig gewesen und im Jahr von Sophies Hochzeit 1880 ins Privatleben getreten. Neben der Verwaltung seiner vom Vater ererbten Güter Kainberg, Raitenau und Eichberg in der Steiermark sowie Battaglia in Oberitalien u. a. m. blieb er als der Dampfschifffahrt zugeneigter ehemaliger Marineoffizier immer noch lange Mitglied des Verwaltungsrates der ersten k. k. privaten Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft. Diesem gegenüber war durch die Vermählung seines Onkels GRAF GUSTAV ADOLF FELIX VON WIMPFFEN (1805 – 1880) mit dessen Kusine PAULINE VON WIMPFFEN (1822 – 1900) des Jahres 1850 (Näheres bereits vor allem in Kapitel U. Verwandtschaftliche Verknüpfungen zu finden; siehe dazu auch die Genealogische Darstellung in der obigen Abb. W 4a) die vorgenannte Tante sowie deren Nichte, die Braut Sophie von Wimpfen, gegenüber Victor zur Kusine geworden. Graf Victor hatte auf deren Hochzeit die umfänglich gräflich-österreichische Verwandtschaft zu vertreten, vor allem auch die wichtigste Person aus diesem Kreis, nämlich die an der Hochzeit gar nicht teilnehmende Tante von Sophie PAULINE. Deren Fehlen dürfte sich damit erklären, dass ihr gräflicher Gatte GUSTAV ADOLF FELIX am 25. April 1880, demnach wenige Monate zuvor, in Meran verstorben war. Dazuhin hatten diese ihren einzigen Sohn FRANZ DEMETRIUS (1850 – 1879) im Jahr zuvor durch Tod verloren.
Was die Identifizierung der des Weiteren aufgeführten beiden
– BARONE KARL UND LOUIS VON WIMPFFEN AUS PARIS betrifft, so sei zunächst zur Förderung des Verständnisses das gerafft wiederholt, was bereits in Kapitel R. Französischer Nebenzweig ausführlichst dargestellt sowie dort in Abb. R 1 genealogisch veranschaulicht ist: GRÄFIN IRENE (MARIA VIRGINA IRENA) VON WIMPFFEN (1807 – 1846), eine der Töchter des französischen Forst- und Wasserbauingenieurs FRANZ KARL EUGEN (1762 – 1835) sowie Großonkel der Braut Sophie von Wimpffen hatte JOHANN BAPTIST STEPHAN FRANÇOIS (1796 – 1947) geheiratet, aus deren Ehe KARL FRANÇOIS (geb. 1835) hervorging, der bis zum französischen Gesandten und Bevollmächtigten Minister aufgestiegen ist. Diesen hatte seine Tante, d. h. die ältere Schwester seiner Mutter, GRÄFIN VIRGINIE (JOHANNA VIRGINA IRENA) VON WIMPFFEN (1801 – 1886), verheiratet mit dem vielbewunderten französischen Diplomaten und Pair von Frankreich deutscher Herkunft KARL FRIEDRICH GRAF REINHARD (1761 – 1837), infolge des frühen Todes seiner Eltern 1856 an Kindesstatt angenommen, der dann den Geschlechtsnamen und Adel der Mutter WIMPFFEN annahm und so einen FRANZÖSISCHEN NEBENZWEIG DER VON WIMPFFEN bildete. Aus dessen am 1857 mit seiner Base MARIE GRÄFIN REINHARD geschlossenen Ehe gingen 1858 die Tochter JOHANNA und 1859 der Sohn LUDWIG hervor, der französischer Infanterie-Offizier wurde. Es steht außer Zweifel, dass die beiden durch Unterstreichung Herausgehobenen mit den im Zeitungsbericht als Trauergäste genannten Baronen aus Paris, nämlich dem Vater KARL VON WIMPFFEN, damals 45 Jahre alt, und dessen Sohn LOUIS (LUDWIG) VON WIMPFFEN, damals 21 Jahre alt, identisch sind; d. h.: der Erstbezeichnete war der Adoptivsohn, der Zweitbezeichnete das jüngere der beiden Kinder desselben bzw. der zwei Enkelkinder der VIRGINIE VON REINHARD, GEB. VON WIMPFFEN, die wiederum eine Kusine des verstorbenen Vaters der Braut WILHELM VON WIMPFFEN und somit eine Großkusine der Braut SOPHIE gewesen ist. Was den an später Stelle genannten
– BARON LOUIS VON WIMPFFEN anbelangt, so könnte hier vielleicht eine versehentliche Doppelnennung vorliegen.
Bei den nunmehr aufgeführten zahlreichen restlichen Festteilnehmern handelte es sich um nahestehende und fast ausnahmslos adlige Freunde der von dem freudigen Ereignis involvierten Von Wimpffen-Familie wie Ungern von Sternberg-Familie, worunter die
– VON ELLRICHSHAUSEN, VON HELMSTATT und VON GEMMINGEN dem freiherrlichen bzw. gräflichen Adel der kraichgauisch-neckarunterländischen Nachbarschaft angehörten.
Über die des Weiteren aufgeführten in etwa ein halbes Dutzende anderen adligen Festgäste lässt sich heute Verlässliches nicht mehr sagen, außer über
– BARON BIRKHAIN ZU WEINHEIM. Zweifelsfrei liegt hier hinsichtlich dieses Adelsnamens ein Fehler des Berichtenden vor; richtigerweise müsste der Nachname folgendermaßen lauten: BERCKHEIM. Denn zweifelsfrei handelt es sich bei diesem Gast um den FREIHERRN SIEGMUND THEODOR FRIEDRICH VON BERCKHEIM (geb. 1851 in Mannheim, gest. 1921 in Weinheim). Dieses legt fürs Erste die Namensähnlichkeit, dazuhin auch der Umstand nahe, dass in der sog. Kur- und Fremdenliste von Wimpfens „Badehotel Ritter“ des Sommers zwei Jahre davor 1878 die Eintragung „Freiherr von Berckheim, Major z. D., Weinheim“ auftaucht, womit niemand anders als der Sohn des höchst namhaften Schlossherrn in Weinheim an der Bergstraße namens FREIHERR CHRISTIAN FRIEDRICH GUSTAV VON BERCKHEIM (geb. 1817 in Colmar/Elsass, gest. 1889 in Meran-Obermais) gemeint sein kann. Hier zwar nicht von Bedeutung ist der Umstand, dass der Vorgenannte als badischer Staatsminister und Großhofmeister am Hofe des Großherzogtums Baden dessen Verkehrserschließung in seiner Gesamtheit bis hin im Süden zum Breisgau und (über Basel und somit Schweizerisch-Eidgenössisches Staatsgebiet) dem Bodenseeraum hin zustandegebracht hatte und nach der Gründung des Deutschen Kaiserreiches Badischer Gesandter in der Hauptstadt Berlin geworden war. Gewicht im Sinne der Verifizierung der personalen Schlüsse hat jedoch der weitere Umstand, dass dessen Vater im Jahr 1868 seinem Weinheimer Schloss einen mächtigen 39 Meter hohen Schlossturm im Stile der Neugotik hatte anfügen lassen, welcher der neugotischen Haube mit vier Ecktürmen des Blauen Turmes in Wimpfen nachempfunden worden war. Daraus wie aus der Namens-Eintragung im Gästeverzeichnis des „Ritter“ des Jahres 1878 ist zu schließen, dass die Weinheimer FREIHERREN VON BERCKHEIM in den 1860er Jahren sowie auch in den 1870er Jahren Konnex zum hessen-darmstädtisch exklavierten Wimpfen am Neckar, dem 1871/72 die Zuordnung zum Kreise Heppenheim an der Bergstraße gebracht hatte, gepflegt haben. Dass dieser sich auch auf die damals in Wimpfen angesiedelten FREIHERREN VON WIMPFFEN erstreckte, liegt auf der Hand, zumal der Vater wie auch die Mutter des Siegmund von Berckheim aus altem elsässischem Adel stammten und dorthin beibend enge Verbindung pflegten. Wie sein Vater wurde dieser Großherzoglich-badischer Diplomat und zunächst u. a. badischer Ministerresident (Gesandter) in München; und als solcher war er dann von 1903 – 1914 in Sachsen und in Preußen tätig. Nach dem Tod seines Vaters 1889 Schlossherr in Weinheim geworden, widmete er den hinter dem Schlosspark sich anfügenden und vom Vater 1872 zu begründen begonnenen berühmten, 60 ha großen, sog. Exotenwald, auch Arboretum genannt. 1900 wurde er sogar in den Grafenstand erhoben.
– DR. E. (EMIL) MÖRICKE, ehemaliger Apotheker und Beigeordneter (des Bürgermeisters) aus Wimpfen am Berg, der in späteren Jahren, wie bereits dargelegt, der Familie als Interessenvertreter in deren problembehafteten Immobiliensachen zu Diensten gestanden hat, dürfte der einzige als Freund des Hauses eingeladene nichtadlige Gast gewesen zu sein.
Wenngleich nicht beantwortbar, sei hier im Vorausblick auf den im Nachfolgekapitel X. Robert alias Roman ausgebreiteten unglückseligen Verlauf dieser in Wimpfen geschlossenen Ehe die Frage eingeschoben, ob die Braut und deren ein knappes Jahr zuvor Witwe gewordene Mutter Amalie von Wimpffen oder auch die Glieder der bei der Hochzeit anwesenden hochgestellten Adelsverwandtschaft eine bange Vorahnung dessen gehabt haben könnten, was im Zuge dieser Eheschließung an immerwährenden Konflikten, Sorgen, Leid, ja, was die Brautmutter betrifft, lebenslanges Verfolgt- und Gefordertwerden zukommen würde?
Die nachstehende
- Abb. W 19: Todesanzeige vom 4. April 1881 über das Ableben des Königlich Württembergischen Kammerherren Dagobert von Wimpffen in der Nr. 42 der „Wimpfener Zeitung”
zeigt, dass knapp anderthalb Jahre nach dem Tod des Wilhelm von Wimpffen und rund ein dreiviertel Jahr nach der spektakulären Verheiratung seiner Tochter Sophie auch dessen Bruder bzw. deren Onkel REICHSFREIHERR DAGOBERT VON WIMPFFEN in München im gleichen Alter von 59 Jahren verstorben ist. Dieser Umstand führt zu der Annahme, dass es vornehmlich Gesundheitsgründe gewesen sind, weshalb dieser zusammen mit seiner Gattin LOUISE REICHSFREIFRAU VON WIMPFFEN sowohl bei der Beisetzung seines älteren Bruders als auch bei der Hochzeit seiner Nichte nicht anwesend gewesen ist. Als Unterzeichnende erscheinen nur die Gattin und die beiden Kinder KATHARINA und WILHELM sowie die von den drei Geschwistern des Verstorbenen jetzt nur noch lebende Schwester PAULINE VON WIMPFFEN. Da die beiden Kinder des Dagobert und der Louise (siehe deren Daten in der obigen Genealogischen Darstellung der Abb. W 4b) noch minderjährig waren, die Tochter knapp 17, der Sohn 16 Jahre, bekamen diese vom Amtsgericht München HANS GRAF TAXIS, k. u. k. Hauptmann außer Dienst, wohnhaft in Waizenkirchen in Oberösterreich, als Vormund gestellt. Aus einer von Louise im Zusammenhang mit der oben dargelegten Wimpfener Erbproblematik an Dr. Möricke geschriebenen Brief vom 23. Juli 1886 ist zu erfahren, dass Mutter und Kinder weiterhin in München lebten, die Schreiberin sich im Augenblick in Schloss Lichtenthurn bei Verwandten in der schönsten Gegend im Inntal aufhielt, ihre nunmehr 22-jährige Tochter Katharina gerade einer Kur bedurfte und ihr 21 Jahre alter Sohn Wilhelm Fähnrich im 5. Chevaulegers-Regiment zu Saargemünd gewesen ist, doch sich gerade in der Kriegsschule zu München befand. Ihr sei, so meint sie (ihr Wegbleiben von Wimpfen zur Lösung der dortigen Verkaufsprobleme entschuldigend) diese Besitzung sehr lästig geworden und die Reise dort hin von München aus mit Anständen verbunden gewesen. Mehr als dieses sowie das, was Zusätzliches noch aus der obigen Genealogischen Zusammenstellung über diese alle zu erfahren ist, kann über das Schicksal von Dagoberts Frau und Kindern nicht gesagt werden.
Leider ist aus der örtlichen Aktenlage nicht klar ersichtlich, zu welchem genauen Zeitpunkt die bei der Hochzeit ihrer Tochter mit 43 Jahren noch relativ junge Witwe AMALIE VON WIMPFFEN und ihr damals 17-jähriger Sohn MAX(IMILIAN) Wimpfen verlassen haben und wohin sie anschließend gezogen sind. Wie schon gezeigt, weist das Grundbuch-Supplement nicht mehr aus, als dass das von der Wimpffen-Familie bewohnte Hausanwesen sowie der gesamte Garten- und Weinberg-Niederwald-Besitz beim Roten Turm durch Kauf am 22. Dezember 1886 an den ehemaligen Ritterwirt sowie Mitbesitzer der Papierfabrik und kurz darauf zum Abgeordneten des hessischen Landtags gewählten Wilhelm Vörg und Ehefrau, dann am 13. Juni 1888 nach dessen unvermitteltem Tod an Robert Fuldner zu Heilbronn durch Erbschaft und schließlich dauerhaft durch Kauf an den aus Amerika zurückgekommenen kurzzeitigen Besitzer und Betreiber des Mathildenbades von 1887 – 1888/89 sowie Schwiegersohn der EHELEUTE KARL LINK (Besitzer der Papierfabrik) namens LUDWIG BREUNINGER UND EHEFRAU GEB. LINK gelangt ist. AMALIE VON WIMPFFEN GEB. VON ROUX DAMIANI dürfte mit Sohn MAXIMILIAN Wimpfen spätestens bereits 1882 verlassen haben. Die oben angesprochene an Dr. Möricke in Wimpfen gegangene Bevollmächtigung des Jahres 1886 weist aus, dass diese damals und wie auch vermutlich zuvor schon seit ihrem Weggang von Wimpfen in der Hauptstadt der Steiermark Graz gelebt und dort in der Strasoldogasse (heute geschrieben: Strassoldogasse) Nr. 6 gewohnt hat, auch dass der nach dem Tod ihres Mannes wegen der Minderjährigkeit ihres Sohnes Maximilian amtlicherseits bestellte Mitvormund DR. KARL RECHBAUER hieß. Damit hat sie sich in den Lebensbereich ihrer sicherlich mit ihr sehr verbundenen Schwägerin PAULINE GRÄFIN WIMPFFEN begeben, die ja bereits im April 1880, ein halbes Jahr nach ihr, Witwe geworden und deren Wohnort damals das nur 25 km von Graz entfernte Seckau gewesen ist. Unweit von Graz lag dazuhin das im Besitz der Grafen von Wimpffen befindliche Schloss Kainberg. Im Blick darauf, dass von den vorgenannten weiblichen Gliedern der Von Wimpffen Konkretes kaum zu greifen ist, seien hier wenigstens einige von diesen im Zusammenhang mit der Haushinterlassenschaft der Katharina von Wimpffen geleistete Unterschriften beigefügt:
- Abb. W 20: Drei aufgefundende Urkunden-Unterschriften des Jahres 1886 von dem Städtchen Wimpfen der zweiten Hälfte der 1870er Jahre nahegestandenen Frauen der Württembergischen Nebenlinie der Von Wimpffen.
Über MAX(IMILIAN) VON WIMPFFEN wissen wir nur aus seinem, im voranstehenden Kapitel V. Sedangeneral bereits teilweise zitierten, Brief vom 18. September 1911 an die „Wimpfener Zeitung” anlässlich des kurz zuvor dort erschienenen und mit L.W.H. (Ludwig Will, Hohenstadt; dort Lehrer seit Sommer 1909) unterzeichneten Aufsatzes „Freiherr von Wimpffen. 1811 – 13. September – 1911”, dass dieser damals in Wien gelebt hat. Die dortigen beiden Schlusssätze lauten folgendermaßen:
„Nicht immer glücklich, doch stets pflichttreu hat das Geschlecht derer von Wimpffen den Namen seiner Heimatstadt würdig geführt. Gegenwärtig ist es im Aussterben begriffen.”
Aus diesen ist zu schließen, dass dessen mit LUDOWIKA SKREBENSKY VON HRZISTIC geschlossene Ehe kinderlos geblieben ist. Vom Vorgenannten ist glücklicherweise im Archiv der Katholischen Kirchengemeinde Bad Wimpfen ein an Pfarrer Klein gerichteter Brief vom 21. März 1912 erhalten geblieben. Dieser stellt eine Antwort auf einen vorausgegangenen (vermutlichen Bitt-)Brief des Vorgenannten ca. des Frühjahres 1912 dar, die sich auf eine „Stiftung der Familie Wimpffen (freiherrlich und gräflich) 1872 – 1873” bezieht und folgendermaßen lautet (in Klammer stehend: Erläuterungen des Verfassers):
„Schreiben betr. Familie von Wimpffen: Euer Hochwürden, Hochgeehrter Herr Pfarrer! Für die güthige Benachrichtigung vom 15. d. M. spreche ich meinen ergebendsten Dank aus. Ich werde mir erlauben, Anfang nächsten Monats zu dem frommen Zwecke den bescheidenen Beitrag von 20 M einzusenden. Außerdem werde ich an meine Mutter (s. o.: Amalie von Wimpffen), die in Reval die Kinder (Näheres über diese später) meiner verstorbenen Schwester (s. o.: Sophie von Wimpffen, verheiratete und wieder geschiedene von Ungern-Sternberg, wiederverheiratete von Hoyningen-Huene; Weiteres darüber in Kapitel X. Robert alias Roman) betreut, und an eine Kousine Gagern geb. Wimpffen (s. o.: Elisabeth Sophie Victorine von Wimpffen, verheiratet mit Maximilian Freiherr von Gagern, Tochter – s. o. – des Grafen Gustav Adolf Felix und Gräfin Pauline von Wimpffen, geb. Freifrau von Wimpffen) in der Sache herantreten. Folgende Familienmitglieder, die bereits avisirt sind, bitte ich Euer Hochwürden ganz ergebenst, mit Aufforderungsschreiben zu beehren: 1. Seine Excellenz k. u. k. wirklicher Geheimer Rath, Feldzeugmeister Franz Freiherr von Wimpffen in Salzburg (siehe diesen in der II. Stammtafel in der blauen Generationsreihe XVI a bzw. 14a: Freiherr Franz Cajetan Anton von Wimpffen, geb. – anders wie in Constantin von Wurzbachs II. Stammtafel gesagt ist – am 13. Februar 1829 in Graz, gest. am 18. Februar 1922 im hohen Alter von 93 Jahren in Salzburg; verheiratet mit Bertha, geborene Gräfin von Kottulinsky; Weiteres in Nr. 13 der Lebensbeschreibungen von Wurzbach: Nach dieser stieg derselbe als Vorsteher der Kammer Seiner kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs Ludwig Victor, des Bruders des regierenden Kaisers Franz Joseph, über den Rang eines Majors, dann eines Obersten, dann eines Generalmajors und schließlich eines Feldmarschall-Lieutenants auf und bekleidete 1888 die Stelle des Obersthofmeisters dieses Erzherzogs sowie die Würde eines Wirklichen Geheimen Rates), 2. Graf Siegfried Wimpffen in Wien I, Hoher Markt, Palais Wimpffen (Graf Siegfried Simon Franz von Wimpffen, geb. 1865; siehe in Kapitel S. Gräflich Linie).- Der erstere ist der 82jährige Chef der freiherrlichen Linie, der letztere der Chef der gräflichen Linie und besonders eifriger Katholik.- Als Gnade erbitte ich mir, dass Hochwürden bei Ihrer vielfachen Inanspruchnahme aber über meine schwachen Kräfte unbedingt verfügen.- Mit dem Ausdruck der Ehrererbietung zeichne ich Euer Hochwürden ganz ergebener Max Wimpffen. Wien am 21. März 1912.”
Welcher genauen Art und welchen Umfangs diese Stiftung sowie der Inhalt des pfarrherrlichen Briefes von ca. Frühjahr 1912 gewesen ist und durch welche freiherrlichen wie gräflichen katholischen Glieder der Wimpffen 1872/73, d. h. um die Jahre des Erwerbs des Kaufs des Hauses und der Gartenstücke durch Katharina von Wimpffen und wenige Zeit vor dem Zuzug des Wilhelm von Wimpffen, diese Stiftung getätigt worden ist, das alles erschien mir zunächst völlig offen bleiben zu müssen, ebenso die Beantwortung der Frage, ob die zugezogene evangelische Familie des Wilhelm von Wimpffen an der Stiftung mitbeteiligt gewesen ist.
Nachdem ich jedoch im Frühjahr 2015 von Dr. Hans von Wimpffen erfahren hatte, dass auf der sog. Wohltätertafel auf der Empore der Katholischen Pfarrkirche Bad Wimpfen (ehemalige Dominikanerkirche) unter den 55 dort abgebildeten Stifterwappen auch der Name seines Ahnen MAXIMILIAN VON WIMPFFEN zu finden sei, regte ich einen gemeinsamen Besuch sowohl des Archivraumes als auch der Katholischen Pfarrkirche Bad Wimpfen an. Dieser fand am 18. April 2015 dankenswerterweise mit der liebenswürdigen Unterstützung von Herrrn Theo Seufer statt und führte zu den folgenden fruchttragenden Ergebnissen: Zwar blieb die intensive Suche im Archivraum nach einer eventuell vorhandenen Abschrift des o. a. vermutlichen Bittbriefes des katholischen Pfarrers Klein von ca. Frühjahr 1912 erfolglos. Dafür fiel Dr. von Wimpffen dort ein Exemplar der folgenden mir zwar bekannten, doch zuvor noch nie eingesehenen 64-seitigen Abhandlung in die Hände: „Dr. Viktor Würth, Regierungsrat in Darmstadt, Die Wohltätertafel in der Dominikanerkirche zu Wimpfen a. B., Darmstadt 1912”. Die sofortige Einsicht in deren Inhaltsverzeichnis, S. 63, zeigte an, dass dort am Schluss der Namensaufführungen der Wohltäter der Kirche auf S. 49 und 50 nicht weniger als sieben Angehörige bzw. eingeheiratete Anverwandte des Adelsgeschlechtes der Reichsfreiherren bzw. Reichsgrafen von Wimpffen aufgeführt sind, die sich von ihren von 1738 bis 1910 reichenden Lebensdaten her zeitlich von den bis in die Mitte des 14. sowie das 15. Jahrhundert zurückgehenden anderen solchen einschneidend unterscheiden und von Viktor Würth als „somit außerhalb des Rahmens, den sich diese Arbeit gesteckt hat”, bezeichnet sind. Während die letztgenannte bis ins Mittelalter zurückgehende Gruppe von Stifterwappen ursprünglich große Bereiche der Südwand der Gotik bedeckt hatte und im Zuge der Barockisierung 1718 vorbildgetreu auf die Emporenbrüstung (wie es die im Zentrum derselben angebrachte lateinische Inschrift berichtet) übertragen worden war, waren die Wappen samt Namen und Titel dieser „um das Gotteshaus verdienten Männer und Frauen” in direktem Zusammenhang mit ihren wohl teilweise 1872/73 wie auch schon in den Jahrzehnten zuvor erfolgten Stiftungen auf die Empore im Anschluss an die seit 1718 vorhandenen sehr viel älteren solchen aufgebracht worden. Und zwar handelt es sich laut Würth (siehe dort auf S. 60) um die folgenden Stifter (die in Klammern gesetzten Textteile stellen meinerseitige Erläuterungen dar):
– 1. ALPHONS, REICHSGRAF V. WIMPFFEN (1828 – 1866; gefallen im Preußisch-österreichischen Krieg; Ehegatte von 2; siehe diesen genannt in Kap. S. Gräfliche Linie; zu finden in der nachstehenden Abb. W 21 gezeigten korrigierten und erweiterten II. Stammtafel von Wurzbach in der ersten der drei in Rot gehaltenen Generationsleisten XVIc bzw. 14c an der 2. Stelle).
– 2. CAROLINE, REICHSGRÄFIN V. LAMBERG (1830 – 1883; Gemahlin von 1; siehe diese angeführt in Kap. S. Gräfliche Linie; zu finden unter dem Namen des Ehegatten in der Abb. W 22 in der bei Nr. 1 beschriebenen Generationsleiste).
– 3. FELDMARSCHALL FREIHERR MAX(IMILIAN) V. WIMPFFEN (1770 – 1854; der wohl Berühmteste Von Wimpffen; Träger des Goldenen Vlieses; Urururgroßonkel des Dr. Hans H. von Wimpffen; ruhend in der Krypta auf dem „Heldenberg”; ehelos; siehe vor allem in Kap. A. Grundlegendes und Y. Georgs-Zweig sowie in der II. Stammtafel in der Generationsleiste XIVd bzw. 12d an der 2. Stelle).
– 4. THEODOR FREIHERR V. BRUSSELLE (1741 – 1830; Ehegatte von 5; siehe diesen in der Abb. W 21 in der durchgehenden Generationsleiste XIII bzw. 11 an drittletzter Stelle); ein Großonkel des Wilhelm von Wimpffen.
– 5. CHARLOTTE FREYIN V. WIMPFFEN (1738 – 1806); Gemahlin von 4; Schwester des Gründers des Franzens-Zweiges namens François Louis de bzw. Franz Ludwig von Wimpffen; siehe diese unter dem Namen des vorbeschriebenen Ehegatten; diese war eine Großtante des Wilhelm von Wimpffen.
– 6. FRIEDRICH FREIHERR V. GAGERN (1842 – 1910; Ehegatte von 7; siehe in Kap. S. Gräfliche Linie sowie in der II. Stammtafel bei Gen. XVIc bzw. 14c in der linken der drei Generationsleisten an letzter Stelle ).
– 7. MARIA REICHSGRÄFIN V. WIMPFFEN (geb. 1842; Gemahlin von 6; Schwester von 1 und Schwägerin von 2; siehe Kap. S. Gräfliche Linie sowie in der Abb. W 21 an der bei Nr. 6 beschriebenen Stelle).
Abschließend weist der Autor darauf hin, dass die drei letzten auf der Emporenbrüstung aufgemalten Wappenschilde leer geblieben sind.
In der nachstehenden
- Abb. W 21: Die korrigierte und erweiterte II. Stammtafel des Constantin von Wurzbach
lässt sich die Position der vorgenannten sieben der Von Wimpffen-Familie entstammenden Spender ausmachen.
Nach dem vorgenannten Besuch nach der Suche im Archivraum in die Kirche gegangen, fanden sich die vorbeschriebenen Wappen mit den jeweiligen schwarz-weißen Namens- und Titelbändern darüber in der rechtsseitigen Endzone der Emporenbrüstung ganz genau so wie im Text beschrieben, dazuhin am unteren Ende die aufgeführte – weiß herausstechende – Dreiergruppe leer gebliebener Wappenschilde mit Namens- und Titelbändern.
Siehe hierzu
- Abb. W 22: Die vier Angehörigen und drei Anverwandten der Reichsgrafen bzw. Reichsfreiherren von Wimpffen geltenden Wappenschilde mit Namens- und Titelbändern sowie die drei leer gebliebenen solchen, welche die rechte Endzone der auf der Empore der Katholischen Stadt- und ehemaligen Dominikanerkirche Bad Wimpfen angebrachten sog. Wohltätertafel einnehmen (Fotografie vom 18. April 2015).
Was die vier Von-Wimpffen-Abkömmlinge 1, 3, 5 und 7 betrifft, so findet sich in deren Wappenschild übereinstimmend der mit vor rotem Grund mit einem goldenen Kreuz mit hier merkwürdigerweise doppeltem Querstab in den Vorderbeinen nach (heraldisch gesehen) rechts auf vierbergigem braunem Grund schreitende weiße Widder oder Hörnermann. Aus der Existenz dieser Stifterwappen in Verbindung mit dem o. a. Antwortbrief des MAX(IMILIAN) VON WIMPFFEN an PFARRER KLEIN des Jahres 1912 ist mit Sicherheit zu schließen, dass der Letztgenannte damals, sicherlich angeregt durch die im Zuge einer infolge des „Klosterbrandes” von 1907 dringend notwendig gewordene und in den Jahren 1911 und 1912 durchgeführte Innenerneuerung der Kirche mit dem Wiederauftauchen der übertünchten originalen Stifterwappen und der Erstellung der diesbezüglichen Abhandlung von Viktor Würth, sich veranlasst gesehen hat, Angehörige und Anverwandte der vor etlichen Jahrzehnten als Stifter aufgetretenen und auf der Wohltätertafel verewigten Adelsfamilie der Von Wimpffen brieflich als solche zu gewinnen. Da jedoch die für spätere Stifter vorgesehenen drei Schilde leer geblieben sind, muss angenommen werden, dass Pfarrer Klein auf taube Ohren stieß oder vielleicht auch auf den Brief des Max von Wimpffen hin nichts Weiteres mehr unternommen hat, zumal er wachsend gesundheitlichen Beeinträchtigungen unterlag und diesen 1917 (siehe weiter unten) denn auch erlegen ist.
Der Umstand, dass der Briefschreiber MAX VON WIMPFFEN seine bescheidene Geldzuweisung erst zum Anfang nächsten Monats einzusenden gedenkt, spricht nicht dafür, dass dieser mit einem beträchtlichen Einkommen – ganz im Gegensatz zu seinen von ihm genannten steinreichen gräflichen österreichischen Verwandten – gesegnet gewesen ist. Über den Genannten wissen wir, dass er promoviert und ganz im Geiste seiner Urahnen die nachfolgend genannten erziehlich-weltanschaulichen Schriften veröffentlicht hat:
-Max von Wimpffen: Kritische Worte über den Buddhismus, 64 Seiten, bei C. Konegen, Wien 1891;
-Max von Wimpffen: Kampf ums Dasein und Association… de Max von Wimpffen (in französischer und deutscher Sprache), 112 Seiten, bei C. Konegen, Wien, 1892;
-Max von Wimpffen: Zweikampf und Wille, 35 Seiten, bei Luckhardt, Berlin, 1902;
-Max von Wimpffen: Über Fragen des Buddhismus, Wien 1913.
Laut Dr. Hans H. von Wimpffen war dieser Berufssoldat im österreich-ungarischen Heer und erreichte wie sein Vater den Rang eines Rittmeisters. Als solcher hat er noch (teilweise) am Ersten Weltkrieg teilgenommen. Er ist am 14. Mai 1917 im Alter von nicht ganz 54 Jahren gestorben und er sei auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt worden, und zwar neben dem zwei Jahre zuvor am 10. Mai 1915 in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof in Wien bestatteten Rittmeister PHILIPP VON WIMPFFEN aus dem Georgs-Zweig, der infolge seiner Verwundung in Polen im Zug bei der Heimbeförderung nach Wien gestorben ist (Näheres über diesen siehe später in Kapitel Y. Georgs-Zweig).
Was das Grabmal dessen in Wimpfen-Hohenstadt 1879 so plötzlich verstorbenen Vaters WILHELM VON WIMPFFEN angeht, so war dieses laut der folgenden Einleitung des vorstehend angeführten Aufsatzes des Hohenstadter Lehrers LUDWIG WILL im Jahr des Erscheinens desselben 1911 noch vorhanden; denn dort heißt es:
„Auf dem alten Friedhofe zu Wimpfen steht ein Grabdenkmal eines Reichsfreiherren Wilhelm von Wimpffen, der als königlich württembergischer Kammerherr am 15. November 1879 starb.”
Offenbar hat dieses die erste Welle der Beseitigung von Grabdenkmalen überstanden, die im Zuge eines Gemeinderatsbeschlusses des Jahres 1927 erfolgt ist, den Alten Friedhof zu einen Kurpark umzugestalten. Denn OTTO MAISENHÄLDER (geb. 1926) erinnert sich zweifelsfrei, dass ihm dieses in seiner Kindheit von seinem Großvater FRIEDRICH FEYERABEND III. (1871 – 1959) gezeigt worden ist und ihn dessen (ob seiner herausragenden Größe und Repräsentativität gegebene) Auffälligkeit sowie die Inschrift ob deren Hinweises auf das den Namen der Stadt Wimpfen tragende Adelsgeschlecht der Von Wimpffen sehr beeindruckt und sich, sofern er sich richtig erinnere, von der Stadt, d. h. von außen her gesehen, linkerhand des rundbogigen Eingangstores vor der südwärtigen Einfriedungsmauer des Alten Friedhofes befunden habe. Die ihm erinnerliche Lage des Grabmals links vom Eingang des (heute sog. Alten) Friedhofes scheint zweifellos mit der in der Chronik der Evangelischen Kirchengemeinde erscheinenden Angabe „gleich links am Eingang des Kirchhofes” zusammenzugehen, wenngleich nicht klar ist, ob der berichtende Pfarrer nicht doch die Position des Grabdenkmals von innen her gesehen hat. DR. HANS H. VON WIMPFFEN erfuhr von der Existenz dieses Grabdenkmals durch den Wimpfener Photographen ENGELBERT GORIUP (1904 – 1997), laut dem sich dieses allerdings unmittelbar rechterhand des Eingangstores (von außen her gesehen) befunden haben soll. Gegen diesen Standort schien mir jedoch außer der Angabe der Evangelischen Kirchenchronik des Jahres 1879 sowie derjenigen von Otto Maisenhälder der Umstand zu sprechen, dass dort auf dem ganz schmalen Streifen Erdreiches Richtung „Ochsenloch“ für ein einigermaßen stattliches Grabdenkmal kaum Platz vorhanden gewesen sein dürfte. Klärung vermochten die Versuche, von sehr alten einstigen Anwohnern der auf den südwärtigen Haupteingang des Alten Friedhofes treffenden Feuerseestraße WALTER KNELL (Jahrgang 1923) und EUGENIE BERGMANN, VERH. PITSCH (Jahrgang 1921) über deren Tochter FRAU GÖHRING etwas darüber zu erfahren, blieben erfolglos. Ebenso brachte die Durchsicht des aus dem Jahr 1923 stammenden Aufsatzes von STADTPFARRER OTTO SCRIBA in dessen Sammelschrift „Wimpfen a. Neckar. Bilder aus Geschichte und Kunst „Der alte Friedhof zu Wimpfen am Berg (1923)“, Seite 25 – 37, keinen Erfolg. Denn dort sind mit wenigen Ausnahmen nur ältere Grabdenkmäler oder -steine beschrieben und ist ein nur lückenhaftes Bild gegeben. Und der von diesem Verfasser geschaffene Katalog aller damals dort vorhandenen Grabsteine und Grabdenkmäler (siehe diesen erwähnt auf Seite 32 dessen oben erwähnten Aufsatzes und auch von FRITZ VICTOR ARENS in seiner Sammelschrift des Jahres 1958 „Die Inschriften der Stadt Wimpfen am Neckar“ auf Seite 4 angesprochen) ist leider nicht mehr zu greifen. Immerhin erscheint mir heute (Sommer 2019) eine Spur über ein zwischen den Seiten 32 und 33 des Aufsatzes von Otto Scriba eingebrachte Bildblatt gelegt. Denn dort findet sich auf der Vorderseite, die vier auf Wimpfens Alten Friedhof bezogene Fotos zeigt, an dritter Stelle die folgende Aufnahme:
- Abb. W 23: Blick in den alten Friedhof, Fotografie aus den beginnenden 1920er Jahren, entnommen dem Aufsatz von Stadtpfarrer Otto Scriba des Titels „Der alte Friedhof zu Wimpfen“ des Jahres 1923.
Zweifelsfrei ist die Aufnahme vom am Ende der Feuerseestraße befindlichen Haupteingang her Richtung Nordnordost genommen und geht der Blick über den Hauptweg hin in Richtung zum heute noch (etwas versetzt) erhaltenen Cruzifixus, der 1548 vom Alten Bürgermeister BASTIAN LINK errichtet und unter dem dieser dort 1564 als Erster begraben worden ist. Zwar bin ich, der Erinnerung des Fotografen ENGELBERT GORIUP folgend, versucht, die dort vorne rechts großteils sichtbare Grabeinfassung sowie den angrenzenden außerordentlich hochragend erscheinenden Grabstein, auf dem leider keinerlei Inschrift auszumachen ist, für die Grabstelle von BARON WILHELM VON WIMPFFEN (1820 – 1879) zu halten. Doch fragt es sich leider, ob es sich bei dieser Grabstelle wirklich um die erste nach dem Torumgang oder nicht eher, indem der Aufnehmende sich um Einiges vom Tordurchgang entfernt hat, um eine nachfolgende solche handelt?!
Auf welche Weise und wann genau dieses ganz besonders erinnerungsträchtige und erinnerungswürdige Grabmal wohl erst im Zuge der in den Jahren vor und nach dem Zweiten Weltkrieg vorgenommenen weiteren Eingriffe in die Grabmalbestände der durch die Eröffnung eines neuen Friedhofes an der Straße nach Rappenau im Sommer 1893/94 zum „Alten Friedhof” gewordenen Anlage (unverzeihlich!) entfernt und wohin dieses gebracht worden ist, ließ sich trotz mannigfacher weiterer Nachforschungsversuche leider nicht mehr eruieren. Somit erscheint dieses Dokument der (wenngleich nur kurzen) Niederlassung eines Gliedes der den Namen der Stadt tragenden alten Adelsgeschlechtes im Wimpfen der zweiten Hälfte der 1870er Jahre leider unwiederbringlich verloren gegangen.
Es erscheint nunmehr abschließend noch notwendig, tiefer in die Frage einzudringen, welche genaueren Motive das älteste der vier Kinder des königlich-württembergischen Generalmajors und Generaladjudanten König Wilhelms I. von Württemberg FRIEDRICH WILHELM VON WIMPFFEN (1784 – 1845), nämlich die Ehrenstiftsdame des Sankt-Anna-Stifts München KATHARINE VON WIMPFFEN (1818 – 1875), wohl veranlassten, im Zeitraum 1870/71/73, demnach im Alter von 52 bis 55 Jahren, die oben gezeigte Reihe von am auslaufenden Eulenberg beim Roten Turm gelegenen Garten- und Hainbuchen-Niederwald-Grundstücken mit dem Plan zu erwerben, dort, wie die Zeitung berichtet, „größere Gebäulichkeiten herzustellen und ein bedeutendes arrondiertes Gut zu gründen”, außerdem das von der Familie ihres Bruders Wilhelm bezogene Lehrer-Usinger’sche Haus- und Gartenanwesen nächst des Rathauses am Beginn des Burgviertels zu kaufen. Da konkrete Hinweise auf die dahinter steckenden Motive nicht vorliegen, kann man darüber leider nur spekulieren. Sicher erscheint zunächst nur, dass der Adelsname „Von Wimpffen” durch die in etwa ab der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts begonnene und verstärkt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts fortgesetzte Ausbreitung insbesondere der zahlreichen Abkömmlinge des Franzens-Zweiges über viele Länder Europas, dazu noch durch die Verleihung der Grafen-Würde an einen der Nachkommen der Folgegeneration zu einem bekannten Adelsnamenbegriff wurde, der im Herbst 1870 durch die Tragödie um den „Sedangeneral” EMMANUEL FÉLIX DE WIMPFFEN in Europa und der übrigen Welt zusammen mit dem seines berühmten militärisch-politischen Gegenspielers GENERALSTABSCHEF HELMUTH VON MOLTKE in vieler Munde kam. Dazuhin hatte in etwa zum Beginn des letzten Viertels des 18. Jahrhunderts die wissenschaftliche Ahnenforschung sich befleißigt, das im Übergangsraum von Schwaben zu Franken liegende Städtchen Wimpfen am Neckar als namengebenden Ausgangsort des Wimpffen-Geschlechts festzustellen, was im Einzelnen Gegenstand der Betrachtung im Endkapitel Z. Rück- und Weiterschau sein wird. Alles dies dürfte dazu beigetragen haben, dass das hessische Exklaven- und ehemalige Freie Reichsstädtchen Wimpfen am Neckar in ganz besonderem Maße von den Angehörigen der von ihrem Lebensraum Württemberg und Neckarland diesem ganz nahen Württembergischen Von Wimpffen-Nebenlinie registriert worden ist und somit deren ganz besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat.
Abschließend drängt es mich noch, nicht darauf zu verzichten, den freilich mehr als unbedeutenden Akt der in dem wenig mehr als einem halben Jahrzehnt ihres Wohnens in Wimpfen geschehenen Berührung der Adelsfamilie VON WIMPFFEN mit meinen Wimpfener Vorfahren zu schildern:
Im Jahre 1984 befragte ich im Zuge der Sammlung historischen Materials über die Geschichte Wimpfens im 19./20. Jahrhundert u. a. auch meinen damals in Heilbronn-Böckingen lebenden und im 89. Lebensjahr stehenden Großvetter LUDWIG NEUWIRTH (1895 – 1996); denn dieser war mit den familiären Gegebenheiten des Städtleins Wimpfen der 1880er und 1890er Jahre durch Erzählungen seiner in Wimpfen am 20. November 1874 geborenen und 4. Februar 1951 in Heilbronn gestorbenen Mutter EMILIE NEUWIRTH GEB. EHEBALDT, die jüngere der beiden Töchter des Metzgers LUDWIG EHEBALDT und PAULINE EHEBALDT GEB. EBERLE, bestens vertraut; vertieft wurden diese dadurch, dass er dieselben im Zuge der in den ersten anderthalb Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in der Regel bei den Wimpfener Großeltern verbrachten Schulferien hautnah erlebt hat. Damals aus dem Studium aller vorhandenen Jahrgänge der „Wimpfener Zeitung“ kaum mehr wissend, als dass ein BARON WILHELM VON WIMPFFEN mit Familie in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre in Wimpfen gelebt und 1879 dort gestorben und begraben worden ist, erfuhr ich darüber vom besagten Großvetter folgendes spontan Berichtete und von mir folgendermaßen Protokollierte (Textteile in in Klammer stellen meinerseitige Anmerkungen dar):
– „In der frühen Jugend meiner Mutter lebte in Wimpfen im Hause Schaar (gemeint ist das ehemalige Stadthaus der VON GEMMINGEN, gelegen ganz oben am Ende der Schwibbogengasse nahe beim Roten Turm). Mit seiner Tochter durfte meine Mutter (d. h. meine GROßTANTE EMILIE) oft ausfahren. Von da kam ihr großer Stolz her. Die Tochter heiratete einen Russen, der sie oft mit der Reitpeitsche traktierte. Generalfeldmarschalll von Moltke war ein Vetter des Barons und war öfter in Wimpfen bei ihm zu Gast.“
Was ich damals in der Gänze der niedergeschriebenen Aussage trotz des Umstandes, dass mein Großvetter nicht mehr als nur ihm Erzähltes und nicht selbst Erlebtes berichten konnte, als durchaus glaubhaft ansah, muss ich heute, d. h. 33 Jahre später, auf der Grundlage meiner Forschungsergebnisse wie folgt korrigieren sowie ergänzend kommentieren:
– In puncto Wohnsitz hat ihm seine Phantasie in der Weise einen Streich gespielt, dass er dem BARON (WILHELM) VON WIMPFFEN das wohl repräsentativste und ihm als ehemaliger Adelssitz der Von Gemmingen bekannte Wohngebäude Wimpfens zuwies, wobei ihm vom wirklichen Wohnplatz, dem Hause Breuninger, in den Erzählungen der Mutter und/oder Großeltern entweder nie berichtet worden ist oder er diesen Fakt vergessen oder unbewusst verändert hat.
– Was die erwähnte Von-Wimpffen-Tochter betrifft, so besteht kein Zweifel, dass es sich um SOPHIE VON WIMPFFEN handelt, die beim Zuzug der Familie im Sommer 1875 gerade 14 Jahre alt gewesen ist, während meine Großtante EMILIE EHEBALDT damals beim Zuzug der Von-Wimpffen-Familie nicht mehr als rund ein halbes Jahr zählte. Da Sophie von Wimpffen nach ihrer Heirat mit BARON THEODOR LEONHARD RUDOLPH VON UNGERN-STERNBERG ausgangs September 1880 Wimpfen verlassen hat, muss das berichtete öftere Mitfahrendürfen (per Kutsche natürlich) meiner zur Zeit der Hochzeit noch nicht ganz 6 Jahre alten Großtante in deren Kleinkindalter stattgefunden haben. Es steht zu vermuten, dass der Vater meiner Großtante (mein Urgroßvater mütterlicherseits) METZGER LUDWIG EHEBALDT der Wurst- und Fleischlieferant der Von Wimpffen-Familie gewesen und diese somit immer mal wieder sozusagen liebesdienstlich von der 13 Jahre älteren Sophie von Wimpffen in der Kutsche „mitgenommen“ worden ist. Das am mittleren Marktrain im zweitnächsten Gebäude oberhalb des Brunnengässchens gelegene Metzgergeschäft Ehebaldt Nr. 121 (ab 1851) bzw. 130 (ab 1895), heute Nr. 8, war ja nicht allzuweit vom neckarwärtig neben dem Rathaus befindichen Domizil der Von Wimpffen entfernt.
– Dass der vorgenannte mit Sophie von Wimpffen ehelich verbundene estnische Adelige von Ludwig Neuwirth als „Russe“ bezeichnet wird, trifft sich mit der Wahrheit insofern, als Estland damals unter russischer Oberhoheit stand und die Sitten und Gebräuche des dortigen Adels, so auch diejenigen bezüglich des gewohnten bracchialen Umgangs mit den Untertanen oder anderswie Abhängigen, mit denen des russischen Adels konform gingen. Ob die Feststellung zutrifft, dieser habe seine Frau Sophie oft mit der Reitpeitsche traktiert, sei dahingestellt. Dass solches, wenn geschehen, sich nicht in Wimpfen abgespielt haben kann, liegt in Anbetracht des Umstandes, dass die beiden sich dort gemeinsam wohl nur zu ihrer Hochzeit aufgehalten haben, auf der Hand. Selbstredend ist der Umstand der unglücklich verlaufenen Ehe sowie der psychischen Abirrung des Gatten von der Erwartungsnorm und der erfolgten Scheidung der beiden auch nach Wimpfen gedrungen. Und wenn man die Anfänge des Folgekapitels X. Robert alias Roman nachliest und dabei erfährt, was z. B. in den ausgehenden 1890er Jahren an dessen Ruf Belastendem in die Öffentlichkeit gedrungen ist, so wird klar, dass all dieses Negative nicht an Wimpfen und meinen dortigen Vorfahren spurlos vorbeigegangen sein kann. Möglicherweise stellt das dem ersten Gatten Sophies angelastete Schlagen derselben mit der Reitpeitsche nichts anderes als eine vom kollektiven Bewusstsein im Gang der Zeit weitergegebene Negativklassifikation fiktiven Charakters dar, welche die psychotischen Episoden des Th. L. R. von Ungern-Sternberg in Erinnerung gehalten hat.
– Und was die beiden letztgetroffenen Feststellungen des Ludwig Neuwirth betrifft, dass der Schlachtenlenker Helmuth von Moltke ein Vetter des Barons von Wimpffen (statt genauer ein Vetter der Mutter desselben) gewesen und öfter in Wimpfen zu Gast gewesen sei, so findet sich die erstgetroffene solche im obigen Bericht des „Wimpfener Boten“ über den Moltke-Besuch vom 25. Februar 1876 in dieser Weise („am Bahnhof von seinem Vetter Herrn Baron von Wimpffen empfangen“) verwendet und somit offenbar unauslöschlich in Wimpfens öffentliches Bewusstsein gebracht. Da lag es auch nahe, Moltke in späteren Jahrzehnten nicht nur als einmaligen, sondern als öfteren Gast Wimpfens zu sehen.
Damit ist das mir ganz besonders am Herzen gelegene Kapitel W abgeschlossen, das erstrangig jenem Abkömmling der Von Wimpffen namens BARON WILHELM VON WIMPFFEN (1820 – 1878) gilt, der den hessischen Exklaven- sowie Herkunftsort derselben Wimpfen am Neckar in der Zeit des beginnenden Deutschen Kaiserreiches zu seinem Alterssitz erkoren hat. Bevor ich zu Ende komme, möchte ich dem Leser nicht verhehlen, dass ich gemeinsam mit DR. HANS H. FREIHERR VON WIMPFFEN Bitternis darüber empfinde, dass – wer auch immer dafür verantwortlich gewesen sein mag – dessen im damaligen (heute sog. Alten) Friedhof nächst des stadtwärtigen Eingangstores gestandenes Grabmal entfernt und darüber hinaus unauffindbar beseitigt und damit sein zumindest bis in die ausgehenden 1920er Jahre dinglich vorhanden gewesenes Erinnern vergessen gemacht worden ist!